24.03.2021 12:35 |

AK mit erster Bilanz

Hygiene Austria: Scheinfirmen und Unterentlohnung

Nach Bekanntwerden des Etikettenschwindels beim Maskenproduzenten Hygiene Austria haben sich zahlreiche ehemalige Leiharbeiter bei der Arbeiterkammer gemeldet und fehlende Lohnzahlungen geltend gemacht. Anonym in Medien auftretende ehemalige Mitarbeiter warfen der Hygiene Austria auch mangelnde Sauberkeit in der Produktion und vertuschte Arbeitsunfälle vor. Während das Joint Venture von Lenzing und Palmers weiterhin darauf beharrt, dass seine Tätigkeit rechtmäßig gewesen sei, zieht die AK Wien eine gänzlich andere Bilanz aus den bisherigen Beratungsgesprächen und Untersuchungen.

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„Es gab keine Schwarzarbeit, es gab niemals unzumutbare Arbeitsbedingungen, alle von Hygiene Austria ausgelieferten Masken haben bestätigte und dokumentierte Top-Qualität. Es gibt keine unrechtmäßigen Finanztransaktionen, es gab niemals den Versuch einer Bereicherung oder Umgehung“, betonte die Hygiene-Austria-Geschäftsführung am Montag.

Zahl der Betroffenen „wird täglich mehr“
Dem hielt Andrea Ebner-Pfeifer, Arbeitsrechtsexpertin der AK Wien, in einer Pressekonferenz am Mittwoch entgegen: „Selbst die auf den offiziellen Lohnzetteln angeführten Auszahlungen liegen unter dem geltenden Kollektivvertrag.“ Bisher haben sich laut Ebner-Pfeifer 71 ehemalige Mitarbeiter gemeldet. „Es kommen täglich neue Fälle dazu.“ Die ehemaligen Arbeiternehmer klagten allesamt über fehlende Lohnauszahlungen. In vielen Fällen sei lediglich das Grundentgelt bezahlt worden. Es würden allerlei Zulagen fehlen.

Als Beispiel zog Ebner-Pfeifer einen Fall hervor, in dem rund 11.000 Euro an Lohn ausständig seien. „Das ist einer von vielen“, meinte die Arbeitsrechtsexpertin. Die ganze Größenordnung lasse sich aber noch nicht abschätzen. Man brauche hier noch „ein bis zwei Wochen“, um den Gesamtschaden beziffern zu können. Diese wird aber auf mehrere Hunderttausend Euro geschätzt.

In machen Fällen habe es fehlerhafte Angaben bei der österreichischen Gebietskrankenkassa gegeben. „Es waren Fälle dabei, da wurden Arbeitnehmer gar nicht gemeldet.“ In anderen Fällen seien Leute geringfügig gemeldet oder seien als Teilzeitbeschäftigte geführt worden, die aber viel mehr gearbeitet hätten.

Subfirmen beauftragten Subfirmen
Die Arbeit bei Hygiene Austria „ist in einer Weise organisiert worden, die uns an Praktiken erinnert hat, die wir sonst nur aus gewissen Bereichen der Bauwirtschaft kennen“, resümierte AK-Wien-Direktor Christoph Klein. Es würden Leiharbeitsfirmen beauftragt, die selbst wieder Subunternehmen beauftragen, bis zum Schluss „zweifelhafte Firmen zum Zug kommen, die dann die gewünschte billige Arbeitskraft zur Verfügung stellen“. Entlohnt werde dann oft unter dem Kollektivvertrag, teilweise würden die Arbeitnehmer ohne Anmeldung zur Sozialversicherung beschäftigt oder es würden keine Steuern und Abgaben bezahlt.

„Solche Praktiken dürfen sich in Österreich nicht ausbreiten, die Arbeiterkammer fordert den Gesetzgeber auf, schnell die Lücken in der Bekämpfung von Schwarzarbeit und Lohndumping zu schließen“, forderte der AK-Wien-Direktor den Gesetzgeber auf, hier einzuschreiten. Denn es gelte, „moderne Sklaverei“ zu verhindern. Vor allem zwei „Schutzwälle“ seien hier in den letzten Jahren unter Druck geraten: das Kumulationsprinzip, das vorsieht, dass verhängte Strafen mit der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer multipliziert werden, und das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz.

Nach einem EuGH-Urteil, der eine entsprechende Strafe aufgehoben habe, würden solche Delikte in Österreich nicht mehr nach dem Kumulationsprinzip bestraft. Das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, das die faire Entlohnung entsprechend der Branche vorsieht, in der die Zeitarbeiter eingesetzt werden, werde oft durch Werkverträge umgangen.

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