Dramatischer Bericht

In 40 Jahren sind Österreichs Gletscher Geschichte

Tirol
06.04.2024 08:00

Die heimischen Eisriesen verloren im Beobachtungszeitraum 2022/2023 durchschnittlich 23,9 Meter. Die Pasterze am Großglockner und der Rettenbachferner im Ötztal stechen besonders negativ hervor. Die Aussichten sind verheerend.

Die Gletschermesser des Österreichischen Alpenvereins haben für ihren aktuellen Gletscherbericht 93 Gletscher in Österreich beobachtet bzw. vermessen: 92 zogen sich im sogenannten „Haushaltsjahr 2022/23“ (Mitte August 2022 bis Mitte Oktober 2023) zurück. Diese erschreckende Bilanz gab der Alpenverein am Freitag bekannt. Die durchschnittlich 23,9 Meter, die die heimischen Gletscher an Länge verloren haben, sind nicht nur der dritthöchste Wert in der 133-jährigen Geschichte des Alpenverein-Gletschermessdienstes, sondern auch der letzten sieben Jahre.

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Generell verlief das „Haushaltsjahr 2022/23“ außerordentlich ungünstig.

Gerhard Lieb, Gletschermessdienst Österreichischer Alpenverein

Pasterze mit Negativrekord
Ganz dramatisch und so stark wie noch nie zog sich die Pasterze zurück. Sie weist mit 203,5 Metern den höchsten Längenschwund aller österreichischen Ferner auf. Schon an zweiter Stelle liegt freilich der Rettenbachferner in den Ötztaler Alpen mit 127 Metern Längenverlust, gefolgt vom Sexegertenferner (minus 93,7 m, ebenfalls Ötztaler Alpen). Besonders erschreckend: Die maximalen Rückzugsbeträge lagen 2022/23 deutlich über jenen des Vorjahres. Unter den zehn Gletschern mit den stärksten Längenverlusten befinden sich nicht weniger als neun Tiroler Gletscher!

2011 war der Rettenbachferner noch in einem - relativ - besseren Zustand.
2011 war der Rettenbachferner noch in einem - relativ - besseren Zustand.(Bild: OEaV Gletschermessdienst)

600 Mio. Kubikmeter an Eis schmolz ab
„Generell verlief das ,Haushaltsjahr 2022/23’ außerordentlich ungünstig“, informierte Gerhard Lieb, der mit Andreas Kellerer-Pirklbauer die wissenschaftliche Leitung des Gletschermessdienstes inne hat. „Eine zwar späte, aber sehr lange und warme Schmelzperiode im Jahre 2023 war erneut die Hauptursache für die äußerst gletscherungünstigen Gegebenheiten“, schilderte Lieb.

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Insgesamt beträgt der Masseverlust rund 600 Millionen Kubikmeter Eis.

Andreas Kellerer-Pirklbauer, Gletschermessdienst Österreichischer Alpenverein

Die Gletscher verloren nicht nur an Länge, sondern ebenfalls an Volumen. „Insgesamt beträgt der Masseverlust rund 600 Millionen Kubikmeter Eis“, informierte Andreas Kellerer-Pirklbauer. „Dies entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von 843 Metern – so lang wie acht Fußballfelder.“ Die Gletscher würden nur noch aufgrund der in der Vergangenheit angesammelten Eisreserven existieren, so die Experten.

203,5 Meter verlor die Pasterze - so viel wie noch nie!
203,5 Meter verlor die Pasterze - so viel wie noch nie!(Bild: ÖAV)

Für ambitionierte Klimapolitik
Gerhard Lieb forderte für Österreich eine ambitionierte Klimapolitik. Der Rückgang der heimischen Gletscher sei aber nicht mehr aufzuhalten. „In rund 40 bis 45 Jahren wird unser Land praktisch eisfrei sein“, zeichnet der Experte ein erschreckendes Bild.

Kommentar
Jetzt muss ein Umdenken her

Der Countdown läuft: 40, 39, 38 usw. Jahre, dann ist das ehemals vermeintlich ewige Eis in den heimischen Alpen komplett verschwunden. An diese erschreckende Zukunftsaussicht haben wir uns irgendwie schon gewöhnt, die Horrorzahlen des aktuellen Gletscherberichtes werden kaum jemanden vom Hocker reißen oder in Panik verfallen lassen. Und nicht wenige denken vermutlich immer noch, der Klimawandel sei eine Erfindung.

Gut möglich, dass auch der eine oder andere Tiroler Touristiker vom Klimawandel und Gletschersterben nicht viel hält. Dies wäre jedenfalls eine Erklärung dafür, dass weiter Gletscherskigebiete zusammengeschlossen werden sollen, obwohl es die Grundlage dafür bald nicht mehr gibt. Man setzt auf ein Kapital, das in absehbarer Zeit davongeronnen sein wird. Das darf getrost als fahrlässig bezeichnet werden.

Im Tourismus muss es neue Ideen und ein Weiterdenken geben. Denn die harten und unangenehmen Fakten liegen längst auf dem Tisch. Derzeit geschieht leider immer noch – fast trotzig – beinahe überall das Gegenteil. Die Rechnung werden wir dann alle präsentiert bekommen.

Die Zeit fliegt, der Countdown läuft.

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