Frankreichs Regierung hat keine Mehrheit im Parlament und ist von der Gnade von Rechtspopulistin Marine Le Pen abhängig. Die steckt jedoch in einem Dilemma, will sie doch nicht für Stillstand und Chaos verantwortlich sein. Und Staatspräsident Emmanuel Macron könnte noch eine Trumpfkarte ausspielen.
Die französische Regierung unter Premierminister Michel Barnier steht vor einer politischen Zwickmühle: Bis Jahresende müssen mehrere Haushaltsgesetze verabschiedet werden, doch die Gefahr eines Misstrauensvotums bei jeder einzelnen Abstimmung könnte den Sturz der Regierung nach sich ziehen. Seit den Neuwahlen im Juni hat Barnier keine Mehrheit mehr in der Nationalversammlung.
Barnier könnte zwar auf ein umstrittenes Verfassungsgesetz zurückgreifen, das es der Regierung ermöglicht, Haushaltsgesetze ohne Abstimmung durchzubringen. Das Problem: Oppositionsführerin Marine Le Pen von der rechtsextremen Partei Rassemblement National, von deren Gnaden die Regierung abhängt, kündigte ein Misstrauensvotum im Falle neuer Steuern an.
Sie ist aber in einer Zwickmühle, wie Landry Charrier, Associate Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sagt zur „Krone“: „Sie mag nicht für ein Chaos verantwortlich sein, weil sie für die Präsidentschaftswahl die bürgerlichen Stimmen braucht. Und diese verabscheuen das Chaos. Ein Großteil ihrer eigenen Basis jedoch will aber die Regierung stürzen. Le Pen allerdings will als konstruktiv und nicht destruktiv wahrgenommen werden.“ Dies ist jedoch das Instrument von Barnier: „Es ist ein Kampf der Narrative: Barnier warnt vor schweren Turbulenzen an den Finanzmärkten, Le Pen versucht, die Franzosen zu beruhigen.“
Sollte die Regierung das Misstrauensvotum verlieren, wäre sie nur noch geschäftsführend im Amt, was Präsident Macron vor die Herausforderung stellen würde, einen neuen Premierminister zu ernennen. Doch auch ein neuer Regierungschef würde sich in einer ähnlichen Situation wiederfinden: Ohne eine klare parlamentarische Mehrheit könnte der politische Stillstand andauern, was die Regierung weiterhin in eine äußerst prekäre Lage bringt. „Viele Franzosen haben den Eindruck, dass man sich in einer Sackgasse befindet und nicht mehr rauskommt.“
Endgültige Klarheit darüber wird es noch vor Weihnachten geben. Dann muss Barnier einen angepassten Haushaltsplan vorlegen. Und dann ist alles vom Verhalten von Le Pen abhängig. Verliert die Regierung ein Misstrauensvotum und zeichnet sich keine neue Mehrheit im Parlament ab, kann Präsident Macron eine letzte Karte spielen: Er tritt zurück und ruft Neuwahlen um die Präsidentschaft aus. „Dann würden die Karten neu gemischt werden“, so Charrier.
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