Experten skeptisch

Drittel-Lockdown kommt, aber kann das reichen?

Politik
13.11.2021 19:30

Zwei Drittel dürften nicht „ihrer Freiheit verlustig gehen, weil ein Drittel zaudert“, begründet Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) den Lockdown für Ungeimpfte. Experten bezweifeln die Wirkung.

Vor genau einem Jahr machte der „Voll-Lockdown“ leise Hoffnung auf Weihnachten (siehe „Krone“-Titelseite unten). Ein Jahr später dasselbe Bild: Die Neuinfektionen erreichen täglich neue Höchststände, die Intensivstationen sind nur deshalb nicht überfüllt, weil täglich mehr Menschen an Corona sterben. Allein am Samstag waren es 48.

Dramatische Situation auf Intensivstationen
„Die, die heute (auf die Normalstation) kommen, sind in einer Woche zu einem gewissen Prozentsatz bei uns. Und wenn jetzt die Station voll ist, frage ich mich, wo legen wir die, die heute kommen, nächste Woche hin, wenn nicht wieder wer stirbt, der ein Bett freimacht“, beschreibt Karin Engl im Radio-Interview die Situation auf einer Covid-Intensivstation. Und bittet: Die Österreicher sollen sich impfen lassen, auf Experten hören.

Das gilt für jeden Menschen. Umso mehr aber für die Politik. Nachdem der Umgang einiger Politiker mit Wissenschaftern zuletzt alles andere als respektvoll war („Die Virologen wollen alle am liebsten einsperren“ – Landeshauptmann Wilfried Haslauer), fühlte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu einem Appell gedrängt: „Österreich braucht rasches, konsequentes, verfassungskonformes Handeln und klare Entscheidungen – auch wenn diese unbequem sind. Und wir dürfen keine Zeit (mehr) verlieren. Wir müssen faktenbasiert handeln. Wir müssen auf unser Gesundheitspersonal achten. Wir müssen Menschenleben retten.“

Wissenschaftler fordern härtere Maßnahmen
Es sind klare Worte, aufbauend auf einem Papier von 33 Wissenschaftlern (siehe unten). Sie sprechen sich für deutlich härtere Maßnahmen aus, als sie im aktuellen Verordnungsentwurf vorgesehen sind. Nur wenn man flächendeckend Kontakte um 30 Prozent reduziert, könne man Spitäler in kritischen Regionen (Oberösterreich und Salzburg) entlasten. Mit einem – kaum zu kontrollierenden – Lockdown für Ungeimpfte wird das nicht gelingen, mehren sich die Expertenstimmen.

Einen Lockdown für alle hatten Kanzler und Gesundheitsminister bisher ausgeschlossen. Eine Kehrtwende wäre schwierig und unpopulär. Aber: „Es ist die ureigenste Aufgabe von Entscheidungsträgerinnen und -trägern, das Richtige zu tun, auch wenn es vermeintlich unpopulär erscheint“, gibt der Bundespräsident die Richtung vor.

Was die Politik ankündigt ...
Sein Vorgänger Rudolf Anschober scheiterte bei strengeren Maßnahmen am Unwillen der Länder und des Koalitionspartners. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein am eigenen Zögern. Bis auf ein Bundesland haben sich alle für einen bundesweiten Drittel-Lockdown, also jenen für Ungeimpfte, ausgesprochen. Der vorliegende Verordnungsentwurf sieht den auch vor, darüber hinaus nicht viel:

  • Ausgangssperren/Lockdown für Ungeimpfte (ab 12 Jahren): Die größte Maßnahme und die mit den meisten Unklarheiten: Es gelten dieselben Regeln wie bei den letzten Lockdowns, dadurch wird die Kontrolle quasi unmöglich. Beispiel Einkaufszentrum: Der Ungeimpfte darf ins Lebensmittelgeschäft, aber nicht zum Modehändler daneben. Grundsätzlich ausgenommen sind Schwangere und Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können. Sie brauchen ein Attest und einen PCR-Test.
  • 2,5 G am Arbeitsplatz: Wurde Ende Oktober angekündigt, dann aber fallengelassen - weil nicht ausreichend PCR-Testmöglichkeiten gegeben sind. Zeitpunkt der Umsetzung: ungewiss. Im aktuellen Entwurf bleibt das Ministerium bei 3 G, ausgenommen ist die Nachtgastronomie, wo 2 G bzw. 2,5 G in Verbindung mit Maskenpflicht für Betreiber und Mitarbeiter gilt.
  • FFP2-Pflicht: Gilt in allen öffentlichen Innenräumen.
  • Impfpflicht im Gesundheitsbereich: Soll kommen. Wann, wie, für welche Berufe und ob für bestehende oder nur neue Mitarbeiter - dazu gibt es im Verordnungsentwurf keine Details.

... und was die Wissenschaft fordert
„Zurück zur Normalität“ titeln 33 Wissenschaftler, vom Virologen über die Psychologin bis zum Mathematiker, ihren Appell an die Politik. Die Kritik ist wissenschaftlich verpackt, aber hart: „Das Ziel der Pandemiekontrolle (...) muss vor (politischen) Partikularinteressen stehen.“ Ihre Forderungen gehen deutlich über alles, was die Politik aktuell bundesweit plant, hinaus:

  • Aus 2G muss 2GPlus, z.B. bei Veranstaltungen, werden: „Das muss konsequent umgesetzt und kontrolliert werden.“
  • Umfassende FFP2-Pflicht in allen Innenräumen. Abseits davon gibt es von vielen eine Empfehlung, sie auch im Freien bei großen Menschenansammlungen zu tragen.
  • 2,5G am Arbeitsplatz und regelmäßige PCR-Tests auch für Geimpfte.
  • Drei PCR-Tests pro Woche in allen Schulen und Bildungseinrichtungen für alle, die dort lernen, lehren oder arbeiten.
  • PCR-Tests regelmäßig dreimal die Woche von möglichst vielen Menschen.
  • Den Lockdown für alle halten die Wissenschafter nicht wörtlich fest. Sie fordern aber, die Kontakte um 30 Prozent zu reduzieren - so schnell wie möglich.
  • Mehr Erst- und Drittimpfungen müssten mittelfristig das Ziel sein, könnten kurzfristig die Entwicklung aber nicht ausreichend dämpfen.
  • Kinder und Jugendliche müssten besonders geschützt werden, etwa durch umgehende Quarantäne von infizierten Schülern.
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