Erdogan-Nachfolger

Türkei: Außenminister Davutoglu wird neuer Premier

Ausland
20.08.2014 15:24
Eine offizielle Bestätigung steht zwar noch aus und soll erst am Donnerstag erfolgen, aber die Spatzen pfeifen es schon von den Dächern: Außenminister Ahmet Davutoglu soll den ins Präsidentenamt wechselnden Recep Tayyip Erdogan als türkischer Premier und Chef der Regierungspartei AKP beerben. Bei öffentlichen Auftritten wird der 55-Jährige von AKP-Anhängern bereits mit "Willkommen, Herr Ministerpräsident" begrüßt.

Der Politikprofessor aus dem zentralanatolischen Konya, der in seiner Schulzeit in Istanbul Deutsch lernte und es auch heute noch passabel spricht, wird mit dem Aufstieg für seine bedingungslose Loyalität zu Erdogan belohnt. Davutoglu ist ein langjähriger Weggefährte seines Mentors. Mehrere Jahre hatte er als außenpolitischer Berater Erdogans gearbeitet, bevor er 2009 Außenminister wurde. Kommende Woche soll er nun seine neuen Ämter als Premier und Parteichef antreten.

Wie Erdogan für aktive Türkei
Davutoglus außenpolitische Vision passt gut zu Erdogans regionalpolitischen Ambitionen. Der designierte Ministerpräsident brach mit der bis dahin vorherrschenden Sicht der Türkei als passive Brücke zwischen Ost und West und ersetzte sie durch die Vision von der Türkei als aktives eigenständiges Machtzentrum. Die Devise lautet: Mit der Befriedung ihres Umfeldes durch eine "Null-Problem"-Politik mit allen Nachbarstaaten, einer starken Wirtschaft und der Beilegung ihrer inneren Probleme wie dem Kurdenkonflikt habe die Türkei das Potenzial, zum Schlüsselland einer wichtigen Weltgegend zu werden.

Gegner sprechen von einer "neo-osmanischen" Politik Davutoglus, der an die Großmacht des Osmanenreiches anknüpfen wolle, und werfen ihm eine Abwendung vom Westen vor. Der Politologe Behlül Özkan, ein ehemaliger Student Davutoglus, beschrieb den designierten Ministerpräsidenten vor Kurzem in einem Interview als "Pan-Islamisten", der eine sunnitisch-muslimische, von der Türkei beherrschte Vormachtsphäre in Nahost, Zentralasien und dem Kaukasus anstrebe. Dazu sollen auch Albanien und Bosnien zählen.

Probleme mit Nachbarn wachsen - von Syrien bis Irak
Daraus ist bisher allerdings nichts geworden: Die "Null-Problem"-Strategie gilt als gescheitert, seit die Türkei gleich mit mehreren Staaten der Region im Dauerclinch liegt: Irak, Syrien, Israel und Ägypten zählen zu den außenpolitischen Problemfeldern Ankaras. Krach gibt es auch mit Saudi-Arabien. Die Beziehungen zur EU und zu den USA sind ebenfalls gespannt. Davutoglu hinterlässt seinem Nachfolger - nach Pressemeldungen soll Geheimdienstchef Hakan Fidan neuer Außenminister werden - eine Menge Arbeit.

Als Parteichef und Ministerpräsident wird Davutoglu voraussichtlich die Hauptaufgabe haben, die AKP zusammenzuhalten und in der Regierung die Leitlinien von Präsident Erdogan umzusetzen. Zudem muss er sich sofort um die Vorbereitung des nächsten Wahlkampfs kümmern: Im Juni kommenden Jahres stehen in der Türkei Parlamentswahlen an. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung im Jahr 2001 muss die AKP ohne ihr Zugpferd Erdogan an der Spitze um Stimmen werben. Davutoglu muss zeigen, dass er als Redner auf den Marktplätzen Anatoliens bestehen kann.

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