„Krone“-Interview

Oberstaatsanwalt über Objektivität und Motivation

Tirol
08.07.2022 20:00

Seit April ist Richard Freyschlag Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Innsbruck. Der „Krone“ erklärte er, wie unabhängig die Justiz ist, was für ihn einen guten Ankläger ausmacht und was ihn täglich motiviert.

„Krone“:Was braucht ein guter Staatsanwalt in Ihren Augen?
Richard Freyschlag: Grundsätzlich vor allem Objektivität. Ich glaube, ganz entscheidend ist eine objektive, zügige und zielorientierte Verfahrensführung. In dem Zusammenhang muss man erwähnen: Das Ziel des Staatsanwaltes ist nicht, jemanden anzuklagen oder das Verfahren einzustellen, sondern zu ermitteln und eine objektive Einschätzung zu treffen.

Bei manchen Prozessen – vor allem im Strafrecht und in manchen Besetzungen – hat es den Anschein, als wären sich Richter und Staatsanwalt näher und schon vor Prozessbeginn einiger, als sie sich sein sollten. Hat die Justiz da möglicherweise ein Problem?
Nein, das kann ich ausschließen. Dass eine gewisse, ich sage jetzt einmal, menschliche Nähe zwischen manchen handelnden Personen besteht, liegt, glaube ich, einfach daran, dass sie vier Jahre lang gemeinsam ausgebildet wurden. Sie kennen sich zum Teil. Aber das führt nicht dazu, dass es Absprachen oder was auch immer geben würde.

Richard Freyschlag im Gespräch mit „Krone“-Redakteurin Melina Mitternöckler. (Bild: Birbaumer Christof)
Richard Freyschlag im Gespräch mit „Krone“-Redakteurin Melina Mitternöckler.

Davon war gar nicht die Rede. Vielmehr: Gehen manche Richter nicht davon aus: „Der wird schon schuldig sein, es wurde ja Anklage erhoben“? Dann, wenn der Angeklagte ein gewisses Bild vermittelt oder ihm ein Ruf vorauseilt?
Nein, das gibt es nicht. Wir haben eine Freispruchrate von mindestens 35 bis 40 Prozent.

Wie wird die Unabhängigkeit vom Gericht garantiert?
Der Richter ist weisungsfrei und nicht versetzbar. Er kann beweiswürdigen und entscheiden, wie er glaubt.

Wie unabhängig ist denn die Staatsanwaltschaft von der Politik?
Eigentlich würde ich sagen: Wir sind unabhängig von der Politik. Aber nachdem die Weisungsspitze die Frau Bundesministerin für Justiz ist ... so gesehen ist die Weisungsspitze in der Justiz mit einer Politikerin besetzt.

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Eigentlich würde ich sagen: Wir sind unabhängig von der Politik. Aber nachdem die Weisungsspitze die Frau Bundesministerin für Justiz ist ...

Richard Freyschlag

Könnte die Ministerin die Weisung erteilen, dass ein Verfahren eingestellt oder noch Zeugen einvernommen werden sollen?
Könnte sie. Aber de facto macht sie es nicht selbst, sie hat ihre Fachabteilungen. Dem Parlament ist sie zur Rechenschaft verpflichtet.

Sind Sie für einen Bundesstaatsanwalt anstelle eines Ministers an der Spitze?
Es gibt derzeit eh eine Arbeitsgruppe dazu. Ich persönlich würde es sehr gut finden, wenn es einen Bundesstaatsanwalt gäbe, der vielleicht einen Senat hat, mit dem er Entscheidungen erledigen kann.

Zur Person

Im April rückte Freyschlag mit 61Jahren vom stellvertretenden zum Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck auf. Er wuchs auf im oberösterreichischen Steyr und studierte in Innsbruck. Bevor er zur Staats- und später zur Oberstaatsanwaltschaft kam, war er einige Jahre lang in Tirol als Richter tätig. Die OStA Innsbruck hat die Aufsicht über die Staatsanwaltschaften für Tirol und Vorarlberg.

Manche Urteile rufen in Teilen der Bevölkerung Fassungslosigkeit hervor. In den Kommentaren unter unseren Artikeln liest man etwa: „Die Strafe ist extrem gering“, „Das Urteil ist ein Witz“ und „Der Richter sollte überprüft werden“. In wessen Hand liegt diese Entscheidung?
In der des Gerichts. Es würdigt die Strafzumessungsgründe, die Schuld des Täters, die Milderungs- und Erschwerungsgründe und spricht dann in dem gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen eine schuld- und tatangemessene Strafe aus. Übrigens macht die Staatsanwaltschaft nicht nur Strafberufungen zum Nachteil des Verurteilten. Wenn wir meinen, er ist zu streng bestraft worden, machen wir es auch zu seinen Gunsten.

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Das Gericht spricht in dem gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen eine schuld- und tatangemessene Strafe aus.

Richard Freyschlag

Zum Schluss eine persönliche Frage. Welchen Sinn sehen Sie in Ihrer Arbeit? Was motiviert Sie jeden Tag neu?
Ich habe ein starkes Interesse an einer gut funktionierenden Justiz. Ich schaue, dass die Rahmenbedingungen passen. Das ist nicht immer einfach. Es mangelt immer wieder, auch an Staatsanwälten. Die Verfahren werden komplizierter, haben mehr Auslandsbezug. Es ist zu schauen, dass die Ermittelnden ausreichend gut aufgestellt sind. Das motiviert mich.

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