Volkswagen steht voll auf dem Strom-Fahrpedal, besonders in Europa: In den ersten neun Monaten des Jahres legte der Absatz reiner Elektroautos hier um mehr als drei Viertel zu – eine der stärksten Wachstumsraten in der gesamten Branche.
VW lieferte in Europa rund 293.000 vollelektrische Fahrzeuge aus - und ist damit klarer Marktführer mit 27 Prozent Marktanteil.
Das bedeutet: Mehr als jedes vierte E-Auto, das in Europa verkauft wird, trägt ein VW-Logo – oder jenes einer Tochtermarke wie Audi, Škoda oder Cupra. Besonders in Westeuropa zeigt sich der Trend deutlich: Jedes fünfte ausgelieferte Fahrzeug war ein Stromer, im Vorjahr war es nur jedes achte.
Ein beeindruckender Sprung – vor allem in einer Zeit, in der viele Wettbewerber mit schwächelnder Nachfrage, teuren Rohstoffen und politischer Unsicherheit kämpfen. Doch während VW in Europa glänzt, sind die Aussichten global weniger elektrisierend.
Auch die E-Auto-Bestellungen zogen dem Vernehmen nach weiter kräftig an: In Westeuropa lag der Wert in den ersten drei Quartalen um fast zwei Drittel höher als ein Jahr zuvor.
Europa zieht, China drückt
Der Erfolg auf dem Heimatmarkt kann die Probleme anderswo nur bedingt überdecken. In China, dem einstigen Paradies für deutsche Premiumautos, hat Volkswagen längst den Platz an der Sonne verloren. Dort bestimmen inzwischen Marken wie BYD, Nio oder Geely das Tempo. Ihre Modelle sind günstiger, technisch hochgerüstet und sprechen die junge, digitalaffine Kundschaft an, die VW lange für sich gepachtet glaubte. Im letzten Jahr übergab VW mit all seinen Marken in der Volksrepublik 660.300 Fahrzeuge und damit um 7,2 Prozent weniger.
Der chinesische Markt ist brutal geworden – ein Preis- und Technologiekampf, den auch ein Konzern mit der Wucht und Erfahrung von Volkswagen nicht ohne Blessuren übersteht. Besonders im Segment der kompakten Stromer hat die Konkurrenz aus Fernost den Wolfsburgern den Rang abgelaufen. VW reagiert mit radikaler Kostenkontrolle, Jobkürzungen und neuen Partnerschaften - zuletzt mit XPeng, um gemeinsam günstigere E-Autos für den chinesischen Markt zu entwickeln.
Amerika bleibt ein Risiko
In den USA sorgt unterdessen die Zollpolitik von Donald Trump für neue Kopfschmerzen. Der Protektionismus droht den zarten Aufschwung der europäischen Hersteller auf dem US-Markt wieder auszubremsen. Für VW, das mit Modellen wie dem ID.4 und dem Elektro-SUV Atlas Cross Sport gerade Fuß zu fassen beginnt, wäre das ein Rückschlag.
Hinzu kommt: Der amerikanische E-Auto-Markt wächst langsamer als erwartet. Tesla dominiert weiterhin, doch auch die US-Käufer sind preissensibel geworden – Subventionen laufen aus, die Inflation nagt am Budget.
Derzeit geht es VW in den USA aber nicht schlecht, vorgezogene Käufe vor dem Aus von Kaufanreizen dürften heuer den Absatz angefacht haben. Insgesamt legte VW bei den Elektroautos um ein Drittel auf 252.100 Fahrzeuge zu.
Die Industrie kämpft mit sich selbst
Dabei ist der Aufschwung in Europa nicht selbstverständlich. 2024 war für die gesamte Branche ein Jahr der Ernüchterung: das Ende der staatlichen Förderungen in Deutschland, Frankreich und Skandinavien hatte den Absatz von Elektroautos regelrecht einbrechen lassen. Viele Hersteller mussten mit Rabatten gegensteuern, während gleichzeitig die Kosten für Batterien, Software und Energie stiegen.
Jetzt zeigt sich eine leichte Erholung – vor allem, weil die Nachfrage nach Stromern wieder anzieht. VW profitiert davon gleich doppelt: Einerseits durch den Ausbau seines Elektroportfolios, andererseits durch die Stabilisierung der Lieferketten, die in den Jahren zuvor massiv unter Druck standen.
Besonders gefragt: der ID.4 und der ID.3, aber auch die Premium-Töchter Audi und Porsche melden Zuwächse. Und selbst der vollelektrische Škoda Enyaq läuft in Tschechien wieder auf Hochtouren.
Hoffnungsträger und Sorgenkind zugleich
Was also bleibt? Volkswagen hat in Europa den Beweis geliefert, dass der Schwenk zur Elektromobilität funktionieren kann – wenn das Produkt stimmt, die Preise stabil bleiben und die Infrastruktur nachzieht. Der Marktanteil von 27 Prozent ist eine Ansage, die zeigt: VW kann das E-Auto-Geschäft nicht nur bedienen, sondern anführen. Jedenfalls In Europa.
Doch die globale Lage bleibt fragil. Der Konzern steckt mitten in der wohl größten Transformation seiner Geschichte. Auf absehbare Zeit laufen mehr Verbrenner vom Band als Stromer, die Margen im E-Geschäft sind dünn, die Modellpalette muss schneller erneuert werden. Gleichzeitig stehen milliardenschwere Investitionen in Software, Batteriewerke und künstliche Intelligenz an.
Und über allem schwebt die Frage: Wie lange kann VW den Spagat zwischen Tradition und Transformation durchhalten?
Ein Schritt vor, zwei Blicke zurück
Während der Rest der Welt schwankt, zeigt Europa: Volkswagen kann Zukunft. Der Konzern verkauft hier nicht nur Autos, sondern Zuversicht – und das ist in Zeiten wie diesen vielleicht das kostbarste Gut.
Doch ob die Wolfsburger auch außerhalb Europas wieder auf die Überholspur kommen, hängt davon ab, ob sie ihren Elektro-Vorsprung in einen globalen Vorteil verwandeln können. Denn eines ist sicher: Die Konkurrenz schläft nicht – sie lädt.
Volkswagen ist in Europa wieder die Kraft, die den Strom bestimmt. Doch global bleibt der Konzern ein Riese mit wackligen Beinen - zwischen chinesischem Preisdruck, amerikanischer Politik und dem eigenen Anspruch, nicht nur Autos, sondern Zukunft zu bauen.
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