Es war eine Revolution auf dem Mittagstisch: In den 1950ern konnte man erstmals Fleisch und Früchte einfrieren. Ein Streifzug durch die Geschichte steirischer Tiefkühlhäuser.
Es waren unscheinbare Häuschen, zweckmäßig, ohne Schnickschnack, mit kleinen Fenstern, weißem Mauerputz und roten Ziegeldächern: die Tiefkühlhäuser, die ab dem Jahr 1955 wie Schwammerln aus dem weiß-grünen Boden schossen. Ihre äußere Schlichtheit hätte manchem Spaziergänger vielleicht auf eine innere Bescheidenheit schließen lassen - doch dem war gar nicht so. Innerhalb der vier Wände verbargen sich verschiedenste Fleischwaren, Gemüse, Obst und sogar selbst gebackener Kuchen.
„Revolution für Menschen am Land“
„All das konnte eingefroren werden und bedeutete somit eine riesengroße Revolution für die Menschen am Land. Denn ihnen war es ab sofort möglich, so wie die Städter jeden Tag Fleisch zu essen und nicht nur mehr auf Hausschlachtungen zu warten. Auch das Selchen, Pökeln und Einrexen war nun nicht mehr zwingend nötig“, erklärt Historikerin Anita Ziegerhofer.
Die Professorin für Rechtsgeschichte an der Universität Graz begab sich gemeinsam mit dem Kulturanthropologen Helmut Eberhart auf „frostige Spurensuche“ in der Steiermark und erforschte im gleichnamigen Buch die Geschichte der Tiefkühlhäuser in unseren Regionen.
In der Hochphase gab es rund 800 Tiefkühlhäuser
Die Forscher betraten dabei Neuland, eine ähnliche historische Aufarbeitung gab es nämlich bis dato noch nicht. Wie sind die beiden also auf die Idee gekommen? „Ich bin durch meinen Heimatort Spielfeld gefahren. Dort hat es immer ein Tiefkühlhaus gegeben - und auf einmal war es weg“, berichtet Ziegerhofer.
„Bei einem Ausflug in der Gegend um Riegersburg kamen wir ein anderes Mal durch den kleinen Ort Sankt Kind. Dort steht noch eines dieser unscheinbaren Gebäude. Das war dann der Auslöser“, ergänzt Eberhart. 50 dieser Bauten gibt es noch hierzulande, andere wurden abgerissen oder in Garagen, Blumengeschäfte, Vereinslokale oder Wohnungen umgewandelt.
Viele persönliche Geschichten
In der heißen Tiefkühl-Phase existierten 800 Anlagen in fast jedem noch so winzigem Dorf, 500 Standorte sind in dem jüngst im Leykam-Verlag erschienenen Werk dokumentiert.
Und damit auch eine Fülle von kleinen Geschichten, die Zeitzeugen Eberhart und Ziegerhofer zutrugen. Wie etwa jene vom Buben, der von seinen Eltern am Nachmittag ins Kühlhaus geschickt wurde, um gefrorenes Fleisch zu holen. Und der spätabends mit dem schon aufgetauten Braten heimkam, weil er bei der Nachbarsfamilie abgebogen war und beim Fernseh-Kasperl Tränen gelacht hatte.
In der Oststeiermark wurde die erste Anlage errichtet
Die erste „bäuerliche Gemeinschafts-Kaltraumanlage“ der Steiermark - so wurde sie korrekt bezeichnet - wurde anno 1955 im oststeirischen Krottendorf aus der Taufe gehoben, zur Eröffnung kam Landeshauptmann Josef Krainer sen. höchstpersönlich aus Graz angereist. Sie bot der Bevölkerung 44 Schließfächer mit je 200 Litern Inhalt. Die Kosten? 120.000 Schilling. „Meist taten sich die Dorfbewohner unter der Leitung des Bürgermeisters zusammen, um die Idee von einem solchen Gebäude zu realisieren“, weiß Eberhart aus Unterlagen diverser Tiefkühlhaus-Vereine.
Eine eigene Kühltruhe zu Hause war für die meisten Steirer unerschwinglich, denn ohne Montage musste man 1956 rund 17.000 Schilling hinblättern. Da waren die 2800 bis 4000 Schilling für ein Fach einer Gemeinschaftsanlage deutlich günstiger. Als die Preise sanken, verglühte auch der Stern der Tiefkühlhäuser Anfang der 1980er-Jahre.
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