Krankheit überforderte

Frau erwürgt: „Ich wollte, dass sie erlöst wird“

Wien
14.12.2022 16:21

Ein Jahr ist es her, dass bei Gabriela S. Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium diagnostiziert wurde - mit Metastasen in Lunge und Leber. Ein Jahr ist der Anfang des Endes einer harmonischen, glücklichen Ehe her. Seinen Ehering trägt Erich S. im Wiener Landesgericht aber noch immer. Auch wenn er dort wegen Mord an seiner einst so geliebten Frau sitzt.

Im Dezember 2021 wurde der Krebs bei der 55-Jährigen entdeckt. Die Ärzte gaben ihr trotz Behandlungen nur noch vier Monate. „So eine Zeit mit einem schwer kranken Menschen macht auch mit den pflegenden Angehörigen etwas“, so Verteidigerin Astrid Wagner. Für ihren Mandanten brach mit der tödlichen Diagnose eine Welt zusammen. „Er wollte weiterhin der starke Partner sein. Die Schulter zum Anlehnen. Ohne zu merken, dass er das nicht mehr war.“ Genau als es der Frau ein wenig besser ging, sie neuen Lebensmut gefasst hatte, übermannte ihren nun angeklagten Ehemann die Überforderung: Die Pflege und der bevorstehende Verlust der 55-Jährigen stellten Erich S. vor ein unlösbares Problem.

Geplantes Wiedersehen im Jenseits
„Sie war die Frau meines Lebens. Wir sind durch dick und dünn gegangen. Ich habe gesehen, wie diese Krankheit sie vernichtet“, weint der Angeklagte vor Richterin Claudia Zöllner. Und da sah er in den frühen Morgenstunden am 24. Februar nur noch einen Ausweg: „In dem Moment war das plötzlich so klar. Wie eine Explosion. Das ist die Lösung für uns beide, dass wir uns im Jenseits wiedersehen.“ Und dann würgte er die Schlafende minutenlang.

„Ich wollte mich dann umbringen, weil ich zu ihr wollte“, so der 55-Jährige tränenerstickt. Sein Selbstmordversuch mit diversen Tabletten und Alkohol scheiterte. Die Tochter - sie bekam ein Abschiedsmail und einen Anruf - alarmierte die Rettung. Für Gabriela S. kam jede Hilfe zu spät. Der Angeklagte konnte knapp noch reanimiert werden und lag danach einige Zeit im Koma. „Das war ein sehr ernsthafter Suizidversuch. Er hat wahllos so viel genommen, wie er gefunden hat und das in Kombination mit Alkohol“, so der psychiatrische Gutachter Dr. Peter Hofmann. Der 55-Jährige stimmt mit gesenktem Kopf nickend zu ...

„Ist die Mama gestorben?“
Auch die 30-jährige Tochter, die ihrem Vater letztlich das Leben gerettet hat, kommt im Prozess zu Wort: „Mein Papa ist ein sehr liebevoller Vater und Ehemann. Er hätte meiner Mama die Welt zu Füßen gelegt, wenn er gekonnt hätte“ Vor dem tatsächlich schlimmen Gesundheitszustand der Mutter versuchten die Eltern ihre Tochter zu beschützen. Bei Telefonaten redete man fast ausschließlich über das neugeborene Enkelkind - die Krankheit wurde kaum thematisiert. 

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Ich liebe meinen Papa. Aber andererseits ist da diese Wut und Unverständnis über das, was passiert ist.

Tochter des Angeklagten und seiner toten Frau

„Geliebte Tochter. Was ich heute getan habe, wirst du nicht verstehen. Ich versuche trotzdem, es zu erklären. Durch meine Art des Denkens habe ich euch alle ins Chaos gestürzt.“ Das schreibt der 55-Jährige seiner Tochter in einer E-Mail zum Abschied. Daraufhin gab es einen besorgten Anruf der 30-Jährigen: „Ist die Mama gestorben?“, habe sie gleich als erstes gefragt. Dann rief sie die Einsatzkräfte. Und wie geht es ihr jetzt damit? „Ich liebe meinen Papa. Aber andererseits ist da diese Wut und Unverständnis über das, was passiert ist.“ Trotzdem stehe sie weiter hinter ihm.

Mord oder Totschlag?
Einen eiskalten Mord sehen auch die Gutachter nicht. „Er war hoffnungslos überfordert“, sagt auch der Gerichtspsychiater. Zurechnungsfähig war er trotz des Ausnahmezustands zum Tatzeitpunkt aber. Und auf jenen Ausnahmezustand plädiert auch Astrid Wagner und fordert eine Verurteilung wegen Totschlag. Ein altes Sprichwort - „Das Leben hat viel mehr Facetten als sich der Gesetzgeber vorstellen kann.“ - treffe bei diesem Fall genau zu. 

Die Geschworenen folgen der Verteidigerin und verurteilen Erich S. wegen Totschlag zu sieben Jahren Haft - nicht rechtskräftig! 

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