As The Love Continues

Mogwai: In der Krise ist Platz für die Dur-Akkorde

Musik
16.02.2021 06:00

Als Band, die gerne live und gemeinsam spielt, ist die Corona-Pandemie für die schottischen Instrumentalfetischisten Mogwai ein Graus. Stuart Braithwaite, Barry Burns und Co. haben aber das Beste daraus gemacht - und das ergibt ein weiteres hochklassiges Album.

(Bild: kmm)

„Zum Mülleimer, mein Freund, heute verlassen wir die Erde.“ Mit diesen ominösen Worten ihres Freundes Benjamin Power beginnen die schottischen Postrocker Mogwai ihr neues, mittlerweile zehntes Studioalbum „As The Love Continues“, das am Freitag erscheint. „Er redet im Schlaf, und das war ein Satz, der uns gut gefallen hat“, lacht Gitarrist Barry Burns darüber. Eine tiefere Bedeutung? Gibt es nicht. Aber ein bisschen Eskapismus kann in Coronazeiten so oder so nicht schaden.

Genauigkeit nachgeschärft
In dieser Hinsicht haben Mogwai auch mehr als 25 Jahre nach ihrer Gründung in Glasgow abgeliefert. Die elf Stücke der neuen Platte bieten mächtige Gitarrenwände, fragile Melodiebögen, atmosphärische Synthesizer und nur minimal eingesetzten, dafür stark verfremdeten Gesang. Alles wie gehabt also im Hause Mogwai, oder? „Wir haben schon früher nicht gemeinsam unsere Songs geschrieben, sondern jeder für sich an den Ideen gefeilt“, erzählt Burns im APA-Interview. „Mittlerweile sind wir da aber viel genauer geworden.“

Der bärtige Musiker ist jener des Quartetts, der sich am weitesten von der gemeinsamen Heimat entfernt hat, lebt er doch mittlerweile in Berlin. „Wenn wir uns jetzt treffen, dann können wir eigentlich sofort mit den Proben und Aufnahmen beginnen. Früher sind wir in einen Raum gekommen und haben erstmal über Fußball und Glasgow gequatscht. Irgendwann hat dann einer zu seinem Instrument gegriffen und los gelegt. Es gab keinen offiziellen Anfang, könnte man sagen. Das war schon sehr eigenwillig, und irgendwie vermisse ich das auch.“

Musik statt Fußball
Nun sei die Arbeit aber „ökonomischer“ geworden, glaubt Burns. „Wir vergeuden einfach keine Zeit mehr, es gibt viel weniger Blödsinn, und wir reden nicht immer nur über Celtic Glasgow (die favorisierte Fußballmannschaft der Gruppe, Anm.).“ Kurz überlegt Burns und schiebt dann nach: „Und weil ich nicht so ein großer Fußballfan wie die anderen bin, stört mich das auch nicht sonderlich.“ Hört man das herzhafte Lachen des Multiinstrumentalisten, so kann man sich die lockere Atmosphäre im Studio ganz gut ausmalen.

Über die Jahre haben sich Mogwai gewandelt, von der strikt auf das Leise-laut-Schema abzielenden Formation hin zu einer nuancierteren Herangehensweise. Mit ein Grund dafür sind sicherlich die vielen Soundtrackarbeiten, die die Band gerade in den vergangenen Jahren vorgelegt hat. „Klar hat sich unser Sound dadurch verändert“, stimmt Burns zu. „Das hat uns zwar viel Arbeit gekostet, aber auch sehr gut getan. Außerdem haben uns die Regisseure und Produzenten meist sehr freie Hand gelassen, außer eine bestimmte Szene hat nach einem ganz bestimmten Klang verlangt.“

Nostalgie ohne Wehmut
Der cineastische Touch, er ist auch auf „As The Love Continues“ spürbar, etwa im dicht gewobenem Arrangement von „Dry Fantasy“. An anderer Stelle ist es die ungezügelte Lust am Lärm früherer Tage, die durchbricht - allen voran dem knackigen „Ceiling Granny“, dessen herrlich verzerrter Gitarrensound an die 90er-Jahre erinnert. Da wie dort sind Mogwai nun zuhause, malen aufwendige Bilder oder pfeffern mal eben ein paar grobe Striche auf die Leinwand. Ihre eigene Handschrift ist aber so oder so stets zu erkennen.

Arbeit steckt aber immer dahinter. „Oft klingt eine Songidee oder ein Demo nach nicht viel. Erst wenn du dich an die Aufnahmen sowie den Mix und das Mastering machst, tritt sukzessive mehr zutage“, erzählt Burns. „Dann entsteht oft etwas großartiges. Aber klar, auch der andere Weg ist möglich. Dass du zuerst total überzeugt bist, aber je länger du daran werkst, umso weiter entfernst du dich davon - aus welchem Grund auch immer.“ Die Gruppe, komplettiert von Stuart Braithwaite (Gitarre), Dominic Aitchison (Bass) und Martin Bulloch (Schlagzeug), sei aber stets offen. „Ein definitives Nein zu einer Idee gibt es eigentlich nie. Wir haben schließlich ja die Möglichkeit, solche Dinge dann anderweitig zu verwerten“, grinst Burns. Recycling für die Soundtracks also? „Na ja, man hat ja auch nicht unendlich viele Ideen.“

Neue Arbeitsprozesse
Aufgenommen haben Mogwai die neuen Songs in einem Studio in England während der Coronapandemie. Produzent Dave Fridman war aus den USA via Video zugeschaltet. „Anfangs fühlte sich das schon komisch an“, gibt Burns zu. „Aber er hat alles in Echtzeit gehört und uns seinen Input gegeben. Nach zwei Tagen hast du nicht mehr darüber nachgedacht.“ Eine Idealsituation sehe allerdings anders aus. „Die Technologie ist schon toll. Aber noch mal müsste ich es nicht unbedingt machen.“

Hatte Corona sonst einen Einfluss auf die Stücke? „Das Album klingt wahrscheinlich positiver als viele unserer Arbeiten“, schmunzelt Burns. „Wenn es schlecht läuft, holt man aus irgendeinem Grund die Dur-Akkorde raus. Ich weiß auch nicht warum. Aber ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob die Pandemie einen Einfluss hatte. Das kann man nur schwer beurteilen, weil es zu abstrakt ist. Wir haben vielleicht mehr Zeit im Studio verbracht als sonst. Das war wohl der größte Unterschied.“

Brexit als Katastrophe
Was Mogwai hingegen definitiv spüren werden, sind die Auswirkungen des Brexit. Denn die britische Regierung hat es bis dato nicht geschafft, eine brauchbare Regelung für Tourneen einzuführen. „Es ist offensichtlich, was für ein Desaster die ganze Angelegenheit ist und wie ahnungslos sie eigentlich sind“, findet Burns klare Worte. „Jeden Tag geht etwas anderes schief. Wenn du aktuell eine Tournee organisieren würdest, siehst du dich enormen Hürden gegenüber. Wir werden das schon irgendwie schaffen, aber für junge Bands ist es eine Katastrophe.“

Bis das Konzertgeschehen wieder richtig anläuft, dürfte aber ohnehin noch einige Zeit vergehen. „Ich glaube nicht, dass wir vor dem vierten Quartal viel spielen werden“, wagt Burns einen Ausblick. „Der Großteil wird sich auf 2022 verlagern. Wir alle müssen das einfach auf uns zukommen lassen.“ Die Vorfreude ist jedenfalls da. „Ich mag meinen Job wirklich, alle Aspekte davon. Aber die Konzerte sind der beste Teil.“

 Wien Krone
Wien Krone
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele