EU-Ermittlungen laufen

Mehr Regulierung: Apple & Google vor Zerschlagung?

Digital
25.03.2024 11:45

Die Technologie-Riesen müssen sich wappnen – auf beiden Seiten des Atlantik setzen die Wettbewerbsbehörden die Daumenschrauben an. Die über Jahrzehnte aufgebaute Marktmacht von US-Konzernen wie Apple, Google, Amazon, Meta oder Microsoft soll aufgebrochen werden. Dabei schließen die Behörden erstmals auch eine Zerschlagung nicht aus. In Europa, wo die Wettbewerbsbehörden bereits Ermittlungen eingeleitet haben, wäre dies eine Premiere.

Die EU-Wettbewerbsbehörden wollen unter anderem die Geschäftspraktiken von Apple und Google in ihren App Stores prüfen. Dem neuen Digital Markets Act (DMA) zufolge müssen die Konzerne es App-Drittanbietern kostenlos ermöglichen, ihre Kunden auf Angebote außerhalb der genannten App Stores hinzuweisen. Apple betonte, die jüngste Anpassung der Richtlinien für den App Store sei aus Sicht des Unternehmens bereits DMA-konform.

EU nimmt auch Meta und Google unter die Lupe
Bei Google werde zudem eine mögliche Bevorzugung eigener Angebote in den Ergebnissen der Internet-Suche unter die Lupe genommen. Der Internet-Konzern verwies auf Änderungen bei der Anzeige von Suchergebnissen und kündigte an, seinen Ansatz zur Umsetzung des DMA verteidigen zu wollen.

Darüber hinaus untersucht die EU das neue Abonnement-Modell von Meta, bei dem Nutzer für eine werbefreie Version der Online-Netzwerke Facebook und Instagram zahlen müssen. „Abonnements als Alternative zur Werbung sind in vielen Branchen üblich“, erklärte Meta. Das eigene Angebot sei so angelegt, dass es den sich teilweise überschneidenden regulatorischen Auflagen entspreche.

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Wenn sich die Firmen nicht an den DMA halten, kann man sich vorstellen, was das Parlament fordern wird: Zerschlagungen.

Andreas Schwab, Abgeordneter des Europaparlaments

In Europa sei der Druck hoch, den DMA durchzusetzen, sagt Andreas Schwab. Der Abgeordnete des Europaparlaments war maßgeblich am Entwurf dieses Gesetzes, das große Technologie-Konzerne einer verschärften Regulierung unterwirft, beteiligt. „Wenn sich die Firmen nicht an den DMA halten, kann man sich vorstellen, was das Parlament fordern wird: Zerschlagungen. Das ultimative Ziel ist es, die Märkte offen und fair zu gestalten und mehr Innovation zu ermöglichen.“

Einem Bericht aus dem vergangenen Jahr zufolge hat die EU-Kommission dem Internet-Konzern Google mit dem Zwangsverkauf seines lukrativen Geschäfts mit Online-Werbung gedroht. Dieses steuert einen Großteil zum Umsatz und Gewinn des Mutterkonzerns Alphabet bei. Inzwischen ermitteln die europäischen Kartellbehörden gegen das Unternehmen offiziell wegen möglicher Verstöße gegen den DMA, Google hält das für ungerechtfertigt. 

In den USA sieht sich Google im „Kartellprozess des Jahrzehnts“ mit einer möglichen Zerschlagung konfrontiert. Dieser konzentriert sich auf die milliardenschweren Zahlungen an Apple und andere Partner, damit diese Google als Standard-Suchmaschine in ihren Smartphones und Internetbrowsern einstellen.

Apples App Store im Visier
Bei Apple ist den Behörden der restriktive Zugriff auf Hard- und Software-Schnittstellen des Konzerns ein Dorn im Auge. So konnten Drittanbieter ihre Programme bisher ausschließlich über Apples App Store anbieten und mussten auch Zahlungen darüber abwickeln, wofür das Unternehmen bis zu 30 Prozent Provision kassiert.

Vergangene Woche hatte das US-Justizministerium den an der Börse mit 2,7 Billionen Dollar (2,5 Billionen Euro) bewerteten Konzern vor Gericht gezerrt und gewarnt, bei einer Verurteilung sei eine Zerschlagung nicht ausgeschlossen. Apple kündigte an, sich gegen diese Vorwürfe zu wehren.

Als Blaupause für eine Aufspaltung von Apple und Google könnte das Verfahren gegen Microsoft aus dem Jahr 1998 dienen. Der US-Software-Konzern wendete eine entsprechende Anordnung damals ab, indem er die Verzahnung zwischen dem Betriebssystem „Windows“ und dem Browser „Internet Explorer“ lockerte.

Zerschlagung als letzter Ausweg
Allerdings sei es alles andere als sicher, dass die Behörden auch diesmal zu solchen Maßnahmen greifen werden. „In Europa gibt es keine entsprechende Tradition“, sagt ein EU-Vertreter, der anonym bleiben wollte. „Eine Zerschlagung wird als letzter Ausweg gesehen.“

Anwalt Damien Geradin von der Kanzlei Geradin Partners sieht zudem praktische Probleme, vor allem beim iPhone-Anbieter Apple. Dessen Hard- und Software sei aufeinander abgestimmt und eng verzahnt. „So kann man Apple nicht dazu zwingen, den App Store zu verkaufen. Das würde keinen Sinn ergeben.“

Die Behörden sollten daher lieber Auflagen für bestimmte Geschäftsbereiche verhängen, schlägt Geradin vor. Bei Google könnten sich die Zwangsverkäufe auf diejenigen Sparten beschränken, die der Konzern zuletzt mit Zukäufen gestärkt habe.

Auch das US-Justizministerium werde wohl eher darauf hinarbeiten, dass die Konzerne ihre Plattformen öffnen und Drittanbieter nicht benachteiligen, prognostiziert Max von Thun, Europa-Direktor des Open Markets Institute. Diese gemeinnützige Organisation macht sich für das Wettbewerbsrechts stark. „Die Behörden wollen betonen, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen, auch wenn sie diesen Pfad nicht unbedingt bestreiten wollen.“

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Die Behörden wollen betonen, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen, auch wenn sie diesen Pfad nicht unbedingt bestreiten wollen.

Max von Thun, Open Markets Institute

Denn die Anordnung einer Zerschlagung würde geradewegs in die Gerichtssäle führen, warnt Assimakis Komninos, Partner in der Anwaltskanzlei White & Case. „Es gibt zwar nicht viele Beispiele für Zerschlagungen, aber die wenigen Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass dies sehr heikel ist.“

DMA soll den Wettbewerb beleben
Der DMA verpflichtet große Technologiekonzerne unter anderem dazu, ihre Plattformen für Konkurrenten zu öffnen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Die EU will ihre Ermittlungen nach eigenen Aussagen binnen zwölf Monaten abschließen.

Auf die Frage, ob die Maßnahmen der EU nicht übereilt seien, antwortete EU-Industriekommissar Thierry Breton: „Gesetz ist Gesetz. Wir können nicht herumsitzen und warten.“ Als Reaktion auf die Ermittlungen gaben die Aktien der betroffenen Konzerne an der Wall Street jeweils um mehr als ein halbes Prozent nach.

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