Das freie Wort

Ein großer Europäer

Nicht nur die Musikwelt feiert 2020 den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven. Sein Großvater kam ursprünglich aus Brabant, wo die flämische Familie seit Generationen lebte, heute das Gebiet um Mechelen in Belgien, damals Österreichische Niederlande, bevor er als Sänger nach Bonn emigrierte. Beethoven selbst, dessen Vater ebenfalls Musiker war, wurde von Haydn, der ihn dann auch unterrichtete, mit 22 Jahren nach Wien geholt, wo er 35 Jahre lebte und seine größten Werke schuf. Dank seiner Genialität hatte er Zugang zu höchsten Kreisen der Aristokratie bis ins Kaiserhaus und konnte sich durch finanzielle Absicherung infolge entsprechender Apanagen trotz gelegentlicher Geldprobleme ohne große Auftragseinschränkungen seinem Werk widmen. Anton Reicha, sein Jugendfreund, der ursprünglich aus Prag stammte und als Jahrgangskollege mit ihm in Bonn im selben Orchester saß und ebenfalls komponierte, ging später vorübergehend nach Wien, um von dort nach Paris zu emigrieren, wo er zunächst als Musiklehrer tätig war und später eine Professur hatte und Musikgrößen wie Liszt, Gounod, Berlioz, Franck oder Adam unterrichtete und so den musikalischen Geist Beethovens und jenen der Wiener Klassik nach Frankreich brachte. Solche Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, denn schon lange vor Brüssel und der oft missbrauchten oder zumindest missverständlich interpretierten „Personenfreizügigkeit“ gab es in Europa rege Wanderbewegungen, und man lernt daraus, dass in einer freien und demokratischen Welt mehr denn je nicht nur Genies oder Hochbegabte, sondern jeder dort leben können soll, wo er möchte, allerdings unter der nicht relativierbaren Bedingung der Selbsterhaltung und der unbedingten Einschränkung, die Zielgesellschaft weder finanziell noch durch gefährliche Verhaltensauffälligkeiten zu belasten.

Mag. Martin Behrens, Wien

Erschienen am Di, 14.1.2020

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