Emotionales Thema

Reformpläne: Ideen für bessere Job-Vermittlung

Österreich
04.09.2021 06:00

Es ist ein Thema, bei dem die Diskussionen sehr schnell emotional werden: Sind Arbeitslose bei uns mitunter so gut abgesichert, dass der Anreiz, einen Job anzunehmen, zu gering ist? Der Wifo-Experte Helmut Mahringer schlägt statt Änderungen bei der Bezugshöhe und -dauer eine Staffelung bei Beiträgen und eine effizientere Betreuung durch das AMS vor.

Dazu ein paar Fakten: Wer seinen Job verliert und lange genug gearbeitet hat, um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, erhält zunächst 55 Prozent (= Nettoersatzrate) seines letzten Nettobezugs. Das ist im internationalen Vergleich nicht besonders viel, in manchen Ländern kriegt man über 70 Prozent.

Österreich im Vergleich relativ großzügig
Doch wenn man über einen längeren Zeitraum ohne Arbeit ist, zeigt sich Vater Staat in Österreich relativ großzügig. Denn die Notstandshilfe (51 Prozent von netto) ist kaum geringer und wird in der Praxis auf Dauer gewährt, während es z.B. nach zwei Jahren (siehe Grafik) in den meisten OECD-Staaten deutlich weniger oder in einigen gar nichts mehr gibt. Man kann bei uns aber auch auf deutlich mehr als 55 Prozent kommen: Es gibt Familienzuschläge, die Bundesländer gewähren Wohnbeihilfen. Und man darf bis 475 Euro im Monat dazuverdienen, ohne dass die Sozialleistungen gekürzt werden.

Mit einer Reform des Arbeitslosengeldes will die Regierung die Vermittlung beschleunigen und mehr Menschen in Beschäftigung bringen. Erste Ideen gehen z.B. in die Richtung, dass man am Anfang mehr bekommen soll und danach weniger, je länger man ohne Arbeit ist.

Experte glaubt nicht an starke Effekte
Helmut Mahringer, Arbeitsmarktexperte des Wifo, erwartet sich davon aus mehreren Gründen keine starke Senkung der Arbeitslosigkeit: „Das Arbeitslosengeld ist ja kein bedingungsloses Grundeinkommen. Man kann es verlieren, wenn man zumutbare Jobangebote oder Schulungen ablehnt. Studien zeigen, dass verstärkte Drohungen nicht zu mehr Vermittlungen führen. Ein Großteil der Arbeitslosen will zurück in einen vollwertigen Job.“

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Das Arbeitslosengeld ist ja kein bedingungsloses Grundeinkommen. Man kann es verlieren, wenn man zumutbare Jobangebote oder Schulungen ablehnt.

Helmut Mahringer, Wifo

Geld reicht bei vielen nicht zum Leben
Senkungen des Arbeitslosengeldes hätten allenfalls kleine Effekte. Bei vielen Arbeitslosen reicht die Höhe der Versicherungsleistung zum Leben nicht, sie müssen mit anderen Sozialleistungen aufstocken. Eine stufenweise Absenkung würde daher wohl durch höhere Zahlungen aus der Sozialhilfe wieder aufgehoben.

Mehr AMS-Personal, bessere Vermittlung
Interessantes ergab eine ältere Wifo-Studie: Stockt man das Personal auf, sodass ein AMS-Betreuer statt 250 nur noch halb so viele Personen betreut, so zeigen sich zwei Effekte: Eine stärkere Vermittlung und eine stärkere Kontrolle. Zum einen wurden so mehr Menschen in Beschäftigung gebracht, zum anderen haben sich auch einige vom AMS abgemeldet, weil durch intensivere „Betreuung“ ihre Arbeitsbereitschaft besser überprüft werden konnte.

Erhöhung wirkt eher „kontraproduktiv“
Mahringer: „Ich glaube, man sollte nicht nur an einer Schraube drehen, um die Vermittlung zu verbessern.“ Es könnte etwa auch bei Unternehmen angesetzt werden: Firmen, die Arbeitslosigkeit vermeiden, könnten geringere Beiträge zahlen. Jene, die kündigen, um Mitarbeiter beim AMS zu „parken“ (womöglich mit einer Wiedereinstellungszusage), dafür höhere. „Dann steigt der Anreiz, Arbeitskräfte durchgängig zu beschäftigen und das senkt die Arbeitslosigkeit“. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes in den ersten Wochen würde aber hier kontraproduktiv wirken.

Die Möglichkeit, während der Arbeitslosigkeit etwas dazuzuverdienen, wäre prinzipiell positiv, weil man Kontakt zu Betrieben hat. Mahringer: „Doch die in Österreich gültige Geringfügigkeitsgrenze hat das Problem, dass, wenn man nur einen Euro mehr verdient, sofort die volle Sozialversicherung fällig wird und man zudem den Anspruch auf Arbeitslosengeld verliert. Da sollte man sich Alternativen überlegen.“

Manfred Schumi
Manfred Schumi
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