Die zunehmenden Versorgungsprobleme in manchen Spitälern bzw. Engpässe bei Kassenordinationen bestimmter Fachrichtungen haben für die Rektoren der Medizin-Universitäten nichts mit einem Ärztemangel, sondern mit einem Verteilungsproblem zu tun. Ein Ausbau der Studienplätze sei als Gegenmaßnahme deshalb sinnlos. Heuer haben sich 15.400 Interessenten für einen der diesmal 1850 Plätze an den Medizinischen Universitäten Wien, Innsbruck und Graz sowie der Medizin-Fakultät der Uni Linz beworben.
Die Anmeldezahlen sind weiter rückläufig: Rückgänge zum Vorjahr gab es an allen Standorten außer der Uni Linz. An der Medizin-Uni Wien kommen allerdings immer noch zehn Bewerbungen auf einen Studienplatz, an der Medizin-Uni Innsbruck sind es acht, in Graz und nunmehr auch in Linz sieben. Erfahrungsgemäß erscheinen jeweils rund 80 Prozent der Angemeldeten auch tatsächlich zur achtstündigen schriftlichen Prüfung.
Vor allem aus den Ländern kommt regelmäßig der Ruf nach zusätzlichen Anfängerplätzen. Zuletzt hat sich auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in seiner Rede „zur Zukunft der Nation“ für eine Aufstockung ausgesprochen, um die Versorgung mit Kassenärzten sicherzustellen. Für die Medizin-Uni-Rektoren wird damit allerdings vom tatsächlichen Problem abgelenkt.
Deutlich weniger Pflegepersonal als in Deutschland
„In Österreich gibt es kein quantitatives, sehr wohl aber ein qualitatives Problem“, betonte Markus Müller, Rektor der Medizin-Uni Wien am Donnerstagnachmittag vor Journalisten. Die Versorgungsdichte sei mit 5,5 Ärzten pro 1000 Einwohner die zweithöchste in der OECD. Die Versorgungsmängel würden durch Probleme bei der Verteilung entstehen, etwa zwischen Stadt und Land oder Mangel in bestimmten Fachrichtungen. Gleichzeitig leide das System darunter, dass es deutlich weniger Pflegepersonal gebe als etwa in Deutschland oder der Schweiz.
Dass in den 1960ern bei 11.000 Ärzten noch vor einer Ärzteschwemme gewarnt wurden und man nun bei über 48.000 von einem Ärztemangel rede, nannte Medizin-Uni-Graz-Rektor Hellmut Samonigg „absurd“. Die Ärzte seien offensichtlich nicht dort, wo man sie brauche. Die Forderung nach mehr Ausbildungsplätzen sei zur Lösung der aktuellen Probleme jedoch sinnlos, dauere es doch 13 Jahre, bis jemand zum Facharzt ausgebildet ist.
Rufe nach mehr Ausbildungsplätzen „Ablenkungsmanöver“
„Das ist schlichtweg ein Ablenkungsmanöver.“ Ohne echte strukturelle Maßnahmen im System, die etwa die Abwanderung von Spitalsärzten in das Wahlarztsystem stoppen, drohe allerdings ein „Erdbeben“, so Samonigg weiter. Bis 2028 soll die Zahl an den öffentlichen Unis (Medizin-Unis Wien, Graz, Innsbruck, Medizin-Fakultät der Uni Linz) auf 2000 Anfängerplätze steigen. Das ist für Müller „gerade noch qualitativ vertretbar“, reize allerdings die Leistungsfähigkeit der Unis massiv aus. Ein weiterer Ausbau würde die Qualität der Ausbildung gefährden.
Dazu komme, dass die EU bei einem weiteren Ausbau der Studienplätze die aktuelle Regelung, wonach 75 Prozent der Anfängerstudienplätze für Bewerber mit österreichischem Maturazeugnis reserviert sind, kippen könnte, warnte Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizin-Uni Innsbruck.
Debatte über Studiengebühren
Auch der jüngste Vorstoß von Sozialversicherungs-Chef Peter Lehner ist für die Rektoren keine Lösung, um mehr Ärzte dorthin zu bringen, wo sie am wichtigsten wären. Lehner hat vorgeschlagen, dass Medizin-Studierende Studiengebühren bezahlen und erst refundiert bekommen, wenn sie im solidarischen Gesundheitssystem arbeiten. Es sei zwar nachvollziehbar, dass man aus einem öffentlich finanzierten Gratis-Studium eine Verpflichtung ableite. Hier gebe es aber Einschränkungen durch EU- und Verfassungsrecht, erklärte Meinhard Lukas, Rektor der Uni Linz.
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