Brisante Causa

Italien erringt vor Gericht Sieg im Kruzifix-Streit

Ausland
18.03.2011 16:22
Italiens Regierung hat ihren Kampf für Kruzifixe in italienischen Klassenzimmern gewonnen. Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg sprach das Land am Freitag vom Vorwurf der Menschenrechtsverletzung frei. Noch im Jahr 2009 hatte die erste Instanz des EGMR einer in Italien lebenden finnischen Mutter zweier Söhne recht gegeben - die Atheistin betrachtet die Kreuze als Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Rom beantragte daraufhin eine Überprüfung des Urteils.

Die Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofs sind für die Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention bindend, das Urteil der Großen Kammer des EGMR ist somit endgültig. Hätten die 17 Richter der Großen Kammer die Kruzifixe in Klassenzimmern als rechtswidrig gerügt, hätte dies Straßburger Juristen zufolge zahlreiche neue Klagen gegen andere Staaten ausgelöst.

Mutter bekam 2009 erstinstanzlich recht
Die Mutter und ihre heute 21 und 23 Jahre Söhne vertreten den Standpunkt, christliche Symbole in staatlichen Schulen würden gegen die Grundrechte verstoßen - die Kruzifixe verletzten die Rechte von Kindern, die selbst keiner christlichen Religion angehören.

In Italien zogen sie vergeblich durch alle Instanzen - bis vor den Verfassungsgerichtshof. Vor dem Straßburger Gericht hatten die Kläger dann im November 2009 einen ersten Sieg errungen: Die sieben Richter einer kleinen Kammer stellten einstimmig Verstöße gegen die Grundrechte auf Religions- und Gewissensfreiheit sowie Ausbildung fest.

Rom: "Nur stumme und passive Symbole"
Bei einer Anhörung Ende Juni 2010 wies der Rechtsvertreter der italienischen Regierung abermals den Vorwurf der Grundrechtsverletzungen zurück. Die Kreuze seien "nur stumme und passive Symbole", die keinen Einfluss auf den Unterricht hätten. Sie seien zudem "volkstümliche Symbole", die zur nationalen Identität Italiens gehörten.

Unterstützt wurde Italien von zehn anderen Europaratsländern mit überwiegend katholischer oder orthodoxer Bevölkerung, die als Drittparteien auftraten - ein Rekord in der Geschichte des Straßburger Gerichts. Außerdem waren 33 vorwiegend konservative Europaabgeordnete vertreten. Auch eine Reihe von Organisationen haben sich hinter Italien gestellt. In ihrem Namen sagte der New Yorker Rechtsprofessor Joseph Weiler, der Gerichtshof dürfe kein Land zu Laizität verpflichten.

Klägeranwalt: Kinder fühlten sich ausgeschlossen
Der Anwalt der Kläger sagte hingegen, Italien sei laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ein laizistisches Land. Der italienische Staat müsse in Sachen Religion neutral bleiben. Kinder, die in der Schule mit einem Kruzifix konfrontiert seien, müssten aber daraus schließen, dass sich der Staat mit dem Christentum identifiziere. Die Söhne der Klägerin, die zu Hause laizistisch erzogen worden seien, hätten sich wegen der Kruzifixe im Klassenzimmer ausgeschlossen gefühlt.

Die erstinstanzliche Entscheidung des Straßburger Gerichts hatte in Italien, aber auch in Deutschland und anderen Ländern, große Empörung ausgelöst. Die Deutsche Bischofskonferenz betonte, das Kreuz sei "nicht nur religiöses Symbol, sondern auch kulturelles Zeichen". Bei einer Umfrage in Italien sprachen sich 84 Prozent der Befragten für die Beibehaltung der Kreuze in Schulen aus.

Vatikan zufrieden: "Symbol unserer Zivilisation"
Der Vatikan begrüßte am Freitag das nunmehrige "Kruzifix-Urteil" des EMGR. "Das Kreuz ist ein Symbol unserer Zivilisation, eines der größten des Westens, abgesehen davon, ob man es vom religiösen Standpunkt anerkennt oder nicht", erklärte Kardinal Gianfranco Ravasi, Kulturminister des Vatikans. Ravasi warnte davor, religiöse Symbole aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, denn in diesem Falle drohe ein "Identitätsverlust."

Kreuze in Österreichs Kindergärten nicht verfassungswidrig
Erst am Mittwoch hatte in Österreich nach einer Klage eines Vaters und Atheisten der Verfassungsgerichtshof entschieden, dass in Kindergärten weiterhin Kreuze angebracht werden dürfen. Demnach sei dies auch vor dem Hintergrund der Trennung von Kirche und Staat nicht als "Präferenz des Staates für eine bestimmte Religion" zu werten (siehe Story in der Infobox).

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