Mehrere Verletzte

Erdogan polarisiert bei Blitzvisite in Deutschland

Ausland
10.05.2015 19:07
Draußen Transparente und Pfiffe, drinnen Jubel und ein Meer von türkischen Fahnen für den Präsidenten: Mehr als 14.000 Menschen mit türkischen Wurzeln aus ganz Deutschland und angrenzenden Nachbarländern sind am Sonntag nach Karlsruhe gekommen, um den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu erleben. Vor der Messehalle lieferten sich - durch eine Straße und ein großes Polizeiaufgebot getrennt - Erdogan-Gegner und dessen Anhänger nicht nur lautstarke Sprechduelle. Es kam sogar zu einer Prügelei mit Verletzten.

Knapp zwei Monate vor den Parlamentswahlen in der Türkei hat Erdogan die in Deutschland lebenden Bürger mit türkischer Staatsangehörigkeit zur Stimmabgabe aufgerufen. Vor mehr als 14.000 Zuhörern forderte der islamisch-konservative Politiker die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln dazu auf, sich in der Bundesrepublik zu integrieren, dabei aber die Werte, die Religion und die Sprache ihrer Heimat zu bewahren. "Je stärker unser Zusammenhalt in der Welt, umso stärker sind wir alle", sagte Erdogan.

Menge feierte Erdogan: "Wir sind stolz auf dich"
Die Errichtung der "Neuen Türkei" beginne in Deutschland, sagte Erdogan mit Blick auf die anstehende Wahl. Die Türken in der Bundesrepublik seien die türkische "Stimme der Nation". Auf Erdogans Aufforderung hin skandierte die Menge die Formel "Eine Nation - eine Fahne - ein Vaterland - ein Staat" und feierte den Präsidenten begeistert mit einem Meer aus Fahnen. "Wir lieben dich, Erdogan, wir sind stolz auf dich", riefen die Zuhörer. Sie streckten die Hand zum Rabia-Zeichen aus: Die vier ausgestreckten Finger mit eingeklapptem Daumen entstanden in der Protestbewegung der ägyptischen Muslimbruderschaft gegen die Streitkräfte. Das Symbol wird auch von islamisch-politischen Gruppen in der Türkei verwendet.

Die lange geheim gehaltene Erdogan-Blitzvisite offenbarte aber auch die aufgeheizte Atmosphäre zwischen Türken im Ausland. Die Opposition wirft Erdogan vor, Wahlkampf für die islamisch-konservative Regierungspartei AKP zu betreiben, was er als Präsident laut Verfassung nicht darf. Der 61-Jährige selbst betonte hingegen in seiner umjubelten Rede: Er komme, um den im Ausland lebenden Türken den Rücken zu stärken.

Drei Verletzte bei Zusammenstößen
Mehrere Tausend Gegner Erdogans demonstrierten vor der Messehalle gegen die Veranstaltung. Auch mehrere Tausend Anhänger des Präsidenten, die keinen Platz mehr in der Halle gefunden hatten, versammelten sich dort, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Die Stimmung zwischen beiden Gruppen sei aufgeheizt gewesen, hieß es. Bei Zusammenstößen zwischen Anhängern Erdogans und Gegendemonstranten wurden laut Polizei drei Menschen verletzt. Es gab zwei Festnahmen.

Nach Auseinandersetzungen zwischen Erdogan-Anhängern und kurdischen Gegendemonstranten, bei denen es sich laut Polizei zum Teil um Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gehandelt haben dürfte, sprach die Polizei zudem gegen mehrere Kurden Platzverweise aus. Diesen sei auch Folge geleistet worden. Gegen Erdogan demonstrierten auch Anhänger des Alevitischen Kulturvereins und weiterer Gruppen.

Auslandstürken als Zünglein an der Wahl-Waage?
Die vom türkischen Fernsehen live übertragene Ansprache stand im Zeichen des Wahlkampfs für die Parlamentswahl in der Türkei am 7. Juni. Die im Ausland lebenden Türken können ab Freitag bis zum 31. Mai in den Konsulaten wählen. In Österreich sind rund 90.000 Personen wahlberechtigt. Erdogan weiß jedenfalls um die durchaus wichtige Rolle der Türken im Ausland und wie wichtig es für seine AKP ist, sie an der Wahl zu beteiligen - schließlich könnten sie das Zünglein an der Waage sein.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.

Kostenlose Spiele