Astrid Wagner

Diese Frau war Jack Unterwegers „First Lady“

Crime
04.03.2022 16:00

Die - mittlerweile prominente - Strafverteidigerin Astrid Wagner war Unterwegers letzte Geliebte. In der „Krone“ spricht sie jetzt darüber, wie sehr ihre Begegnung mit dem Mörder ihr Leben geprägt hat.

Astrid Wagner war Mitte 20, Juristin bei der Grazer Mietervereinigung - als sie Jack Unterweger 1992 einen Brief in die U-Haft schickte. „Ich hatte davor viele Berichte über seinen Fall gelesen. Und ich war in der Folge zu der Meinung gekommen, dass er zu Unrecht des Serienmords bezichtigt wurde“, erzählt die - mittlerweile erfolgreiche - Strafverteidigerin über das Motiv für ihr Schreiben; damals, an „Jack“: „In dem ich ihm klarzumachen versuchte, dass es ,draußen‘ Menschen gibt, die an seine Schuldlosigkeit glauben.“ Wie sie selbst.

Wieso war sie einst so sehr davon überzeugt, er wäre ein Opfer fehlgeleiteter Ermittlungen geworden? „Ich habe der Justiz nie wirklich vertraut - und tue das übrigens bis jetzt nicht.“

„Ich wurde von Detektiven durchleuchtet“
Aber zurück in die Vergangenheit: „Es dauerte Wochen, bis ich eine Antwort von Jack bekam. Denn seine Anwälte hatten vermutet, ich könnte eine Schergin des ,Systems‘ sein, und mich deshalb von Detektiven durchleuchten lassen.“

Ein Verdacht, der sich im Zuge der Erhebungen der Privatfahnder freilich bald als absurd erwies. Womit sich Unterweger frei fühlte, zu reagieren: „Er bedankte sich für meinen Zuspruch und bat mich um einen Besuch. Ich meldete daraufhin eine Visite bei ihm an.“

„Underdogs“ schon immer nahe gefühlt
Warum? Warum sie, eine Tochter aus gutbürgerlichem Haus? „Weil ich seine Bücher mochte. Weil ich mich schon immer ,Underdogs‘, also sozial Benachteiligten, nahe gefühlt hatte.“ Die erste Begegnung mit Unterweger? „Wir waren zunächst beide verlegen. Aber er schaffte es schnell, zwischen uns eine extreme Vertrautheit zu erzeugen.“ Wie? „Er sprach eher wenig über sich, wollte viel mehr über mich erfahren.“ Er hat Sie also manipuliert? „Ich denke das bis heute nicht. Er war ein Verlorener - und ich wollte ihm helfen, ihm beistehen.“

Wagners weitere „Diagnose“ über „Jack“? „Er war nicht bloß der ,Bad Boy‘, sondern auch ein empathischer Mann.“ Und je enger der Kontakt mit ihm wurde, desto mehr „avancierte“ sie zu seiner „First Lady“: „Er nannte mich seine Kriegsbraut.“

Wir reagierte ihr Umfeld darauf? „Meine Familie verständnisvoll, meine beste Freundin wandte sich von mir ab. Aber ich gewann durch Jack neue Bekannte. Er verband mich mit allen, die zu ihm hielten.“ Ein einziges Mal hätten er und sie sich geküsst, durch Gitterstäbe; nach etwa 180 Treffen, am letzten Tag seines Prozesses: „Ich fühlte mich danach wie in Trance.“

Er hoffte bis zuletzt auf einen Freispruch
Bis zuletzt, so Wagner, hätte Unterweger auf einen Freispruch gehofft, und als sie am Morgen nach der Urteilsverkündung von einer Nonne über seinen Suizid erfuhr, „war ich in einer seelischen Ausnahmesituation“. Verzweifelt, traurig - und wütend. „Ich hatte dem Gericht doch so oft mitgeteilt: Wird er schuldig gesprochen, wird er sich umbringen.“

Ja, Astrid Wagner hat „Jack“ geliebt. Ja, sie war sich dennoch stets bewusst, dass eine Partnerschaft zwischen ihnen im „echten Leben“ vermutlich nicht lange gehalten hätte: „Weil er ein extremer Macho war und ich sehr selbstständig bin.“

Wie sehr hat er ihr Dasein beeinflusst? „Nach seinem Tod entschloss ich mich rasch dazu, Strafverteidigerin zu werden. Und meine Beziehung zu ihm hat mir sicherlich dabei geholfen, Klienten zu bekommen.“ Glaubt Wagner nun, dass Unterweger ein Serienkiller war? „Ich habe bis dato Zweifel daran.“

Viele sahen in ihr nur die „Jack-Geliebte“
Ihre Männer, nach ihm? „Unbrauchbare Typen, die sich mit mir, der ,Jack-Geliebten‘, schmücken wollten. Aber auch großartige Männer - die mein Früher akzeptierten, als einen Teil von mir.“ Unterwegers Leiche wurde verbrannt, Wagner bezahlte die Urnenbestattung, in einem anonymen Grab: „Ein Gedicht von ihm ist in den Stein gemeißelt.“

2019 hat sie ein Buch über „Jack“ geschrieben. Inhalt: Seine letzten Tagebucheintragungen, um deren Veröffentlichung er sie nach einem „angemessenen Zeitraum“ gebeten habe. Einer seiner Anwälte, der sich einst das geistige Eigentum des „Häfenpoeten“ gesichert hatte, verklagte sie deshalb. Bislang mit Erfolg.

„Ich werde den Kampf gegen ihn gewinnen. Weil am Ende doch - immer öfter - die Gerechtigkeit siegt.“

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