"Zu westlich"

Gassi gehen kommt im Iran subversiver Tat gleich

Ausland
11.06.2013 12:03
Der Kampf der iranischen Behörden gegen sämtliche Formen des westlichen Lebensstils hat nun auch das bei den Abendländern beliebteste Haustier erreicht. Seit einiger Zeit kommt Gassi gehen für Hunde und deren Halter im Iran einer subversiven Tat gleich. Werden sie erwischt, drohen Geldstrafen für den Besitzer - und "Haft" oder noch Schlimmeres für seinen Vierbeiner. Doch allen Maßnahmen zum Trotz: Hunde sind gefragt wie nie, ihr Verkauf boomt.

"In den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage nach Hunden stark an", sagt der Tierarzt und Zoohändler Sorusch Mobaraki in Teheran. "Wir allein verkaufen 15 bis 20 Hunde pro Monat." Für viele Iraner seien die Tiere demnach inzwischen Statussymbol: "Sie wollen einen Hund - so wie man ein Luxusauto besitzen will."

Hunde als Haustiere waren im Iran jahrzehntelang äußerst selten anzutreffen - nach dem traditionellen Glauben gelten sie als "nadschis" (unrein). Aufgrund ihrer geringen Zahl wurden sie jedoch toleriert, wobei Wach-, Hüte- und Jagdhunde ohnehin akzeptiert waren. Inzwischen aber sind die Behörden alarmiert, weil die in ihren Augen verwestlichte Mittelschicht zunehmend auf den Hund kommt: "Für mich ist sie wie ein Familienmitglied", sagt etwa der Informationstechniker Sevak, während er in seiner Wohnung in einem Teheraner Vorort seine Husky-Hündin Vova knuddelt (Bild).

Ayatollah: "Blinde Nachahmung der westlichen Kultur"
Berichte über Schoßhunde im Designermäntelchen, die in Luxuskarossen herumkutschiert oder durch die Parks von Teherans Nobelviertel geführt werden, zogen schließlich den Zorn konservativer Geistlicher auf sich. Im Juni 2010 verurteilte Großayatollah Naser Makarem Schirsi die Hundehaltung als "blinde Nachahmung der westlichen Kultur" und warnte, die traditionellen Werte könnten dabei vor die Hunde gehen. "Viele Menschen im Westen lieben ihre Hunde mehr als ihre Frauen und Kinder", wurde er von den Medien zitiert.

Daraufhin belegte die Regierung die Hundehaltung kurzerhand mit Geldstrafen, Werbung in den Medien für Haustiere wurde komplett verboten. Zoohändler Mobaraki hat seine zu verkaufenden Hunde seitdem in einem Garten außerhalb der Stadt untergebracht. "Ich hole sie erst, wenn der Käufer und ich uns einig sind und das Geschäft unter Dach und Fach ist", sagt der 34-Jährige.

"Hunde-Razzien" inzwischen an der Tagesordnung
Die früher eher sporadischen "Hunde-Razzien" stehen inzwischen an der Tagesordnung. Die Polizei "geht gegen alle vor, die ihre Hunde auf der Straße spazieren führen", drohte Vizepolizeichef Achmad Resa Radan im April. "Außerdem werden Autos, in denen Hunde sitzen, beschlagnahmt." Nach Berichten von Hundebesitzern verschleppen die Beamten die Tiere an "unbekannte Orte", wo sie sie oftmals einfach verhungern lassen.

Proteste gegen die "Massenfestnahme von Hunden"
Tierschützer bezweifeln, dass diese Razzien rechtmäßig sind. "Es gibt kein Gesetz, das die Haltung oder den Transport von Hunden verbietet", mahnte die Iranische Gesellschaft zur Verhütung von Grausamkeiten an Tieren in einem offenen Brief an Radans Vorgesetzten, Polizeichef Esmail Ahmadi Mokadam. Auf ihre Proteste gegen die "Massenfestnahme von Hunden" erhielt die Organisation aber nie eine Antwort.

Laut dem ehemaligen Vorsitzenden der iranischen Anwaltsvereinigung, Bachman Keschawars, können Haustiere von den Behörden nur dann beschlagnahmt werden, wenn die Halter gegen Hygienestandards verstoßen und zudem ein richterliches Urteil vorliegt, berichtet die Tageszeitung "Bachar". Bisher erhielten Hundehalter zumindest nach Zahlung einer Strafgebühr und dem Versprechen, nicht mehr gegen die "Moral" zu verstoßen, ihren Liebling in der Regel wieder zurück. Heute allerdings können sie sich nicht mehr sicher sein: "Den Haltern wird gesagt, dass ihre Hunde getötet werden, und dann erhalten sie nicht einmal einen Beleg für die Beschlagnahme", zitiert das Blatt Tierklinik-Leiter Pajam Mochebi.

Hundehalterin: Gassi gehen "mittlerweile zu gefährlich"
Manche Hundeliebhaber führen ihre Tiere daher nur noch in abgelegenen Ecken oder nachts spazieren. Viele verzichten aber ganz darauf: "Ich traue mich nicht mehr, meine Hündin mitzunehmen", sagt etwa eine Frau beim Familienpicknick in einem Park im Westen Teherans. "Wir lassen sie jetzt immer zu Hause. Alles andere wäre mittlerweile zu gefährlich."

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