Notenbankchef:

„Ohne Ukraine-Krieg gäbe es wunderbares Wachstum“

Wirtschaft
19.03.2022 06:00

Die Europäische Zentralbank „fährt auf Sicht“, aber sie steht auch nicht auf der Bremse, man wartet ab, bis sich der Nebel wieder verzieht.

Es ist wie verhext: Da hat die Wirtschaft die zwei Jahre dauernde Pandemie weitgehend überstanden - und dann kam wie ein Hammer der militärische Überfall Russlands auf die Ukraine. Notenbank-Gouverneur Robert Holzmann im großen „Krone“-Interview mit dem stellvertretenden Chefredakteur Georg Wailand: „Ohne den Ukraine-Krieg wären wir auf einem wunderbaren Wachstumspfad gewesen.“ Dabei wurden bereits die guten Konjunkturdaten aus dem Vor-Krisen-Jahr 2019 übertroffen. Jetzt steht die EZB vor der schwierigen Entscheidung, wann sie die Zinsen anhebt - was die US-Notenbank bereits diese Woche in einem ersten Schritt begonnen hat.

„Zinserhöhung wäre Signal gewesen, das alle verstehen“
Der österreichische Gouverneur Holzmann verhehlt nicht, dass er einen ersten kleinen Zinsschritt der EZB noch vor dem geplanten Ende der Anleihekäufe für angebracht gehalten hätte. Dem Vernehmen nach war er jedoch der einzige im Kreis der EZB-Spitze, der das so sah. Der Österreicher trägt diese Mehrheitsentscheidung aber mit. Holzmann: „Das System der Anleihekäufe ist für die Bevölkerung schwer durchschaubar, eine Zinserhöhung wäre ein Signal gewesen, das alle verstanden hätten.“

So aber würde der Ukraine-Krieg, das besagen die meisten Konjunkturprognosen, das erwartete Wirtschaftswachstum halbieren. Sollte der Krieg lange dauern, kann es auch Richtung Rezession gehen. Mitentscheidend sei auch, wie rasch sich die Energiepreise zurückbilden. Wenn die EZB zu lange mit einer Zinserhöhung zögert, so könnte sich die Inflation verfestigen und schmerzhafte Einschnitte (wie in den 80er-Jahren in den USA) nötig machen.

Ist die hohe Staatsverschuldung der einzelnen Länder nicht schon besorgniserregend genug? Holzmann: „Dieses Thema wird von der Euro-Gruppe sehr wohl sehr ernst genommen, aber es gibt bekanntlich dabei unterschiedliche Betrachtungsweisen.“

„Einfaches Kürzen der Staatsausgaben reicht nicht“
Die Österreicher waren eher auf Seite der „Sparsamen Vier“, werden wir dabei bleiben? Holzmann: „Meiner Meinung nach wird ein einfaches Kürzen der Staatsausgaben nicht reichen, es braucht darüber hinaus auch Strukturänderungen.“ Wie von Holzmann schon früher in Studien angeregt, etwa im Pensionssystem. Der entscheidende Punkt in der Bewältigung der gegenwärtig kritischen Situation sei, dass es anschließend möglichst rasch gelingt, aus diesem Dilemma quasi wieder durch eine gute Konjunktur herauszuwachsen.

Nur dadurch entstehe wieder ausreichend finanzieller Spielraum. Dieser sei auch nötig, weil etwa die Bekämpfung der Klimakrise außerordentliche finanzielle Mittel erfordert. Diese würden bei vielen Schätzungen gegenwärtig gar nicht berücksichtigt: „Diese Umstellung, noch dazu mitten in einer Krise, kostet Geld. Viel Geld. Es ist sinnvoll, neue erneuerbare Energiequellen zu erschließen, aber das gibt es nicht umsonst.“ Ob die Inflation mittelfristig auf die angepeilten zwei Prozent absinken wird? Holzmann geht davon aus. Wenn nicht, werden entsprechende Zinsschritte gesetzt werden müssen.

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