Zwischen Jazz, Soul, Funk und R&B passt bei José James kein Blatt Papier. Dieser Tage veröffentlicht er sein brandneues Album „1978: Revenge Of The Dragon“ und schert damit auch ins Filmische aus. Mit der „Krone“ sprach der Prince-Fan über das magische Musikjahr 1978, seine bewusste Stilverweigerung und was er mit seinen Songs ausstrahlen möchte.
Minneapolis – ein geschichtsträchtiger Ort. Die Geburtsstätte der unvergessenen Funk-Legende Prince hat mit dem sogenannten „Minneapolis-Sound“ sein eigenes Subgenre, das den angesprochenen Funk Ende der 70er-Jahre mit der aufkommenden New Wave und Synth-Pop verband. The Time, Sheila E. oder Vanity 6 haben im Windschatten des Allergrößten eine besondere Form des musikalischen Sex-Appeals in die Welt gebracht und damit vor allem die 80er-Jahre geprägt. Ganz und gar seiner Heimatstadt und auch dieser Zeit des kulturellen Aufbruchs verfallen, ist Jazz-Sänger José James. Letztes Jahr veröffentlichte er mit „1978“ ein Album, das thematisch seinem Geburtsjahr angelehnt war. Doch es ging James damit nicht nur um sich, wie er im „Krone“-Interview betont.
Ein faszinierendes Jahr
„1978 war so ein ungemein faszinierendes Jahr. Die Disco-Welle war zu dieser Zeit am absoluten Höhepunkt angelangt, New Wave und der Hip-Hop legten ihre Grundsteine und der Reggae war, angetrieben von Bob Marley und den Wailers, gerade am Durchstarten. Künstler wie die Rolling Stones, Elton John oder Billy Joel waren etabliert und konnten zwanglos ihrer Kreativität nachgehen. In der Filmwelt starteten im Osten die Kung-Fu- und im Westen die Blaxploitation-Filme durch. Außerdem markierte das Jahr auch den Anfang vom Ende der analogen Technik. Bandmaschinen haben langsam ausgedient und neue Techniken wurden immer populärer und haben die Soundwelt verändert. In diese spannende Phase der kulturellen Weltgeschichte wurde ich hineingeboren, was ich absolut großartig finde.“
Nur ein Jahr nach „1978“ legt James mit „1978: Revenge Of The Dragon“ noch ein weiteres Album nach. Darauf zu hören sind vier brandneue Tracks und vier sich zu eigen gemachte Cover-Versionen von Michael Jackson, den Rolling Stones, Herbie Hancock und den Bee Gees. In kleiner Besetzung nahm man in den Dreamland-Studios nahe Woodstock, einer restaurierten Kirche aus dem 19. Jahrhundert, die Songs live auf Band und in einem Take auf. Laut James ist das nicht nur als „kleine Hommage an den Aufstieg des Punk“ zu sehen, es zeigt auch, wie stark er sich als Chronist der amerikanischen Musikgeschichte mit Detailgenauigkeit befasst und sich auch aktiv darum kümmert. James ist ein Künstler, der sich im großen Teich der Musik wie ein Schwamm verhält, alles wissbegierig aufsaugt und dann in seiner eigenen Art und Weise als neue Musikstücke auswringt.
Es geht stets um den Sound
„Seit ich Musik mache, denke ich nicht in Stilen und Schubladen und das hat direkt mit Prince zu tun“, blickt er zurück an die Anfänge seiner Karriere, „Prince hatte als erster die Selbstverständlichkeit, Musik zu machen. Völlig egal, ob das Rock, Pop, Funk, Soul oder Jazz waren. Auch für mich ist im Endeffekt alles dasselbe. Es ist wichtig, immer neue Wege zu finden, zu improvisieren, die innere Spiritualität in der Musik herauszukitzeln. Wie du das Genre dann nennst, ist eigentlich nicht wichtig.“ James wird gemeinhin als Jazz-Musiker bezeichnet, einen großen Teil seiner Alben hat er auch in diese Subrichtung komponiert. Mit „The Dreamer“ gelang ihm 2008 gleich beim Debüt der Durchbruch - Anleihen an Soul, Funk und R&B waren schon damals gegeben und gingen klar aus dem jazzigen Gesamtkontext des Sounds hervor.
„Ich bin rein technisch das genaue Gegenteil eines Jazzers. Im Jazz geht es darum, dass du etwas so lange übst, bis es klinisch perfekt klingt. Mein Ansatz ist ein anderer. Ich versuche meine Songs bewusst immer anders zu gestalten, ihnen bei jedem Auftritt eine neue Farbe und ein neues Leben zu geben.“ James komponiert am liebsten auf seiner Gitarre, lässt den Ideen freien Lauf und findet dann „einen kleinen Platz im Song, wo dann auch meine Stimme draufpasst“. Das Texten ist dem in Literatur vernarrten 47-Jährigen immens wichtig. „Bei ,1978‘ hatte ich erstmals seit langer Zeit das Gefühl, als Textschreiber einen großen Sprung nach vorne geschafft zu haben. Ich tendiere meist dazu, zu viel zu schreiben und vieles zu überladen. Dann muss auf das Wesentliche gekürzt werden, was die eigentliche Kunst ist.“
Unterhalten statt politisieren
Mit „1978: Revenge Of The Dragon“ erfüllte sich James indes nicht nur den Traum einer Erweiterung seines wahrscheinlich persönlichsten Albums, zusammen mit seinen Bandkollegen hat er auch einen Martial-Arts-Kurzfilm dazu gedreht, der im Netz abrufbar ist. „Um Kunst zu erschaffen, muss ich Optimist sein und bleiben. Die Welt ist so ein furchtbarer Platz geworden, dass alles, was den Menschen ein besseres Gefühl gibt, willkommen ist. Ich möchte mit meinen Songs in die Herzen der Leute eindringen und Freude versprühen. Wäre ich selbst nicht so lebensbejahend drauf und würde immer an das Gute glauben, dann käme ich morgens noch nicht mal mehr aus dem Bett. Während der Pandemie habe ich durch die Impf- und Maskendiskussionen auch einen Spalt durch meine Hörer gehen sehen. Ich habe auch politische Songs, aber nur deshalb, weil man im Leben nicht unpolitisch sein kann. Es gibt genug Menschen, die diskutieren. Ich will lieber unterhalten.“
Das neue Album von José James ist eine ebenso kurzweilige Angelegenheit wie der direkte Vorgänger „1978“. Zwischen all den verschiedenen Stilen und der Liebe zur handgemachten, ehrlichen Musik bleibt im Endeffekt genau das auf der Strecke, was James aber ohnehin nicht vorstrebt: Ihn einordnen zu können. Andererseits – es gibt da draußen nicht viele Musiker, die innerhalb eines Albums zwischen Michael Jackson, Marvin Gaye, Bill Withers, Kris Bowers oder einem romantischen Disco-König aus dem New York der späten 70er-Jahre pendeln können. Mit seinen Liedern bricht er mit Gewohnheiten und durchbricht die Grenzen. Das macht James auch zu einem begnadeten Live-Musiker, wie man hierzulande zuletzt im Frühling 2024 im Wiener Porgy & Bess sehen konnte. Ein weiterer Livetermin steht noch aus – bis dahin kann man sich aber an seinem neuen Album und dem kampfkräftigen Kurzfilm ergötzen.
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