Fast im Jahrestakt veröffentlicht der britische „Modfather“ Paul Weller derzeit Musik. Auf „Find El Dorado“ widmet sich der 67-Jährige den wichtigsten Songs seiner frühen Jahre – die teils unbekannte Stücke macht er sich im zumeist getragenen Sinne zu eigen. Dieser Plan geht nicht immer, aber doch relativ oft gut auf.
Zum Kanon einer erfolgreichen Künstlerkarriere gehören normalerweise unweigerlich das eine oder andere Live-Album, ein paar Best-Of-Compilations und – wenn man völlig schmerzbefreit ist – auch zumindest ein Weihnachtslied. Natürlich darf auch ein Coveralbum nicht im Gesamtoeuvre fehlen, wobei da für gewöhnlich auf Nummer sicher gegangen und aus dem Topf des Bekannten gefischt wird. Es gibt wenig Langweiligeres, als wenn sich gestandene Künstler bei erfolgreichen Branchenkollegen bedienen und das sich zu eigen gemachte Lied nicht einmal richtig zu eigen gemacht haben – sprich: der eigenen Variante fehlen Eigenständigkeit und Seele. „Modfather“ Paul Weller hat sich schon 2004 in diese Gefilde gewagt und auf „Studio 150“ Nummern von Bob Dylan, Neil Young oder Gil Scott-Heron eingesungen – dabei aber einen eigenen Dreh gefunden.
Die Vergangenheit entstaubt
21 Jahre später wagt der stilsichere Brite einen weiteren Ausflug in die Vergangenheit, wählt für sein insgesamt 18. Solowerk „Find El Dorado“ aber einen ganz anderen Ansatz. Wie es der Albumtitel rund um die fiktive südamerikanische Goldstadt schon andeutet, geht es ihm darum, Songperlen aus seiner persönlichen Vergangenheit zu entstauben oder so manchen erstmals öffentlich zugänglich zu machen. Lieder, die Weller in seiner Kindheit und Adoleszenz begleitet haben und die weniger eine Ehrerbietung an gewisse Künstler darstellen sollen, sondern eher die verschiedenen Lebensphasen des Künstlers und die Ursachen für seine eigene Musikalität vermitteln. Gerade für Fans seiner ersten Kultband The Jam gibt es hier aber wenig zu jubeln – jenen werden die Lieder auf diesem Werk zu getragen und melancholisch sein.
Der mittlerweile 67-Jährige konzentriert sich auf der 15 Songs starken Liedsammlung vornehmlich auf die ruhigeren Seiten und bricht im Tempo nur selten aus dem getragenen Mid-Tempo aus. Zwei solcher Beispiele wären einerseits die Single-Auskoppelung „Lawdy Rolla“ von der hierzulande wenig bekannten französischen Band The Guerrillas. Seine Adaption von Willie Griffins „Where There’s Smoke, There’s Fire“ zieht auch ein bisschen die Geschwindigkeitsschraube an, ansonsten verharrt der Brite aber lieber in der entschlackten Gediegenheit. Das funktioniert zumeist recht gut, geht stellenweise aber auch in die Hose. „White Line Fever“, im Original gesungen von den Flying Burrito Brothers, klingt nach Linedance-Country-Tanzstadl und wirkt gerade in Wellers zumeist geschmackssicherer Diskografie fast schon lächerlich. Die Kooperation mit der noch recht unbekannten Folk-Stimme Amelia Coburn auf „One Last Cold Kiss“ wirkt auch unausgegoren.
Verschiedene Stimmfarben
Besonders eindrucksvoll gelingen Wellers Songs, wenn er sich ganz fallen lässt und mit Streicherarrangements richtig in die Emotion geht. „Never The Same“ (im Original von Lal und Mike Waterson) ist ein solches Beispiel, auch der sechsminütige Opener „Handsout In The Rain“ von Richie Havens weiß in seiner bewussten Zurückhaltung zu überzeugen. Auf „Find El Dorado“ gibt es jedenfalls einen breiten Überblick über die unterschiedlichen Gesangsfacetten Wellers. Durch die Arrangement-Unterschiede der einzelnen Songs muss sich Wellers sonore Altherrenstimme ständig adaptieren und anpassen, klingt aber in so gut wie allen Fällen souverän und durchaus gut mit dem jeweiligen Song verknüpft. Die allgemeine Bekanntheit der Songs kann man auf einer halben Hand aufzählen. Das Bee Gees-Cover „I Started A Joke“ gerät dabei eher durchschnittlich, die von Ray Davies geschriebene Kinks-Nummer „Nobody’s Fool“ ist mit seinem 60s-Pop-Feeling hingegen ein Highlight des Albums.
Natürlich hat sich Weller auch wieder Freunde und Wegbegleiter zur Unterstützung ins Boot geholt. Neben bereits erwähnter Coburn zupft etwa Oasis-Chef Noel Gallagher die Akustikgitarre auf Eamon Friels „El Dorado“, Declan O’Rourke unterstützt Weller stimmlich beim Opener „Handouts In The Rain“ und der folkige Albumcloser „Clive’s Song“ (Hamish Imlach) lebt von einem wirklich gelungenen Wechselgesang zwischen Weller und Led Zeppelin-Legende Robert Plant. Die Bee Gees-Nummer hätte Weller auch gerne selbst geschrieben, wie er in einem Statement dazu bekanntgab. „Das ist einer dieser Songs, der dich über dein eigenes Songwriting sinnieren lässt und den Wert von großen Melodien in den Vordergrund stellt. Gerade jemand wie Robin Gibb, der überhaupt keine Instrumente spielte, weiß um die Wichtigkeit von stimmlicher Harmonie. Als Sänger kannst du nur so zu deinen Musikern und Instrumentalisten kommunizieren - alles hängt damit zusammen.“
Das Baby endlich in die Welt gesetzt
Jahrelang ging Weller im Hinterkopf mit der Idee schwanger, diese für ihn so wichtigen wie zuweilen unbekannten Songs ins Studio zu tragen und sich zu eigen zu machen. Die musikalische wie auch inhaltliche Zeitlosigkeit der Lieder stehen für sich und geben ihnen eine Lebendigkeit, die sich nicht durch Trends oder veränderte Hörgewohnheiten obsolet werden lässt. Für Weller war es schlussendlich nicht nur ein wohliges Abhandeln der eigenen Vergangenheit, mit diesem Album bringt er vergessene und teilweise nie wirklich an die Oberfläche geschwappte Songs einem Publikum näher, das bislang noch nicht viel Kontakt damit hatte. Auf „Find El Dorado“ geht dem britischen Kultmusiker nicht jede Idee vollinhaltlich auf, aber als ruhiges Alterswerk, das sehr viel Herzblut und Ergriffenheit in sich trägt, weiß das Werk durchaus zu überzeugen. Zudem passt die musikalisch bunte Ausrichtung zu Wellers jüngerer Vergangenheit, in der er Experimenten nie abgeneigt war.
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