Verschossener Elfmeter. Bereits am zweiten Prozesstag hätte Alt-Kanzler Sebastian Kurz das Wiener Landesgericht, wo gegen ihn und seinen ehemaligen Kabinettschef verhandelt wird, möglicherweise als freier Mann nach Hause gehen können - wenn er den vom Gericht aufgelegten Elfmeter verwandelt hätte. Doch Kurz, dem man keine große Leidenschaft für den Fußball nachsagt, sah ihn nicht oder wollte den Ball kurz vor dem Tor nicht sehen, hat ihn nicht getroffen oder verschossen. Und wie hätte Kurz einer Verurteilung entgehen können? Richter Michael Radasztics sendete Signale in Richtung des sogenannten Aussagenotstands. Denn vor dem U-Ausschuss, wo, so der Vorwurf, Kurz die Unwahrheit gesagt haben soll, darf man die Unwahrheit sagen, um einer strafrechtlichen Verantwortung zu entkommen. Doch diesen Umstand müsste man zugeben, was der Ex-Kanzler offenbar nicht zustande bringt. Dabei hatte der Ex-ÖVP-Chef, wie das „Krone“-Team aus dem Gerichtssaal berichtet, mit seinem Eingangsstatement alles perfekt für genau diesen Aussagenotstand vorbereitet. Er gab zu, zu wenig vorbereitet in den U-Ausschuss gegangen zu sein, der Druck sei groß gewesen, weil er wusste, dass die „Opposition ihn vernichten wollte“. Gelogen habe er nicht, aber seine „Formulierungen waren von Angst vor Strafverfolgung geprägt“. Genau da hakt der Richter Richter ein: „Ich soll überprüfen, ob Sie im Aussagenotstand waren. Aber das setzt eine falsche Aussage voraus. Wenn Sie vor mir sitzen und sagen, Sie haben eh richtig ausgesagt, dann kann ich das nur spekulativ prüfen.“ Das wäre, schreiben unsere Reporter, der Moment gewesen, wo Kurz über seinen Schatten hätte springen müssen, um den Aussagenotstand einzugestehen. Doch der Ex-Kanzler strebt einen glatten Freispruch an, beharrt darauf, dass er sich im U-Ausschuss bemüht habe, wahrheitsgemäß auszusagen. Und so wird sich Sebastian Kurz noch über einige Prozesstage hin zu einem Urteil quälen müssen. Und riskiert, verurteilt zu werden.
Tragische Figur. Eine tragische Todesnachricht platzte am Freitag mitten in den Prozess gegen Sebastian Kurz, womit wir uns gestern auf krone.at und heute groß in der „Kronen Zeitung“ beschäftigen. Conny Bischofberger schreibt in ihrem Kommentar, dass der Angeklagte selbst diese Nachricht nach einer Pause überbrachte - er „hätte es komisch gefunden, das Ableben von Christian Pilnacek nicht zu erwähnen“. Danach sei es im Großen Schwurgerichtssaal ganz still geworden. Still beim Oberstaatsanwalt und dem Staatsanwalt, die mit der Demontage des einst mächtigsten Beamten des Landes mitgewirkt haben. Aber auch „still bei jenen Journalisten, die in den sozialen Netzwerken immer weitersticheln mussten, obwohl Pilnacek im Amtsgeheimnisprozess freigesprochen wurde, und auch noch, als seine Suspendierung im Justizministerium kurz vor der Rücknahme stand“, wie Bischofberger erwähnt. Und sie zitiert Pilnaceks Anwalt Dieter Böhmdorfer, der dazu sagte: „Nicht die Urteile sind es, die die Beschuldigten fertigmachen, sondern die jahrelangen Verfahren.“ Bischofberger erinnert daran, dass hinter jedem dieser Beschuldigten immer ein Mensch stehe, manchmal einer, der an der Vorverurteilung zerbricht. So viel steht fest: Pilnacek bleibt als tragische Figur in Erinnerung.
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