KTM-Chef Pit Beirer:

„2024 sind wir bereit für unser ganz großes Ziel!“

MotoGP
29.01.2024 12:01

KTM-Motorsportchef Pit Beirer gewährt in der „Krone“ Einblick, welch immenser Aufwand hinter dem Moto-GP-Projekt „made in Austria“ steckt, blickt kurz zurück und spricht selbstbewusst vom geplanten Angriff in der kommenden Saison: „2024 sind wir bereit für unser ganz großes Ziel!“

„Krone“: Herr Beirer, KTM hat im Vorjahr erstmals seit 2019 keinen Grand Prix gewonnen, war aber zweiter hinter Ducati in der Konstrukteurs-Wertung - war 2023 nun erfolgreich oder nicht?
Pit Beirer: Grundsätzlich erfolgreich. Platz vier in der Fahrer-Weltmeisterschaft war das Beste, was wir bisher erreicht haben. Da schauen wir mehr drauf, als auf die Herstellerwertung, aber auch zweitbester Hersteller ist ein unglaublicher Erfolg, da sind namhafte, sehr große Werke hinter uns und die jahrelange Arbeit trägt Früchte. Natürlich fehlt uns ein Sieg, aber wir waren in vier Rennen am Zielstrich unter 0,8 Sekunden hinter dem Sieger, das tut schon weh, wenn du keinen dieser Matchbälle einfährst. Aber ich muss auf das große Ganze achten und da ist ein rausgequetschter Sieg viel weniger wichtig, als zu sehen, dass wir immer näher an die absolute Spitze herankommen. Um Vierter in der Fahrerwertung zu werden, musst du immerhin fünf sehr starke Ducati und alle anderen hinter dir haben.

Das heißt, die Konstanz wurde besser?
Ja, in den Jahren davor waren unsere Siege oft fast so wie One-Hit-Wonders, die wir dann nicht gleich bestätigen konnten. Da hat uns niemand als zweitstärksten Hersteller gesehen, aber diesen Status haben wir uns verdient. Natürlich verschiebt sich das Leistungsbild ein klein wenig durch die acht Ducatis im Feld.

Noch ein letzter Blick zurück: Brad Binder zeigte, dass er ein Siegfahrer ist, Jack Miller aber blieb hinter den hohen Erwartungen?
Das war sicher ein völlig unlogischer Saisonverlauf, weil wenn es bei einem Umsteiger von einer anderen Marke von Anfang an nicht läuft, dann hast du wirklich ein massives Problem. Aber jetzt kam der Jack und hat uns besser gemacht. Er hat in Portimao, wo alle an uns gezweifelt hatten, gleich die Bestzeit rausgehaut. Er ging technisch andere Wege mit dem Set-Up, das hat Tore aufgestoßen, auch für Brad Binder. Und als es dann richtig losging, ist er eher weggebrochen und Brad nicht. Dann kamen auch menschliche Dinge dazu, wie die Geburt der ersten Tochter, die vielleicht etwas ablenkte. Darum bin ich zwar mit seiner Leistung nicht ganz zufrieden, aber völlig überzeugt, dass wir auch mit Jack den richtigen zweiten Fahrer im Team haben, ein Haudegen ganz besonderer Güte

Im GasGas-Team habt ihr jetzt mit Pedro Acosta und Augusto Fernandez die letzten beiden Moto2-Weltmeister. Was erwartet ihr euch da bzw. haben die dieselben Waffen, dasselbe Material wie die Motorräder unter dem KTM-Logo?
Grundsätzlich zwei geniale Talente. Augusto hatte eine starke Rookie-Saison und bei Pedro sind sich alle einzig, dass er wahrscheinlich der Rohdiamant der MotoGP-Szene ist. Schon sein erster Testtag war, wie seine ganze Karriere bisher, außergewöhnlich. Die Zeichen stehen schon bei beiden auf gute Performance und da wäre es jetzt der falsche Zeitpunkt, dort altes Material hinzugeben. Wir wollen ja noch einen Schritt weiter nach vorne machen. Wir werden das Beste vom Besten, das wir haben, vier Fahrern zur Verfügung stellen und dann gibt es eine klare Regelung während der Saison: Wenn es neue Teile gibt, von dem man etwa nur eines bis zum nächsten Rennen schafft, dann wird der Beste von ihnen diese bekommen. Egal ob Rot oder Orange, rein nach dem Leistungsprinzip. Aber losstarten werden wir mit vier gleichen Bikes.

Die alle vier in Österreich entwickelt und gebaut werden. Wie viele Leute arbeiten eigentlich an so einem MotoGP-Projekt?
Es sind ca. 160 Leute notwendig bzw. hier in Mattighofen und Munderfing damit beschäftigt, das Motorrad zu entwickeln und zu bauen. Das schließt auch WP mit ein, denn wir sind der einzige Hersteller, der auch das Fahrwerk, also Gabeln und Stoßdämpfer, selbst baut. Und dann haben noch einmal das RedBull-KTM-Werksteam und GasGas-Tech3 jeweils 35 Leute an der Rennstrecke. Mit dieser Personaldecke bist du unterwegs, um vier MotoGP-Fahrer zu befeuern.

Während die Entwicklung daheim weiter geht?
Genau, die Fans sehen ja Woche für Woche, wie schwierig es ist. Du arbeitest an jedem Detail, aber das machen die anderen auch. Wenn du in der MotoGP bestehen willst, musst du dich an die Decke strecken, mit jeglicher Technologie, die du irgendwie entwickeln oder erfinden kannst. Und diese Technologie ist bei uns made in Austria.

Was kostet so ein MotoGP-Motorrad?
Nachdem jetzt die Baupreise gewaltig gestiegen sind, kann ich schon sagen, dass man sich dafür auch ein kleines Häuschen hinstellen kann.

Das heißt dann wohl, dass euch bei jedem Sturz im Qualifying die Tränen kommen?
So ein Motorrad hat sich von den Materialkosten in den letzten zehn Jahren verdreifacht. Da ist normale Preissteigerung drinnen, aber auch ein unglaublicher Technologiesprung in den Bikes. Seamless-Getriebe, die Elektronik, die unglaubliche Dinge macht, Aerodynamik, Chassis, Fahrwerke, Carbon, Titan, alles in höchster Güte. Aber zurück zur Frage: Die Stürze tun weh, wenn einer ausrutscht und ein bisserl dahinschlittert, werden wir alle sehr ruhig und wenn die Bikes anfangen, sich im Kiesbett zu überschlagen rechnest du schon bei jedem Überschlag 50.000 dazu und dann kannst runterzählen, bis du es abschreiben kannst. Da tut dir selbst die Konkurrenz leid, wenn ein Motorrad durch die Luft fliegt.

Dazu seid ihr ja auch in Moto2 und Moto3 sehr erfolgreich, wieviele Leute sind da insgesamt involviert? Das sind ja eigene Teams?
Wir haben nirgends Ressourcen abgezogen, als wir mit der MotoGP begonnen haben. Wir sind auch im ganzen Offroadsport größer und stärker geworden, Mann-Stärke und Budgets. Auch Moto3 und Moto2. Von den 77 Fahrern, die im Padock unterwegs sind, sitzen 28 auf Pierer-Mobility-Motorrädern. So haben wir uns auch als Offroad-Company im Roadracing einen gewaltigen Status erarbeitet. In der Moto3 hast du ja dann Kundenteams, die für das Material bezahlen, auf die sind wir schon auch sehr stolz. Aber wir haben unter Vollbesetzung 120 Mitarbeiter am Rennwochenende im Fahrerlager. Und die sind am Montag nicht in Mattighofen, um am Bike zu bauen, du fährst hier komplett parallel, was wir in den Offroad-Sportarten ganz anders gelernt hatten. In der MotoGP ist das Motorrad eigentlich auf Welttournee und kommt im Herbst wieder zurück. Und du bringst permanent neue Teile an die Rennstrecke.

Ist der dichte Kalender mit 22 Rennen plus 22 Sprintrennen überhaupt noch machbar? Sowohl für Hersteller als auch Fahrer?
Ich bin der größte Fan des Sprintrennens, weil es das Rennwochenende einfach noch attraktiver macht. Wir sind alle vor Ort, die Motorräder sind da, die Zuschauer sind da, das Reisegeld ist ausgegeben. Da sind mir zwei Rennen lieber wie eines. Das Format ist perfekt, mich stört die Anzahl der Rennen insgesamt, das ist zuviel. Wir lieben den Sport und fahren gerne Rennen, aber die optimale Größe wären 18 pro Jahr.

In der Formel 1 gibt es bei den größten Teams ja auch schon zwei Mechaniker-Crews.
Ja, dort wird das ganze hinsteuern, wenn es bei diesem Programm bleibt, aber das können und wollen wir uns im Moment nicht leisten. Wir sind mit dem einen Team, das wir haben, gewachsen, da ist auch eine geniale Stimmung. Das in eine Doppelgleisigkeit überführen, würde Unsummen an Geld kosten. Auch wenn wir große Budgets haben, in der Formel 1 muss man schon noch überall eine Null anhängen. Hier wäre im Momen jeder Motorradhersteller überfordert, daher ist das Limit an Rennen meiner Meinung nach überschritten.

Da muss man ja fast hoffen, dass Kasachstan auch heuer wieder abgesagt wird …
Ganz ehrlich gesagt: Ja!

Schauen wir voraus: 2024 ist wahrscheinlich der nächste Schritt geplant - wie soll der aussehen?
Wir haben uns eindeutig deklariert, in unserem Masterplan stand immer, dass wir 2024 um den Weltmeistertitel kämpfen wollen. Jetzt ist Jänner 2024, da gibt es wenig Raum zum Tiefstapeln. Ich bin der Meinung, wir sind bereit, dass wir das ganz große Ziel in Angriff nehmen.

Sind die Consessions in der MotoGP, die Honda und Yamaha wieder näher heranbringen sollen, Ihrer Meinung nach gut oder sollte es ein freier Wettbewerb bleiben? 
Meiner Meinung nach war dieser Schritt nicht notwendig, aber wir haben im Sinne der Meisterschaft zugestimmt und daher wäre es unfair, nachzutreten. Aber die Meinung ist schon unverändert. Yamaha und Honda haben jetzt schon immense Vorteile, durch die Entwicklung an den Motoren, die Vielzahl an Testreifen. Sie dürfen mit den Rennfahrern auf jeder Strecke, wann sie wollen, testen. Wir dürfen mit den Rennfahrern gar nicht mehr testen, außer bei den offiziellen Tests, wie jetzt in Sepang. Dass Ducati 30 Testreifen weggenommen werden, ist Kosmetik. Aber das ist alles egal, an unserem Ziel für 2024 ändert sich dadurch nichts. Und wenn Yamaha und Honda überraschend schnell gut performen, werden ihnen die Consessions auch wieder weggenommen. Daher heißt es jetzt, Visier runter und angreifen!

Ganz egal, ob ein oranges oder rotes Bike vorne mitmischt? Traust du es euren GasGas-Rookies auch zu?
Das wäre eine Sensation, die Titellast sehe ich schon bei den Jungs im RedBull-KTM-Werksteam. Aber nicht, weil ich eine Farbe präferiere. MotoGP-Fahrer sind schon auch so etwas wie ein guter Wein, die sind zwar auch jung und frisch von der Rebe gut, brauchen aber schon auch Zeit, um zu reifen. Die Fahrer werden mit den Jahren besser: Wie plane ich ein Rennwochenende, wie schone ich den Reifen? Das sind schon Dinge, die werden dir nicht angeboren, die musst du erlernen. Aber natürlich gibt es immer wieder diese Wunderkinder, die Schritte schneller machen als andere. Ich traue speziell dem Pedro einiges zu, würde aber in keiner Weise über Titelambitionen reden. Den Druck machen wir jetzt mal Orange.

Stichwort Wunderkinder. Was ist Marc Márquez auf Ducati zuzutrauen? Wird der alles aufmischen?
Er wird zumindest einmal den Achter-Ducatihaufen ordentlich durcheinander mischen, das ist klar. Er wird konkurrenzfähig und schnell sein. Wie weit er sich dann im Griff hat, wenn er die Kollegen schlagen will, weil er immer gewinnen will, wird man sehen. Aber da machen wir uns keine Illusionen, der Marc auf Ducati macht es für uns nicht einfacher, das Ducati-Paket wird noch stärker. Aber die nehmen sich auch gegenseitig Punkte weg, da müssen wir eben schauen, dass wir von Anfang an dabei sind und vor allem, dass wir keine Fehler machen. Dann werden wir die Jungs, inklusive Marc Márquez, angreifen!

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(Bild: KMM)



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