Taxi-Geschichten

Happy End dank großem Verhandlungsgeschick

Wien
16.04.2022 09:00

Wir fahren mit und hören zu. „Krone“-Reporter Robert Fröwein setzt sich auf die Taxi- oder Uber-Rückbank und spricht mit den Fahrern über ihre Erlebnisse, ihre Sorgen, ihre Ängste. Menschliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Als Makahn 1991 in sein Taxi steigt, ist erst einmal alles so wie üblich. Als sich der frühsommerliche Nachmittag dem Ende zuneigt und die Sonne langsam am Horizont entschwindet, hält der Iraner am äußeren Gürtel. Sein Fahrgast ist sichtlich illuminiert und nicht unbedingt friedvoll. Makahn lässt ihn einsteigen und möchte ihn nach Hause bringen, doch der Betrunkene hat anderes im Sinn. „Oida, i drah di ham“, schallt es dem Fahrer plötzlich von der Rückbank entgegen. Derartige Drohungen sind von zeitloser Natur. Damals wie heute keine Besonderheit für einen gestandenen Taxler, denn zu viel Bier und Schnaps vernebeln schnell die Sinne. Wesentlich beunruhigender ist allerdings die Vehemenz des Ausgesprochenen. Rabiat wiederholt er den Satz mantraartig und lässt damit Unbehagen in Makahn aufsteigen.

„Damals gab es keine Smartphones oder Handys. Was hätte ich tun sollen“, erinnert er sich zurück, als er mich auf einer wesentlich friedvolleren Fahrt mittags durch die Innenstadt kutschiert. Seit mehr als 30 Jahren lenkt er schon Taxis und hat allerhand erlebt. Auf meine Frage, welche Geschichte ihm besonders eindrucksvoll in Erinnerung geblieben wäre, kam diese hier wie aus der Pistole geschossen. Zumindest mit einer Waffe war Makahn damals nicht konfrontiert, doch die Lage wurde sehr schnell unschön. „Mein Glück war schon damals, dass ich immer eine große Klappe hatte“, kann er heute darüber lachen, „man kann mit so einer Situation unterschiedlich umgehen. Ich habe mich wohl instinktiv für die richtige Variante entschieden.“

Makahn fragt seinen Fahrgast vorsichtig, was das Problem sei und warum er in diese Sache reingezogen würde. „Es ist mir wuascht, ich drah dich glei ham“, schallt es ihm von hinten in die Ohren. Instinktiv versucht er die Situation möglichst schnell zu kalmieren und zeigt Verständnis. „Ich habe ihn gefragt, ob er mit mir reden möchte. Was ihm denn so viele Sorgen bereiten würde und weshalb er so wütend ist.“ Der Gast senkt erstmals seine Stimme und erzählt Makahn, dass er gerade von der Hochzeit seiner Ex-Frau mit seinem besten Freund kommt. Eine psychisch belastende Situation, die er anfangs im Griff zu haben glaubte, deren Fassade aber mit jedem neuen Schluck Sekt kräftig bröckelte. „Ich wollt‘ die beiden umbringen und dann mich hamdrahen“, führt er weiter aus, „aber das hab‘ net auf die Reihe kriegt. Jetzt musst du dran glauben.“

Makahn erfasst die Lage blitzartig und reagiert klug. „Ich habe ihm gesagt, dass ich in einer ähnlichen Situation war und seinen Ärger verstehe. Dass es alles andere als leicht ist, mit so einer Situation klarzukommen, dass es aber auch nichts hilft, wenn man seine Wut auf jemand Unbeteiligten ablädt.“ Makahn vermittelt ihm, dass er seinen angespannten Zustand nachfühlen kann. Der aufgebrachte Fahrgast weiß natürlich nicht, dass dem nicht der Wahrheit entspricht und der Fahrer instinktiv aus purem Selbstschutz reagiert. „Am liebsten hätt‘ ich die ganze Welt hamdraht“, plustert sich der Gast ein letztes Mal einmal auf, bevor er in sich zusammensackt. Eine Weile ist es ruhig, die Situation bleibt angespannt. Makahn durchbricht das Schweigen, indem er seinem Gast ruhig erklärt, dass sich die Zeiten ändern und der Schmerz vergeht.

Der Gast sieht langsam nicht mehr rot und beginnt sich zusehends zu beruhigen. „Wir haben dann noch eine Zeit lang geredet und er hat sich am Ende bei mir entschuldigt“, blickt Makahn erleichtert zurück. Als er ihn im 5. Bezirk zuhause abgeliefert hat, läuft er zur nächsten Telefonzelle, um die Polizei zu rufen und vom Vorfall zu berichten. Die steht nur wenige Minuten später vor der Wohnungstür des Drohenden und übernimmt den Fall. Makahn loben sie für den Umgang in einer brenzligen Situation. Die geplante Nachtschicht bricht er nach dem ersten Schock trotzdem ab. Die Knie beginnen erstmals zu wackeln. „Diese Situation werde ich nie vergessen. Das hätte wirklich übel ausgehen können.“

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