Harnoncourt-"Ersatz"

Neue Gesichter bei der “styriarte”

Steiermark
13.01.2016 15:31

Nicht neue Namen, sondern neue Vermittlungswege, eine Abkehr von den Ritualen der Klassik und ein Fokus aufs Publikum: Das ist die Zukunft der "styriarte". Der Beethoven-Zyklus mit dem Concentus Musicus musste dennoch auch neue Namen bringen - drei junge Dirigenten als "Ersatz" für den in den Ruhestand gegangenen Nikolaus Harnoncourt.

Mittwoch Mittag, im "styriarte"-Büro herrscht leichte Anspannung und viel Neugier. Dass man den Journalisten Knabbergebäck hingestellt hat, dessen Form an Taktstöcke erinnert, passt. Schließlich hat Mathis Huber geladen, um zu erklären, wie man jemanden ersetzt, der laut dem Festival-Intendanten "nicht ersetzbar" ist. Doch hier war Ersatz Notwendigkeit: Der Zyklus mit den Beethoven-Symphonien, der von Nikolaus Harnoncourt hätte dirigiert werden sollen, sollte ja in jedem Fall stattfinden.
Huber präsentierte eine Dreier-Lösung. Um Vergleiche gar nicht aufkommen zu lassen, habe man nicht die üblichen Verdächtigen oder Harnoncourt-Schüler engagiert: "Wir haben eine Generation übersprungen und präsentieren die ,Enkel‘ Harnoncourts, Künstler, die nicht aus dem eigenen Stall, sondern aus der ganzen Welt kommen." Die US-Amerikanerin Karina Canellakis (34) kennt man als Einspringerin der "styriarte" 2015. Sie wird die Symphonien 1, 2, 7 und 8 dirigieren. Andrés Orozco-Estrada, 38-jähriger Kolumbianer mit Graz-Vergangenheit, leitet die Aufführungen der Symphonien 4, 5 und 9. Der Dirigent, einst Chef bei "recreation", hat Karriere gemacht, dirigiert etwa regelmäßig die Wiener Philharmoniker. Der einzige Einspringer mit Erfahrung mit der historischen Aufführungspraxis ist Jérémie Rhorer (42), der die Symphonien 3 und 6 leitet. Der Franzose ist von der Wiener Staatsoper, aus Aix-en-Provence und anderen ersten Adressen bekannt.
Doch nicht Personen, sondern Konzepte sollen die Zukunft der "styriarte" ausmachen. Huber: "Wir haben begonnen, das Festival aus der Publikumsperspektive, nicht aus Künstlerperspektive zu planen." Man wolle den bereits eingeschlagenen Weg konsequent weitergehen, mit den Konventionen des bürgerlichen Musikbetriebs brechen und vor allem neue Formate und Formen der Vermittlung erkunden. Huber: "In fünf Jahren sollen wir europaweit dafür bekannt sein."

Kommentar
Nach dem Rücktritt von Nikolaus Harnoncourt Anfang Dezember war die bange Frage, was denn aus der "styriarte" ohne ihr künstlerisches und ideelles Zentrum wird. Allein die Präsentation der Dirigenten, die Harnoncourts verwaistes Beethoven-Projekt übernehmen werden, verdeutlicht: Die "styriarte" wird sich gar nicht neu erfinden müssen.
Aus dem Umstand, dass ein Titan wie Harnoncourt nicht einfach nachbesetzt werden kann, hat man bereits vor Jahren die logische Konsequenz gezogen. Man klinkte sich - fast - nie in den Starbetrieb der Klassikwelt ein. Man führte stattdessen neue Konzertformate ein, verband Musikalisches mit Literarischem, Kulinarischem, mit Wanderungen und speziellen Konzertorten usw. Man entwickelte Festivalthemen von gesellschaftspolitischer Aktualität und sorgte so für Abwechslung und Spannung.
Man wird hier anknüpfen: Die Art, in der Mathis Huber mit den Verkrustungen des Klassikbetriebs, mit dessen "Hohlheit" abrechnet, wie er das Glück und die Freude des Publikums an der Kunst in den Fokus stellt, erinnert in der Radikalität durchaus an Nikolaus Harnoncourt.
Um Inhalt und Geist der "styriarte" wird man sich kaum Sorgen machen müssen. Doch Harnoncourt war auch das Aushängeschild fürs Marketing und der wichtigste ökonomische Faktor. Gut jede dritte "styriarte"-Karte war eine Karte für ein Harnoncourt-Konzert. Das Publikumsinteresse auf dem erreichten Niveau zu halten, wird das größere Kunststück. Angesichts Hubers Geschick dürfte ihm auch dieses absolut zuzutrauen sein.

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