Amok-Prozess in Graz

Die Tragödie um den kleinen Valentin

Österreich
23.09.2016 17:02

Es schien die Sonne an diesem lauen Samstag, und nichts sollte den Tag für den kleinen Valentin trüben. Den heranrasenden SUV hörte er wohl nicht, zu beschäftigt war er mit vergnügtem Plantschen in einer Wasserrinne. Der Tod kam schnell, der Amoklenker ließ dem Buben keine Chance. Alen R. (27) stieg sogar noch aufs Gas, bevor er den Vierjährigen überrollte …

Es war der Tag der großen Emotionen, doch Richter Andreas Rom bewältigt die Einvernahmen der Zeugen mit ungeheurem Feingefühl. Es ist nicht leicht, schwerst traumatisierte Opfer zu befragen. Der Vorsitzende versucht, die Zeit im Zeugenstand deshalb möglichst kurz zu halten, oder bricht sofort ab, wenn die Tränen die Oberhand gewinnen.

Auch einem der ersten Zeugen an diesem vierten Verhandlungstag schlägt er vor: "Wenn es gar nicht geht, kann ich auch Ihre Aussage bei der Polizei verlesen." Doch der Mann wollte reden, so schwer es ihm auch fiel. Als wäre er es dem toten Kind schuldig. Er ist der beste Freund des Vaters des verstorbenen Valentin. Am Samstag, dem 20. Juni 2015, waren sie zu viert in der Herrengasse in Graz unterwegs, die beiden Väter jeweils mit ihren kleinen Söhnen.

"Es kommt jetzt wieder alles hoch"
Schon die ersten Sätze des Zeugen gehen im Schluchzen unter: "Es kommt jetzt wieder alles hoch, dass mein Sohn lebt, ist ein Wunder. Ich habe damals mit einem Blick über die Schulter bemerkt, dass plötzlich die Leute zur Seite springen. Dann sehe ich die Motorhaube des grünen Wagens. Ich hab meinen Sohn mit der rechten Hand gepackt und weggerissen. Valentin muss ein bisschen hinter mir gewesen sein. In dem Moment dachte ich nur: 'Mein Gott, Valentin!'"

"Kein Tag, an dem ich nicht daran denke"
Der Vierjährige wurde von dem zwei Tonnen schweren SUV überrollt. Er war sofort tot. Die nächsten Sätze des Zeugen sind kaum mehr zu verstehen. "Er hat sogar noch Gas gegeben. Er war da, um zu töten", weint der Mann. Der, den er meint, Amoklenker Alen R., hört das nicht, weil er vor der Einvernahme aus dem Saal geführt worden ist.

Abschließend öffnet der Mann seine gequälte Seele und sagt: "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke. Ich sehe noch, wie Valentin gehüpft ist und in einer Mulde mit Wasser gespielt hat." Die Kräfte des Zeugen scheinen verbraucht, doch der letzte Satz ist ihm wichtig. Er richtet sich an die Geschworenen: "Macht es so, dass unsere Kinder und andere Leute vor solchen Menschen geschützt sind."

Valentins Vater, ebenfalls als Zeuge geladen, hat sich brieflich bei Gericht entschuldigt. Es sei ihm nicht möglich zu kommen. Zumal Valentin erst kürzlich, am 7. September, seinen Geburtstag gefeiert hätte ...

Von Valentins Tod können auch andere Zeugen berichten. Eine Frau erzählt: "Ich habe direkt gesehen, wie der grüne SUV in das Kind hineingerast ist, wie es durch die Luft geschleudert wurde."

Erschütternde Zeugenaussagen gibt es an diesem Tag noch viele. Etwa die einer Frau, die damit zu kämpfen hat, dass sie lebt, weil eine andere gestorben ist. Sie berichtete, dass sie erst durch den Aufprall des Wagens auf die vor der Stadtpfarrkirche stehende Frau auf das heranrasende Auto aufmerksam geworden und auch nur deshalb zur Seite gesprungen ist.

"Ich sah, wie der Amoklenker lachte"
Eine andere Frau, die damals in einem Kaffeehaus in der Herrengasse saß, erinnert sich: "Ich habe gesehen, wie die Menschen umhergeflogen sind. Je mehr Leute er getroffen hat, desto mehr hat der Amoklenker gelacht. Er ist mit Absicht hinter die Gastgärten hineingefahren. Je mehr er auf das Auto raufbekam, desto mehr Spaß hat es ihm gemacht."

Zu dieser Aussage wird Alen R. befragt. Und er kann sich - oh Wunder - plötzlich ziemlich genau erinnern: "Ich habe nicht gelacht, ich war in Panik." Der Richter: "Sie wissen nichts, aber Sie wissen, dass Sie nicht gelacht haben? Ist Ihnen Ihr Nicht-Lachen wichtiger als die Leute, die über Ihr Auto geflogen sind?" Daran will sich Alen R. wieder nicht erinnern können.

Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.

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