Betroffene fassungslos

Rauch stoppt Lobbyistin als Medizin-Aufseherin

Politik
02.04.2022 10:50

Seit Ende Jänner sorgte die Bestellung einer bisherigen Pharmalobbyistin als Leiterin der Medizinmarktaufsicht für Aufregung: Besonders Anti-Korruptionsexperten orteten eine Unvereinbarkeit. Doch weder das Gesundheitsministerium, noch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wollten damals einen Interessenskonflikt erkennen. Nun hieß es überraschend, dass die Neubesetzung nicht wie geplant vorgenommen werde. Die Betroffene zeigte sich „fassungslos“ und kündigte rechtliche Schritte an.

Eigentlich hätte Helga Tieben, die bisherige Direktorin für Zulassungsbereich und Innovation im Verband der pharmazeutischen Industrie Pharmig, bereits am 1. April bei der Medizinmarktaufsicht beginnen und die Leitung Anfang Juni übernehmen sollen. Wie die AGES am späten Freitagabend bestätigte, wird daraus aber nun nichts.

Rauch will Posten neu ausschreiben
Auch das Gesundheitsministerium bestätigte, dass die Personalentscheidung nicht wie geplant vorgenommen wird. Am Samstag ergänzte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) im Ö1-Radio, der Posten werde nun neu ausgeschrieben: „Die AGES ist nun, nach sachlicher Prüfung zum Entschluss gekommen, dass die Neubesetzung nicht wie geplant vorgenommen wird, sondern neu ausgeschrieben wird.“

In einer Zeit, wo Impfprogramme den Profitinteressen der Pharmafirmen zugeschrieben werden, müsse man bei solchen Bestellungen genau hinschauen, das habe er getan, so Rauch. Er teile die Bedenken der Kritiker. Auch die AGES bestätigte die Neuausschreibung der Geschäftsfeldleitung, der Zeitpunkt hierfür sei aber noch offen.

Tieben: „Unsachliche Hetzkampagne“
Die Betroffene zeigte sich entsetzt und kündigte rechtliche Schritte an. „Ich bin aufgrund meiner jahrelangen fachlichen Expertise im nationalen und europäischen regulatorischen Umfeld als bestgeeignete Kandidatin für die Leitung der AGES-Medizinmarktaufsicht ausgewählt worden“, betonte Tieben.

„Getrieben von politischen und institutionellen Einzelinteressen wurde eine unglaubliche und unsachliche Hetzkampagne gegen mich betrieben, die meine gesamte Tätigkeit im Gesundheitswesen und meine Stellung als ausgewiesene Expertin im Dienst der Patient:innen in Frage stellt.“ Es mache sie „fassungslos“, dass die AGES zwei Tage vor ihrem Dienstantritt „trotz festgestellter Unabhängigkeit meiner Person vom Vertrag zurücktritt“.

AGES berichtet von großer Unruhe
Am Vortag begründete die AGES den Schritt auch mit dem großen Aufsehen rund um die nun abgesagte Bestellung: „In den vergangenen Wochen kam es durch die geplante Neubesetzung der Geschäftsfeldleitung der AGES Medizinmarktaufsicht zu einer negativen Berichterstattung, die auf diesem sensiblen Gebiet für große Unruhe sorgte“, so die AGES in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA. „Um dem entgegenzuwirken, kam die AGES zu dem Entschluss, dass die Neubesetzung nicht wie geplant vorgenommen wird.“

Aufsicht zuständig für Arzneimittelzulassungen
Die Medizinmarktaufsicht in der AGES hat mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist zuständig für Arzneimittelzulassungen, klinische Prüfungen und Überwachung der Arzneimittelsicherheit. Die bisherige Chefin Christa Wirthumer-Hoche geht im Sommer in Pension.

Ende Jänner hatte das Gesundheitsministerium - damals noch unter Ex-Minister Wolfgang Mückstein (Grüne) - darauf verwiesen, dass die AGES beim Auswahlprozess mittels Ausschreibung und Hearing-Kommission den Vorgaben entsprochen habe. Und von der AGES selbst hieß es damals, Tieben habe durch ihre fachliche und persönliche Kompetenz etwa im Arzneimittelrecht im Auswahlverfahren am meisten überzeugt und sei als Expertin anerkannt.

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