Sicherheit geht vor

Schlierenzauer plagen noch die Bindungs-Ängste

Tirol
04.01.2011 10:52
Die Mini-Revolution bei den Skisprung-Bindungen, ausgelöst durch den Schachzug von Simon Ammann bei den Olympischen Spielen 2010 in Vancouver, sorgt immer noch für Diskussionen, denn diese Änderung hat auch in vielen anderen Bereichen Auswirkungen. Nicht nur positive, denn manche Springer fühlen sich mit den neuen Bindungen unsicher. Gregor Schlierenzauer ist aus diesem Grund sogar zu seinem alten Material zurückgekehrt.

Durch das nun mögliche, flachere Führen der Ski in der Luft spielt die Länge der Latten keine so große Rolle mehr und dies bringt auch die Gewichtsproblematik wieder neu aufs Tableau. Es gibt Tendenzen, dass Springer wieder sehr leicht, vielleicht auch zu leicht werden. Durchaus möglich, dass sich die FIS nach dieser Saison wieder etwas Neues wird einfallen lassen müssen.

Der Teufel liegt wie so oft im Detail. Ein gekrümmter Stab am hinteren Bindungsende von Simon Ammann hat eine neue Form der Aerodynamik ermöglicht, die Konkurrenz hat über den Sommer fleißig experimentiert und dabei wohl auch herausgefunden, dass ein kürzerer Ski für das flache Führen und das Flugsystem gar kein Nachteil mehr ist. Es wird von der FIS zwar anders formuliert, aber vereinfacht gesagt wurde ein zu geringes Gewicht, ein Unterschreiten des Body-Mass-Index, mit einer Verkürzung der Skilänge bestraft. Dieser Nachteil ist nun viel kleiner.

Weite Sprünge mit wenig Anlauf
Die neue Bindung verlangt noch mehr Sensibilität und sie muss wohl auch ein wenig zum Athleten passen. "Ein kleiner Fehler beim Absprung, eine kleine Asymmetrie wirkt sich aus. Wenn das System sofort in Balance ist, kann man mit unglaublich wenig Anlauf unglaublich weit springen, aber ein kleiner 'Schlenkerer' macht sofort sechs bis acht Meter aus", erklärte DSV-Bundestrainer Werner Schuster in Innsbruck. "Wie weit das gefährlich ist, muss jeder für sich selbst entscheiden."

Schlierenzauer springt lieber mit alter Bindung
Entschieden hat sich vorläufig einmal Gregor Schlierenzauer. Er ist zu seiner alten Bindung zurückgekehrt, seit Ende Dezember springt der Tiroler mit altem Material. "Er war mit der Verbindung zum Ski nie richtig glücklich, irgendwann ist durch die Verletzung die Zeit zu kurz geworden. Daher hat er sich entschlossen, zu dem Material zurückzukehren, mit dem er 32 Weltcupsiege gefeiert hat. Um mit möglichst viel Sicherheit wieder an den Start gehen zu können", erklärte ÖSV-Cheftrainer Alexander Pointner.

Spitzenathleten suchen nach einem gewissen Gefühl, probieren viel aus. Schlierenzauer, so Pointner, habe einfach mehr Vertrauen und Sicherheit mit der alten Bindung. Kalkulierbare Risiken oder ein Entlangwandern an der Grenze des Machbaren? DSV-Bundestrainer Schuster sieht es bei den Tournee-Schanzen als kalkulierbar. "Aufpassen muss man beim Skifliegen: Wir hatten viele Bewerbe, bei denen nie einer gestürzt ist. Mit diesen sensiblen Systemen dürfen keine großen Windunterschiede sein, das würde unserem Sport nicht guttun."

Sprünge nun näher am Limit
Gefahr sieht der Vorarlberger in deutschen Diensten weniger für die Exoten, wie vielfach befürchtet wird. "Es ist viel schwieriger, das Ganze am Limit zu bewegen. Die Top-Springer bewegen sich mehr am Limit, deswegen ist es mehr für die gefährlich als für die Schwächeren." Bei einem Matti Hautamäki beispielsweise sehe man, dass dieser nun "auf einmal ein bisschen schief rauskommt". Der Finne galt als einer, der immer extrem gerade abgesprungen war.

Schuster wollte die Gewichtsproblematik nicht weiter kommentieren. Er verwies darauf, dass mit Morgenstern die Athletik die Vertreter der reinen Aerodynamik, also das Gewichtmachen, schlägt. Sein Pendant bei den Österreichern war da gesprächiger: "Natürlich tritt sie wieder auf, aber in einem umgekehrten Zusammenhang. Früher nahm man kürzere Ski in Kauf, damit man leichter sein konnte." Jetzt, durch die flachere Skiführung, nehme man kürzere Ski. "Dann denkt mancher, da könnte ich dann leichter auch noch sein."

Magersucht-Diskussion flammt wieder auf
Klar gefragt: Ist die Gefahr, dass sich der Skisprungzirkus wieder mit dem Thema Magersucht beschäftigen muss, gestiegen? "Die Gefahr ist jetzt wieder wesentlich größer", gesteht Pointner. Derzeit mache er sich weniger darüber Gedanken, weil auch die Zeit fehle und es ihm auch nicht zustehe. "Eher fällt es im Sommer auf, weil man die Springer öfters oberkörperfrei sieht. Da hat man schon gesehen, dass diese Tendenz eventuell da sein könnte." Pointner ist aber überzeugt, dass die FIS alle immer wieder gemessenen Daten, wie Länge der Ski und Gewicht, analysieren wird und nötigenfalls Konsequenzen ziehen wird.

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