Streit um Bauprojekt

Ziesel als Spielball von Politik und Wirtschaft

Tierecke
19.02.2016 08:41

Eines der allerletzten Vorkommen der strengstens geschützten Ziesel in Europa soll jetzt endgültig einem Megabauprojekt weichen. Im Detail geht es dabei um die Verbauung von Grundstücken hinter dem Heeresspital im 21. Wiener Gemeindebezirk, wo die Nagetiere ihren Lebensraum haben. Es handelt sich um eines der größten und vitalsten Zieselvorkommen Europas. Hinzu kommt, dass die Ziesel auf Platz Eins der Roten Liste der gefährdetsten Tierarten Österreichs stehen.

Tierschützer kämpfen seit Jahren darum, den Lebensraum der Ziesel zu erhalten und fordern die Bereitstellung einer Ausgleichsfläche für das Bauvorhaben. Trotz Baulandreserven in Höhe von über zwei Millionen Quadratmeter kommt diese Option für die Stadt Wien und die zuständige Wiener Umweltschutzabteilung (MA 22) nicht in Frage. Der Masterplan stattdessen: Die Ziesel sollten mittels so genannter Zieselbrücken auf die andere Seite des Marchfeldkanals umgesiedelt werden.

Bau startet trotz Prüfung der EU-Kommission
Wie die Behörde nun meldete, sei eine Verlagerung der Ziesel feststellbar, auf einzelnen Baufeldern gäbe es bereits kaum noch Besiedelung. Daher wurden prompt Genehmigungen für Vorarbeiten auf rund einem Drittel des Areals erteilt - unter strengen Auflagen, versteht sich. Der WTV gibt in einer Aussendung an, eine aktuelle Anfrage an die EU-Kommission gestellt zu haben, in der es heißt: "Dem neuesten Bericht zufolge hat die Maßnahme bei der Umsiedlung der Ziesel noch nicht zum angestrebten Ergebnis geführt". Auch die Berichte der ökologischen Aufsicht sprechen eine andere Sprache: So habe sich der Zieselbestand auf der Projektfläche seit 2014 kaum verändert, der Bestand auf den durch die Zieselbrücke verbundenen Ausgleichsflächen nehme dementsprechend nicht zu, die Anzahl der Zieselbaue dort habe gar von zwölf auf neun abgenommen.

"Von einem Erfolg kann nicht die Rede sein"
"Es kann also weder von einem Erfolg dieser 70.000 Euro teuren Umsiedelungsmaßnahme, noch von einem Schutz der Tiere die Rede sein. Die Antwort der EU-Kommission ist klar: Ein misslungener Zieselaktionsplan kann nicht den gesetzlich festgelegten Schutz der Tiere aushebeln", so WTV-Chefin Madeleine Petrovic. Lukas Mroz von der Bürgerinitiative IGL Marchfeldkanal sieht das ähnlich: "Die Auflage, dass erst gebaut werden dürfe, wenn auf den Ausgleichsflächen gleich viele Ziesel leben wie auf der Projektfläche, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Für die Umweltbehörde ist der bloße Hinweis einer dünner werdenden Ziesel-Besiedlung von Teilflächen anscheinend ausreichend genug".

Ein Ziesel-Boom, der keiner ist
Indes jubelt die Umweltbehörde über einen Boom des Zieselbestands in der Bundeshauptstadt. 9.500 Tiere sollen es mittlerweile sein. Diese Jubelmeldungen basieren laut IGL Marchfeldkanal auf einem unzulässigen Vergleich der 9500 Tiere, die ein einheitliches Monitoring vor zwei Jahren ergeben hat, mit älteren Zahlen (ca. 6500), die mittels anderer Verfahren und Hochrechnungen erhoben wurden. "Bei den jetzt veröffentlichten Zahlen tatsächlich von einem angewachsenen Bestand zu sprechen, halten selbst an der älteren Bestandserhebung beteiligte Experten für reichlich gewagt."

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