Kogler im Interview

General: “Anschlagsgefahr gegeben, aber gering”

Österreich
10.01.2015 17:25
Konrad Kogler, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, ist Österreichs ranghöchster Polizist. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht der 50-jährige Steirer über islamistischen Terror und die Folgen der Massaker von Paris.

Freitagnachmittag. Im Norden von Paris spitzt sich das Geiseldrama gerade zu. Der Sony-Flatscreen im Büro des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit ist dunkel. "Damit wir in Ruhe reden können. Aber sobald es etwas Neues gibt, werden wir es sofort erfahren." Aufs Stichwort legt Kogler sein Handy neben das Aufnahmegerät auf den Tisch.

Hier können Sie Audioausschnitte vom Interview mit Konrad Kogler hören: Clip 1, Clip 2, Clip 3.

"Krone":Mit welchem Gefühl blickt der oberste Polizist Österreichs derzeit nach Paris?
Konrad Kogler: Wer professionell agieren möchte, muss auch in schwierigen Situationen eine gewisse Rationalität behalten. Auf der anderen Seite ist aber jeder von uns auch ein Mensch. Es macht mich wirklich sehr betroffen, dass hier Terroristen in eine Zeitungsredaktion eingedrungen sind und gezielt Menschen getötet haben. Vor allem das Bild des Polizisten, der auf dem Boden lag und ersucht hat, dass er  verschont wird, berührt mich. Und dass er kaltblütig hingerichtet worden ist. Aber wie gesagt: Ich muss für meine Arbeit einen freien Kopf bewahren.

"Krone":"Je suis Charlie" - der Satz, mit dem Menschen weltweit Solidarität mit den französischen Opfern des Terrors bekundet haben - haben Sie das auch gepostet?
Kogler: Verschickt habe ich es nicht. Aber "Je suis Charlie", das gilt auch für mich. Dass nach einem solchen Anschlag Menschen nicht verängstigt zuhause bleiben, sondern sich an öffentlichen Plätzen versammeln und unsere demokratischen Werte verteidigen, macht mich stolz. Bei aller Bedrohung dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen.

"Krone": Ist das nicht die Horrorvorstellung für den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, dass so etwas auch bei uns passieren könnte?
Kogler: Dass Menschen getötet werden, ist immer die schlimmste Vorstellung. Deshalb habe ich in den letzten beiden Tagen fast alle überregionalen Zeitungsredaktionen des Landes persönlich kontaktiert, um Fragen von Gebäudesicherheit oder richtiges Verhalten bei Drohanrufen und -Mails zu besprechen und polizeiliche Unterstützung anzubieten.

"Krone":Bereiten Sie sich auf Anschläge vor?
Kogler: Tatsache ist, dass die Sicherheitslage für die Menschen in Europa, aber auch in anderen Regionen der Welt - denken wir nur an Nigeria oder den Jemen - angespannt ist. Natürlich ist auch in Österreich eine geringe Gefahr gegeben, dass es zu einem Anschlag kommt. Das können wir einfach nicht hundertprozentig ausschließen. Und die Polizei bereitet sich grundsätzlich darauf vor. Schließlich haben wir eine nicht unerhebliche Anzahl von Rückkehrern aus Syrien.

Konrad Kogler spricht druckreif und mit sanfter Stimme. Seine grünen Augen blicken freundlich. An der linken Hand trägt er den Verlobungsring und eine schwarze Segler-Uhr von Timex, an der rechten Hand seinen Ehering. "Wir haben den Verlobungsring nie abgelegt, weil dort die Namen unserer Kinder eingraviert sind."

"Krone":Auf einer Skala von 1 bis 10, wie hoch ist die Terrorgefahr?
Kogler: Ich nenne ungern Zahlen. Es ist eine potenzielle Gefahr gegeben. Aber keine Gefahr, wo wir konkrete Annahmen haben, dass etwas bevorsteht.

"Krone":2?
Kogler: Gegen 2 würde ich nicht protestieren.

"Krone":Die Innenministerin hat ja Objektschutzmaßnahmen angekündigt. Was ist hier geschehen?
Kogler: Wir haben einige Objekte zusätzlich unter Schutz gestellt, aus Sicherheitsgründen kann ich dazu aber keine Angaben machen. Es sind auch mehr Polizisten im Einsatz und wir evaluieren jetzt auch deren Schutzausrüstung.

"Krone":Frankreich hat ja mit seiner Algerien-Politik einen ganz anderen Hintergrund als Österreich. Welche Fehler bei der Einwanderungspolitik sind bei uns passiert?
Kogler: Wir haben in Österreich die eine oder andere Community, die eine hohe Anzahl von Personen stellt, die sich in Syrien engagiert haben oder noch immer engagieren. Da stellt sich natürlich die Frage, wie eine solche Gruppe in Österreich Fuß fassen konnte. Als sie Österreich um Schutz ersucht haben, war man überzeugt, dass sie diesen durch die Gräueltaten in ihrer Heimat verdienen. Jetzt gehen wir konsequent einen zweiten Schritt. Wenn jemand diesen Schutz bei uns missbraucht, dann wird ihm der Asylstatus aberkannt. Es laufen derzeit eine Reihe von entsprechenden Aberkennungsverfahren.

"Krone":Wie gefährlich sind denn unsere Dschihadisten?
Kogler: Das ist eine Tausendguldenfrage. Wir haben Dschihadisten, die hochtraumatisiert bis handlungsunfähig sind, und dann gibt es Radikalisierte, die sich als Helden feiern. Von diesen geht sicher eine potenzielle Gefahr aus. Grundsätzlich befragen wir alle Rückkehrer und erstellen entsprechende Profile. Was uns irritiert ist der Punkt, dass wir laut Sicherheitspolizeigesetz spätestens nach neun Monaten alle Erkenntnisse, die wir über diese Personen gesammelt haben, vernichten müssen, wenn sie keine strafbaren Handlungen gesetzt haben. Um sie polizeilich begleiten zu können, brauchen wir aber längere Fristen. Stellen Sie sich nur vor, einer der Terroristen von Paris hätte Verbindungen nach Österreich gehabt und die österreichische Polizei hätte keine entsprechenden Aufzeichnungen darüber, weil alles gelöscht werden musste.

"Krone":Gab es Verbindungen?
Kogler: Bis jetzt haben wir keinen Hinweis. Allerdings sind wir momentan in einer sehr dynamischen Situation. Das kann sich schon bis morgen früh geändert haben.

"Krone":Die große Dschihadisten-Razzia im Dezember war ja ein eher bescheidener Erfolg...
Kogler: Woran messen Sie, dass ein Erfolg bescheiden ist?

"Krone":900 Polizisten haben 13 Leute festgenommen, von denen sie neun wieder freilassen mussten.
Kogler: Wir messen den polizeilichen Erfolg nicht daran, wie viele Personen tatsächlich in U-Haft genommen werden und wie lange sie bleiben. Viel entscheidender ist die Frage: Können wir durch derartige Aktionen auch Netzwerke zerstören? Und: Wir sind davon überzeugt, den Hauptverdächtigen nachweisen zu können, dass sie eine Vielzahl an Personen rekrutiert haben für den Dschihad. Das wurde dadurch nachhaltig unterbunden.

"Krone":In Frankreich waren 90.000 Polizisten im Einsatz. Wie viele wären es in Österreich im Ernstfall?
Kogler: Ich lasse mich ganz bewusst auf keine Zahl ein...

Das Wörtchen "bescheiden" hat den Chef von 30.000 Sicherheitsbeamten offenbar in seiner Polizisten-Ehre gekränkt. Er kommt noch einmal auf die Razzia zu sprechen und holt zu einem Grundsatz-Statement aus.

Kogler: Eines ist mir schon sehr wichtig. Ich bin jetzt doch schon einige Jahre Polizist. Wissen Sie, was ich noch nie erlebt habe? Dass die Polizei die richtige Anzahl an Beamten eingesetzt hat. Wenn etwas passiert, dann waren es zu wenige, wenn nichts passiert oder es nur sehr ruhig und hochpräzise abläuft, dann waren es zu viele.

"Krone":Anfang Februar wird es die erste Pegida-Kundgebung (Anm. Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) in Wien geben. Ist das ein großes Gefahrenpotenzial?
Kogler: Pegida sind wie Hogesa - Hooligans gegen Salafisten - eine Gefahr. Wir sehen einfach, dass sich die Gesellschaft radikaliiesen Bewegungen im Gespräch zu bleiben. Nur wenn die Menschen kommunizieren und mit ihren Anliegen auch gehört werden, können wir die radikalen Spitzen neutralisieren. Gerade im Fußball sind die Fanclubs sehr oft von Gewaltbereiten unterwandert worden. Dann sind wir mit szenekundigen Beamten genau in diese Clubs hineingegangen und haben die, die Interesse an Fußball haben, von denen, die Randale provozieren wollen, getrennt. Wo jemand die demokratische Ordnung überschreitet, gibt es null Toleranz. Aber gleichzeitig ist auch das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen.

"Krone":Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie sicher kann man sich in Österreich angesichts der islamistischen Szene fühlen?
Kogler: Da sag' ich jetzt 10.

"Krone":Warum so überzeugt?
Kogler: Weil trotz des Phänomens der Radikalisierung in Österreich bis dato noch nichts passiert ist. Ich messe das Sicherheitsgefühl persönlich daran, dass es keinen Platz gibt, wo ich nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit mit meinen Kindern hingehen würde. Österreich ist also noch immer ein sicheres Land.

"Krone":Ist Ihr Büro eigentlich abhörsicher?
Kogler: Ja und nein. Ja, weil es hier keine Wanzen oder Ähnliches gibt. Das wird regelmäßig überprüft. Nein, weil Sie heute mit entsprechender Technologie jeden Ton von der Fensterscheibe runterholen können. So ein Angriff wäre aber sinnlos, weil der Inhalt unseres Gesprächs ja ohnehin am Sonntag in der Zeitung steht.

Zwei Stunden nach unserem Gespräch gehen die Anschläge in Paris blutig zu Ende. Die drei Terroristen sind tot, aber auch vier Geiseln haben den Wahnsinn mit dem Leben bezahlt. "Österreich ist noch immer ein sicheres Land", höre ich den obersten Polizisten des Landes sagen. Hoffentlich behält er Recht.

Konrad Koglers Karriere
Geboren am 3. Oktober 1964 in St. Lorenzen am Wechsel. Kogler beginnt seine Laufbahn 1989 als Inspektor bei der Wiener Polizei. 2002 wird er Bezirksgendarmeriekommandant in Neusiedl am See, stellvertretender burgenländischer Landespolizeikommandant, schließlich General und Gruppenleiter für Organisation, Dienstbetrieb und Einsatz im Innenministerium. Seit 1. Jänner 2013 ist der Steirer Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit und somit ranghöchster Polizist Österreichs. Privat ist er passionierter Segler. Seit 2009 verheiratet mit Barbara, einer Lehrerin. Das Paar hat vier Kinder (Jakob ist 11, Jonathan 7, Sarah 5, Franziska bald 2 Jahre alt).

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