Bergkrone-Interview

Naturschützer: Klimawandel verändert die Berge!

Kärnten
30.03.2021 09:30

Nirgendwo ist der Klimawandel so spürbar wie in den Bergen. Ein „Bergkrone“-Interview mit dem leidenschaftlichen Naturschützer Klaus Krainer von der Arge NATURSCHUTZ: „Wir müssen achtsamer sein!“

Herr Krainer, als Biologe haben Sie vor 28 Jahren die Arge Naturschutz gegründet und sind seither viel in unserer Natur unterwegs. Wie haben sich die Berge in den vergangenen Jahrzehnten verändert?
„Egal wie man zum Klimawandel steht, es ist wärmer geworden. Auch die Niederschläge sowie deren Intensität nehmen zu. Bei Bergwiesen stellen wir fest, dass die Vegetationsperiode sich verlängert hat, mehr Nährstoffe kommen in den Boden und Kräuter und Orchideen verschwinden, weil diese nährstoffarme Böden brauchen.“

Hat das Auswirkungen auf die Tierwelt unserer Berge?
„Man spricht bereits von einem Insektensterben. Auf den Wiesen findet man viel weniger Schmetterlinge und wenn, dann sind es nur die Allerweltsarten, wie Weißlinge. Spezialisten, wie der Segelfalter oder der Schwalbenschwanz, sind selten geworden, weil deren Raupen auf einzelne Futterpflanzen spezialisiert sind. Ist die Futterpflanze weg, dann verschwindet auch das dazugehörige Insekt.“

Gibt es Möglichkeiten, um die Vielfalt der Alm- und Bergwiesen für die Zukunft erhalten zu können, denn die Schönheit der Berge ist es ja, die immer mehr Wanderer und Naturgenießer in die Höhe zieht?
„Natürlich gibt es Möglichkeiten. Landwirte und Grundeigentümer sind gefordert, denn erst durch Mahd und Beweidung entsteht die Artenvielfalt und manche Bergwiesen gehören inzwischen zweimal pro Jahr gemäht. Doch das ist aufwändig und nicht wirtschaftlich. Es wird sicherlich Unterstützungsprogramme brauchen, um diesen Mehraufwand abzugelten. Zusätzlich kann jeder einen Beitrag leisten, indem man Rücksicht auf Natur und die Bewirtschaftung nimmt.“

Wie sieht die Ist-Situation in den höheren Regionen der Berge aus, also über 2000 Meter?
„Durch die Erwärmung steigt die Vegetationsgrenze. In den Gurktaler Alpen fand ich kleine Lärchen auf Gipfeln in 2300 Metern Höhe. Vor Jahren lag die Baumgrenze noch bei 1800 Metern. Pflanzen wie der Gletscherhahnenfuß benötigen aber die rauen, alpinen Bedingungen. Verschwinden diese, verschwindet auch die Pflanze. Schneehasen oder Schneehühner sind nicht mehr getarnt, wenn im Frühjahr der Schnee früher schmilzt. Nur der Adler wird sich über leichte Beute freuen.“

Konflikte in den Bergen sind vorprogrammiert, gilt es doch die Natur zu schützen, während immer mehr Menschen dort Erholung suchen.„Wird es wärmer, suchen immer mehr Menschen Abkühlung in den Bergen. Das führt zu negativen Begleiterscheinungen, denn niemand will auf den Luxus verzichten, wie man es bereits bei den vielen Almdörfern sieht - mit Wellness, Pool und mehr. Der Naturpark Dobratsch ist für mich das beste Negativ-Beispiel, wo sich schon jetzt an schönen Wochenenden mehr Menschen aufhalten, als dieser hochsensible Lebensraum überhaupt verträgt. So findet man gemessen an den Menschenmassen viel zu wenige WC-Anlagen auf dem karstigen Villacher Hausberg.“

Was gibt es für Lösungsansätze, sind Betretungsverbote oder Besucherbeschränkungen für Berge eine Möglichkeit?
„Verbote sind keine Lösung, denn der Mensch will in die Natur, weil man dort das Gefühl der Freiheit erlebt. Doch die Natur, deren Bewohner und Bewirtschafter sind zu respektieren. Und warum nicht etwas dafür bezahlen? Mautstraßen in die Berge wären eine Lösung.“

Also eigene Erlebniszonen in den Bergen schaffen?
„Genau. Skigebiete sollen deshalb ihr Ganzjahresangebot ausbauen, hier ist Infrastruktur bereits vorhanden und aus naturschutzfachlicher Sicht ist in Skigebieten ohnehin vieles kaputt. Gebiete wie Nassfeld, Katschberg, Bad Kleinkirchheim, Gerlitzen oder auch Heiligenblut sind ideal, um die Besucherströme zu lenken. Dafür sollte es aber Regionen geben, wo die Natur auch Natur sein kann.“

Was kann jeder beitragen, um die Berge zu schützen?
„Wir müssen noch viel achtsamer mit unserer Natur umgehen. Schon jetzt wehrt diese sich in Form von Extremwetter-Ereignissen. Inwieweit sich das Ganze noch normalisiert, wissen wir nicht. Die Berge sind aber gefährlicher geworden; Steinschläge nehmen zu. Im Naturschutz suchen wir innovative Lösungen, doch dafür brauchen wir die Zusammenarbeit mit Landwirten und Grundeigentümern, die bereit sind, Neues auszuprobieren, um auf den Klimawandel zu reagieren.“

Danke für das Interview.

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