Die EU-Posse „Schuldenobergrenze“ wird von der Brüsseler Schauspieltruppe seit Jahren zum Gaudium der Betroffenen immer wieder aufgeführt. Sie handelt von der Staatsverschuldung, und die wurde von der Europäischen Union im Maastricht-Vertrag – zumindest theoretisch – geregelt. Demnach wäre die Gesamtverschuldung eines Staates auf ein Maximum von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) limitiert, und die jährliche Neuverschuldung dürfte drei Prozent des BIP nicht überschreiten. Zusätzlich gibt es bei drohendem Verstoß eine Abmahnung, den sogenannten blauen Brief aus Brüssel, und als letzte Maßnahme bei einem Verstoß gegen die Regeln besteht die Möglichkeit, dass die EU-Kommission eine Geldstrafe bis zu 0,5 Prozent des BIP verhängen kann. Das klingt ja eigentlich ganz vernünftig, ist aber leider nur graue Theorie. Es fehlt an wirksamen Sanktionen, um Regelverstöße zu verhindern, und zusätzlich wurden diese Regeln 2005 auch noch verwässert. Die Neuverschuldung darf jetzt bis zu drei Jahre höher als drei Prozent sein, und eine höhere Neuverschuldung ist auch zulässig, wenn es um Kosten zur Vereinigung Europas geht oder um Reformen von Pensionssystemen oder für die internationale Solidarität. Also um Sachen, die nicht so richtig greifbar sind und eine Kontrolle fast unmöglich machen. Und dann kam 2007/2008 die Finanzkrise, und da war es dann zum Heulen. Die EU-Staaten scherten sich einen Dreck um die Haushaltsregeln. Teils aus der Not heraus und teils, weil es eh keine Konsequenzen hatte. Warum also unliebsame Sparprogramme fahren, wenn es anders auch ging? Dass es bis jetzt annähernd 200 Verstöße gegen die Maastricht-Kriterien gab, sagt doch alles, und dass Länder in die Eurozone aufgenommen wurden, obwohl sie zum Zeitpunkt der Aufnahme gegen die Regeln verstießen, ist nur noch peinlich. Und so geht es weiter. Seit Monaten wurde der italienischen Regierung von Brüssel mit Sanktionen gedroht, wenn sie ihre geplante Neuverschuldung von 2,4 Prozent des BIP nicht wesentlich reduzieren. Es war u. a. EU-Haushaltskommissar Oettinger, der in Richtung Italien polterte und drohte. Und dann kamen in Frankreich die Gelbwesten, und Präsident Macron machte teure Zugeständnisse – in der Hoffnung, sich damit ein Ende der Unruhen zu erkaufen. Diese Zugeständnisse trieben aber die Neuverschuldung wieder weit über die 3-Prozent-Marke, und Kommissar Oettinger begann erneut zu poltern und forderte ein EU-Defizitverfahren, denn Frankreich verstoße mit Ausnahme von 2017 bereits das 11. Jahr hintereinander gegen die Neuverschuldungsregel. Ganz plötzlich ist aber alles ganz anders, und Kommissar Oettinger legte eine Kehrtwende hin. „Wir haben den französischen Etat vor einigen Wochen geprüft und werden jetzt nicht erneut in Prüfung gehen“, meinte er. Oettinger fügte noch hinzu, wenn Frankreich an seiner Reformpolitik festhalten sollte, dann „werden wir eine Staatsverschuldung, die höher liegt als drei Prozent, als einmalige Ausnahme tolerieren“. Nach 11 Verstößen in Serie bei der Neuverschuldung und ebenfalls seit Jahren einer Gesamtverschuldung von etwa 100 Prozent statt der erlaubten maximal 60 Prozent. Was soll man da noch sagen?
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