Sabine Scheffknecht:

„Es fehlt der Wille und die Durchsetzungskraft“

Vorarlberg
16.01.2022 12:55

Die Bildungspolitik ist den Ländle-NEOS um deren Parteichefin Sabine Scheffknecht seit Jahren ein besonderes Anliegen. Mit der aktuellen Situation ist die Politikerin und zweifache Mutter mehr als unzufrieden.

Krone: Frau Scheffknecht, was erwarten Sie sich vom neuen Bildungsminister?

Sabine Scheffknecht: Wünschen würde ich mir Großes - nämlich eine echte Bildungswende. Ich erwarte mir, dass der Fokus wieder auf den Bedürfnissen der Kinder liegt, die in den vergangenen zwei Jahren viel zu kurz gekommen sind.

Krone: Wie sieht es mit den Zielen aus, die zuletzt von seinem Vorgänger verfolgt wurden?

Scheffknecht: In vielen Bereichen hatte Bildungsminister Heinz Faßmann gute Ideen, war bemüht, hat sich aber am Ende nicht durchgesetzt. Beim jüngsten Lockdown im November hat er dafür gesorgt, dass die Schulen geöffnet bleiben. Vielleicht war genau das mitverantwortlich dafür, dass er nun nicht mehr Bildungsminister ist.

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Gut wäre ein Schulfach Glück, positive Psychologie oder Resilienz.

Sabine SCHEFFKNECHT

Krone: Ihr ehemaliger Bundesparteichef Matthias Stolz war zuletzt Berater von Heinz Faßmann...

Scheffknecht: Es waren viele gute Projekte geplant. Und ich hoffe jetzt, dass sein Nachfolger Martin Polaschek dort anknüpft und wir nicht auf Null zurückfallen.

Krone: Welche Projekte waren denn geplant?

Scheffknecht: Grundsätzlich war ein Ausmisten der Lehrpläne vorgesehen, ein Anpassen an die Digitalisierung. Aber auch positive Psychologie, insbesondere weil der Bedarf an Schulpsychologen enorm gestiegen ist. Deswegen wäre es gut, wenn Kinder so begleitet würden, dass sie gut mit Krisensituationen umgehen können. Gut wäre ein Schulfach Glück, positive Psychologie oder Resilienz.

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Kinder müssen lernen, mit Krisensituationen umzugehen. Es gibt inzwischen Sieben- bis Neunjährige mit Suizidgedanken.

Sabein SCHEFFKNECHT

Krone: Braucht es wirklich ein eigenes Unterrichtsfach Glück?

Scheffknecht: Ja, denn die Zahlen der Suizidgefährdung steigen deutlich. Es gibt inzwischen Sieben- bis Neunjährige mit Suizidgedanken. Durch die Pandemie sind die betroffenen Kinder deutlich jünger und deutlich mehr geworden. Es gibt einen massiven Anstieg bei Essstörungen wie Magersucht und Fettleibigkeit, aber auch bei psychischen Problemen.

Krone: Wie sieht es mit den Bildungszielen im Ländle aus?

Scheffknecht: Die NEOS haben einen Antrag gestellt, dass parteiübergreifend und gemeinsam mit Experten aus dem Bildungsbereich, mit Pädagogen, Eltern und älteren Schülern Ziele definiert werden, wie unser Land wirklich chancenreich für alle Kinder wird. Diese bildungspolitischen Ziele hat man aus den Augen verloren. Seit der Diskussion über die Schule der Zehn- bis 14-Jährigen - und das ist nur eine Gruppe - wurde darüber überhaupt nicht mehr diskutiert. Anschließend müssen neue Ansätze beispielsweise mit Beratern aus dem Innovationsbereich überlegt werden.

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Im Bildungsbereich fehlt es grundsätzlich an Führungskompetenz, aber auch an der Rückendeckung durch den Landeshauptmann.

Sabine SCHEFFKNECHT

Krone: Was ist eigentlich aus Schule der Zehn- bis 14-Jährigengeworden?

Scheffknecht: Der große Ansatz wurde auf Bundesebene verhindert. Dennoch könnte auf Landesebene mehr getan werden. In Hard etwa ist zu sehen, was möglich ist. Dort wurde die Gemeinsame Schule erfolgreich umgesetzt. Eine landesweite Umsetzung scheitert aber daran, dass die Bildungspolitiker im Land zu wenig dahinterstehen. Es sind immer nur Pioniere, die solche Dinge erfolgreich umsetzen.

Krone: Woran liegt das?

Scheffknecht: Im Bildungsbereich fehlt es grundsätzlich an Führungskompetenz, aber auch an der Rückendeckung durch den Landeshauptmann. Man schreibt sich zwar groß „Chancenreichster Lebensraum für Kinder“ auf die Fahnen, aber im Bildungsbereich passiert nichts. Und sollte doch einmal etwas vorwärts gehen, dann nur deshalb, weil einzelne Lehrpersonen, Direktoren oder Privatpersonen engagiert sind.

Sabine Scheffknecht ist durch und durch Pink - vom Scheitel bis sprichwörtlich zur Sohle. (Bild: mathis.studio)
Sabine Scheffknecht ist durch und durch Pink - vom Scheitel bis sprichwörtlich zur Sohle.

Krone: Welche Idee hätten Sie gerne umgesetzt?

Scheffknecht: Das dringlichste Problem ist der Pädagogenmangel. Hier gibt es zahlreiche Vorschläge von uns. Ein kleines Beispiel, was man tun könnte, ist „Teach for Austria“. Da geht es darum, Hochschulabsolventen für eine gewisse Zeit an Schulen zu bringen. Zum einen, weil wir jede zusätzliche Person an den Schulen brauchen, zum anderen, weil die Kinder solche Role Models brauchen. Andere Bundesländer machen das ganz erfolgreich. Bei uns wurde das bis heute noch nicht einmal geprüft.

Krone: Sie scheinen kein Fan von Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink zu sein?

Scheffknecht: Das Problem ist, dass sich die Bildungslandesrätin für vieles nicht verantwortlich fühlt. Aber zu sagen „Ich kümmere mich nicht darum, weil das nicht in meinen direkten Zuständigkeitsbereich fällt“, ist der falsche Weg. Dann muss sie sich zumindest bei den Zuständigen für die Umsetzung stark machen.

2014 zogen die NEOS mit Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht (2.v.r.) erstmals in den Vorarlberger Landtag ein - da gratulierte natürlich auch Parteigründer Matthias Strolz (re.). (Bild: Dietmar Mathis)
2014 zogen die NEOS mit Spitzenkandidatin Sabine Scheffknecht (2.v.r.) erstmals in den Vorarlberger Landtag ein - da gratulierte natürlich auch Parteigründer Matthias Strolz (re.).

Krone: Was würden Sie denn tun, wenn Sie Bildungslandesrätin wären?

Scheffknecht: Ich würde auf die Lehrpersonen zugehen, zuhören, wo die Probleme sind und ihnen Wertschätzung entgegenbringen. Das ist zum einen die finanzielle Wertschätzung - das wird man auch diskutieren müssen - , aber auch die persönliche Wertschätzung für die Arbeit, die jeden Tag geleistet wird. Ich glaube zudem, dass viele gute Projekte im Land am Laufen sind und wir dringend eine Plattform brauchen, diese Positivbeispiele bekannt zu machen.

Krone: Wie sieht es mit der Umsetzung des Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes aus?

Scheffknecht: Das ist seit fast vier Jahren überfällig und immer noch nicht so weit, dass es in Begutachtung gehen kann. Beim Versorgungsauftrag wird wieder ausgewässert. Allein am Gesetzgebungsprozess sieht man, dass die Regierung nicht fähig ist, so etwas umzusetzen. Es fehlt an Willen und Durchsetzungskraft.

Krone: Was hätten Sie denn gerne im Gesetz stehen?

Scheffknecht: Die NEOS plädieren für einen Versorgungsauftrag oder Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr. Natürlich wird es ein Problem sein, das entsprechende Personal zu finden. Deswegen müsste ein Stufenplan verankert werden. Zudem wünschen wir uns interdisziplinäre Teams, aus Freizeit-, Sozial- und Elementarpädagoginnen an allen Kindergärten.

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