Bisher ist die Elektro-Strategie von Mercedes nicht wirklich aufgegangen. Händler klagen teilweise über „wie Blei auf den Höfen stehende“ EQ-Modelle. Mit neuen Elektro-Architekturen hoffen die Stuttgarter auf eine bessere Zukunft. Die neue Generation des CLA profitiert ab 2025 von den Neuentwicklungen.
Dass der Mercedes EQS nicht so populär werden würde wie die S-Klasse, mussten sie in Stuttgart recht bald ernüchtert feststellen. Aber dass er so schlecht läuft, dass die Limousine nur mehr gemeinsam mit dem EQS SUV ausgewiesen wird und die Baureihe in den USA von Juli bis September 2023 um 55 Prozent einbrach, während die S-Klasse um 47,5 Prozent zulegte, wie die Automobilwoche berichtet, ist ein heftiger Schlag ins Kontor. Offenbar haben sie am Markt vorbei entwickelt. Doch Entwicklung ist ja ein voranschreitender Prozess.
Zeit der Transformation
Wie andere etablierte Autohersteller befindet sich auch Mercedes im Stadium der Transformation. Das Volumengeschäft machen die Modelle mit Verbrennungsmotoren - und verdienen das Geld für die Entwicklung der Elektroautos der nächsten Generation. Die neuen Stromer sollen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts die Verbrenner langsam zurückdrängen. Ab 2030 dann will Mercedes möglichst nur noch reine Batterieautos ausliefern, zumindest dort, wo es „die Marktbedingungen zulassen“, wie es aus der Stuttgarter Zentrale heißt.
Künftig mehr Reichweite - und mehr Gewinn
Weitgehend abgeschlossen hat Mercedes die Phase 1 seiner Elektrostrategie. Inklusive AMG und Van sind mittlerweile elf EQ-Modelle auf der Straße. Sie basieren auf den Plattformen EVA (Electric Vehicle Architecture), EVA 1,5 und EVA 2. Doch längst haben sich die Ingenieure neue Aufgaben gesetzt, entwickeln modular aufgebaute und dezidierte Elektroarchitekturen, mit besseren Skaleneffekten, optimiertem Package und höherer Effizienz. Die Kunden profitieren von größeren Reichweiten, schnellerem Laden und geringeren Verbräuchen.
Ab 2025 wird Mercedes diese Architekturen in die Serie einfließen lassen. Sie heißen für die Pkw-Sparte MMA (Mercedes Modular Architecture) und MB.EA (Mercedes-Benz Electric Architecture). Die Performance-Tochter aus Affalterbach wiederum nutzt ihre eigene Plattform AMG.EA, inklusive anderer Zellchemie für die Batterien. Als Alleinstellungsmerkmal gilt ein besonderes Antriebsmodul an der Hinterachse. Die Van-Sparte nennt ihre Architektur Van.EA.
Architekturen von Mittel- bis Luxusklasse
Während MMA das Einstiegssegment bei Mercedes abbildet, deckt die MB.EA die obere Mittel- bis hin zur Luxusklasse ab. Beide Architekturen arbeiten mit 800 Volt. Den Anfang macht die MMA. Vermutlich noch Ende 2024 geht es mit der Vorstellung der zukünftigen Basis los (Markteinführung 2025). Auf der IAA Mobility in München zeigte Mercedes hierzu kürzlich die Studie CLA. Die schnittige Coupé-Limousine soll zum Effizienzmaßstab im Segment werden.
Was in Sachen Verbrauch geht, demonstrierten die Stuttgarter Autobauer bereits mit dem Forschungsauto EQXX, der Verbräuche von unter zehn kWh/100 km schaffte. Die Serienversion des CLA dürfte davon nicht weit entfernt liegen. Reichweiten von über 750 Kilometer könnten dann im Datenblatt stehen. Die MMA wurde jedoch nicht ausschließlich auf Elektroantrieb ausgelegt. Man behält sich für manche Märkte noch die Option vor, elektrifizierte Benziner zu installieren.
Einsteiger laufen aus, Segmente rücken zusammen
Neben dem CLA wird es im Entry-Segment mindestens drei weitere Modelle geben, den CLA Shooting-Brake - er wird wenige Monate später folgen - sowie die beiden SUVs EQA und EQB. Ohne Nachfolger auslaufen werden die A-Klasse als Hatchback und Limousine, das in China gebaute Derivat mit langem Radstand und die B-Klasse.
In der Mittelklasse steht für 2025 die Neuauflage des EQC auf der Agenda. Der wenig erfolgreiche Vorgänger lief lediglich von 2019 bis 2023, konnte weder beim Ladetempo, noch bei der Reichweite überzeugen. Gut möglich, dass der nächste EQC bereits mit neuen Batterietypen (Lithium-Eisen-Phosphat oder Nickel-Mangan-Cobalt) ausgestattet wird. Auch eine Limousine scheint in Vorbereitung zu sein. Sie wird nur wenig länger sein als der CLA und damit kurz unterhalb des EQE rangieren. Insgesamt rücken die Segmente aufgrund der Elektroarchitekturen, so ein Mercedes-Designer, ohnehin enger zusammen als zuvor.
Auf lange Sicht fällt das EQ-Kürzel
In Diskussion ist beim Stuttgarter Autobauer derzeit die Nomenklatur für die neuen Modelle. Wenn später der elektrische Antrieb zur Normalität wird, bräuchte es eigentlich kein EQ mehr, um dies darzustellen. Aus EQA und EQB könnte damit GLA und GLB werden, aus dem EQC der GLC und das Limousinen-Pendant trägt schlicht den Namen C-Klasse. Doch spielt sich dies alles nicht vor 2030 ab.
Vorerst ist Mercedes damit beschäftigt, sein Portfolio mit der neuen E-Klasse und seinen Varianten T-Modell sowie T-Modell All-Terrain (2024) zu bereichern. Ebenfalls jetzt startet das CLE Coupé, im Frühjahr folgt das Cabrio. Dann dürfte als elektrischer Außenseiter wohl auch endlich der EQG für die ersten Kunden zur Auslieferung bereitstehen.
Ungewisse Zukunft
So ambitioniert die Pläne für die Zukunft sind, so schwierig ist die Gegenwart. Vor allem der EQS blieb nach Informationen der Automobilwoche weit hinter den Erwartungen zurück. „Die Fahrzeuge der EQ-Reihe stehen auf unseren Höfen wie Blei“, sagte ein Mercedes-Händler dem Branchenblatt. Und ein hochrangiger Manager, der anonym bleiben will, sagte: „Die neue E-Klasse und der GLC werden uns aus den Händen gerissen, während die E‑Autos überhaupt nicht laufen.“ Lediglich die günstigeren Familien-Modelle wie EQA und EQB erfreuen sich demnach einer steigenden Nachfrage.
Doch die allein werden die Ertragsziele nicht erfüllen können, und die Luxusabteilung schwächelt, weil sie die Erwartungen der anspruchsvollen Kunden vor allem in China und den USA nicht erfüllen kann. So versuchen die Entwickler derzeit verzweifelt, den Rücksitz des EQS etwas tiefer zu legen, um mehr Komfort auf der Rückbank zu schaffen, schreibt das Blatt.
Ab 2030 will Konzernchef Ola Källenius nur noch Elektroautos verkaufen, „wo es die Marktbedingungen zulassen“. Das sind möglicherweise weniger Märkte als angenommen. Was für ein Glück, dass die neuen Elektroplattformen auch für Verbrennungsmotoren geeignet sind.
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