Kammerspiele Linz

Leben in Kreditspiralen und anderen Katastrophen

Oberösterreich
19.03.2023 19:00

Täglich wird alles schlimmer. Und täglich steigen die Schulden - bei manchen. Ist das vielleicht genetisch? Und wann kommt der große „Geldknall“? In den Linzer Kammerspielen ist ab sofort das Doppelstück „Worst Case/Dunkelziffer“ der Salzburger Autorin Kathrin Röggla zu sehen. Katka Schroth gelingt mit einer großartigen Regie eine brandaktuelle Farce Themen wie Verschuldung, Armut, überbordenden Kapitalismus und Klimawandel.

Regisseurin Katka Schroth hat sich in Linz bereits vor zwei Jahren mit einer gekonnten Jelinek-Inszenierung vorgestellt. Nun hat sie für „Worst Case/Dunkelziffer“ zwei Texte der Salzburger Dramatikerin Kathrin Röggla zusammengefügt.

Zwei Drittel des Theaterabends rücken die Dunkelziffer der Minusmillionäre ins Rampenlicht, was einen Nerv der Zeit trifft: Millionen Österreicher haben Kredite und Schulden, manche schlittern in die Überschuldung. Im Stück werden Geld und Leben verschnitten, darum beginnt es mit einem scheinheiligen „Kredit-Gesang“ von Nonnen, die in der Folge wechselnde Rollen einnehmen - von der kinderreichen Familie mit Gehaltspfändung bis zu Schwangeren, Kaufsüchtigen, Opfern schneller Kredite und Ratenzahlungen…

Alexander Hetterle, Rebecca Hammermüller und Cecilia Pérez in Szenen aus „dunkelziffer“ (Bild: Herwig Prammer)
Alexander Hetterle, Rebecca Hammermüller und Cecilia Pérez in Szenen aus „dunkelziffer“

Gekonntes Spiel mit Sprache und Perspektive
Röggla hat die Charaktere nicht ausgeschrieben. Das gibt der Regie die Freiheit, aktuelle Ordnung in den Schlagabtausch zu bringen. Den Konsumopfern bleibt nichts anderes übrig, als die gnadenlose Selbstanalyse an sich selbst vorzunehmen, und zwar im Sprachspiel. Sie konjugieren ihr Geldschicksal durch, sie versuchen den „Geldknall und den Kollaps der Niedrigeinkommen“ sprechend zu ergründen, zu bannen, wollen so Einkaufsreserven und Kontoüberziehungen, denen sie womöglich genetisch ausgeliefert sind, unter Kontrolle bringen. Doch irgendwann taucht die Ahnung auf, dass alles auch ein brillantes Geschäftsmodell von Banken, Inkassobüros, Versandhäusern und Anwälten sein könnte, um den Turbo-Kapitalismus in Schwung zu halten.

Theresa Palfi, Katharina Hofmann und Cecilia Pérez als Mitglieder einer konsumsüchtigen Familie (Bild: Herwig Prammer)
Theresa Palfi, Katharina Hofmann und Cecilia Pérez als Mitglieder einer konsumsüchtigen Familie

Eine völlig neue Aktualität
In „Wort Case“ nimmt Röggla Schreckensnachrichten, die es tagtäglich ins Fernsehen und Internet schwemmt, wieder im Sprachspiel durch: Waldbrände, Wirbelstürme, den Meereskollaps, das Faktum, dass uns die Luft buchstäblich ausgehen könnte. Schroth stellt zwei Frauen ins Zentrum, die sich um ein Telefon raufen, sie versuchen „nach draußen“ anzurufen, doch da draußen gibt es keine Hilfe, nur Klimaoptimisten, Kollapsleugner. 
Der Text, ursprünglich 2008 entstanden, gewinnt durch die Aktualität des Klimawandels neue Bedeutung. Dem verleiht Schroth mit eindringlichen Bildern noch mehr Nachdruck, so etwa trinken die beiden Dürstenden aus Benzinkanistern.

Rollen Katharina Hofmann und Theresa Palfi in den „worstcase“Szenen (Bild: Herwig Prammer)
Rollen Katharina Hofmann und Theresa Palfi in den „worstcase“Szenen

Zeitgenössisches Theater am Punkt
Das unglaublich spielfreudige Ensemble durchlebt den Text mit Haut und Haar. Die phantasievollen Kostüme von Sung-A Kim (Bühne: Hartmut Meyer) überzeichnen die Katastrophen-Analysen, die jeder kennt, die jeden plagen, aber die hier verspielt, aber treffsicher über die Bühnenkante der Kammerspiele gebracht werden, sodas man endlos zuhören könnte. In der brillanten Gesamtleistung sind in wechselnden Rollen Katharina Hofmann, Theresa Palfi, Cecilia Pérez, Nataya Sam, Rebecca Hammermüller und Alexander Hetterle zu sehen. Joachim Werner greift in die Tasten des Klaviers.

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