Sicherheitslücke

Emissionshandel wegen Cyberdieben EU-weit gestoppt

Ausland
20.01.2011 09:10
Wegen Sicherheitslücken und Hacker-Angriffen in mehreren europäischen Ländern hat die EU-Kommission am Mittwoch praktisch den kompletten europäischen Emissionsrechte-Handel gestoppt. In Österreich ist nach einer Cyber-Attacke auf die heimische Registrierstelle "ECRA" schon seit Mitte Jänner Sendepause. Die Cyberdiebe verschafften sich Zugriff auf Benutzerkonten und führten Transaktionen durch. Die Hintergründe sind unklar, CO2-Zertifikate sind aber in den letzten Jahren bei Umsatzsteuerbetrügern äußerst beliebt geworden.

Der Emissionshandel gilt in vielen Industriestaaten eigentlich als entscheidendes Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Kraftwerke und Industrieanlagen erhalten dabei Rechte zum Ausstoß einer bestimmten Menge an Kohlendioxid.

Wer weniger Zertifikate braucht, etwa weil er weniger produziert oder Anlagen modernisiert, kann diese über die Börse verkaufen. Wer seine Produktion ausweitet oder mit veralteten Anlagen arbeitet, muss CO2-Zertifikate zukaufen. Über die Jahre wird die zugeteilte Menge gekürzt, um den Druck auf die Industrie aufrecht zu erhalten.

In Österreich befasst sich die ECRA ("Emission Certificate Registry Austria") mit dem Handel von Umweltzertifikaten und Emissionswerten. Die Registrierstelle für Emissionsrechte ist eine ausgelagerte GmbH, untersteht aber dem Umweltbundesamt und damit dem Umweltministerium.

Handel seit 10. Jänner ausgesetzt
Bereits am 10. Jänner kam es zum Angriff auf die Computer der Zertifikatsbörse. Seither ist der Handel ausgesetzt. Die ECRA warnte Kunden zudem Anfang Dezember vor Phishing-Angriffen, mit denen versucht werde, Zugangsdaten zum Register herauszulocken. Auch wurden Kunden in einer Mitteilung vor einem Computerschädling namens "Nimkey" - ein Trojaner, der Logins und Passwörter abgreift - gewarnt und angehalten, ihre Sicherheitssoftware zu aktualisieren.

"Wir werden Sie bis spätestens 21. Jänner 2011 über die weitere Vorgangsweise informieren", hieß es am Mittwochabend auf der ECRA-Website. Laut der Verfügung der EU-Kommission soll der Handel bis 26. Jänner abgestellt bleiben. Lediglich die Zuteilung und die Abtretung von Verschmutzungsrechten bleibe erlaubt.

6,7 Millionen Euro Schaden in Tschechien
Neben Österreich haben in den vergangenen Tagen bereits die Registrierstellen in Tschechien, Griechenland, Estland und Polen den Handel eingestellt. Nachdem am Mittwoch auch die Pariser CO2-Börse "BlueNext" den Handel aussetzte, entschloss sich die EU-Kommission zu einem europaweiten Moratorium.

Offenbar ist in einigen betroffenen Ländern beträchtlicher Schaden entstanden: In Tschechien wurden nach Angaben eines Marktteilnehmers europäische Emissionsberechtigungen im Wert von 6,7 Millionen Euro gestohlen. Wie Ingeborg Zechmann, Sprecherin des Umweltbundesamtes, am Mittwochabend gegenüber krone.at bestätigte, wurden auch bei den Angriffen auf die ECRA illegale Transaktionen getätigt, also Zertifikate gestohlen. Dies sei aber entdeckt worden, der Handel daraufhin ausgesetzt. Einen etwaigen Schaden wollte bzw. konnte die Sprecherin nicht beziffern. Derzeit befasse sich die Staatsanwaltschaft mit der Causa.

CO2-Zertifikate bisher bei Umsatzsteuerbetrügern beliebt
Emissionszertifikate sind bereits seit einigen Jahren Spielball krimineller Aktivitäten. Dabei ging es bisher allerdings nicht um Hacker, sondern um Umsatzsteuerbetrug nach dem sogenannten "Missing Trader"-Schema, das sich Besonderheiten des Mehrwert- und Umsatzsteuerrechts in der EU bei grenzüberschreitenden Geschäften zunutze macht. Durch Karussellgeschäfte über mehrere Länder knöpfen die Kriminellen den Finanzämtern Steuerrückerstattungen ab, gleichzeitig umgehen sie ihre Steuerpflicht.

Da Emissionszertifikate steuerpflichtig sind, eignen sie sich ideal für derartige Machenschaften, hinter denen mittlerweile mafiöse Strukturen stecken. Der jährliche Schaden geht laut Europol in die Milliarden, 2010 gab es mehr als 100 Festnahmen wegen Umsatzsteuerbetruges, 2.500 Ermittler waren eingesetzt.

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