Grazer vor Gericht

Betrugs-Prozess um “Luftschlösser” im Irak

Österreich
01.09.2010 16:50
In Graz hat am Mittwoch der für mehrere Wochen angesetzte Prozess gegen einen 46-jährigen Geschäftsmann aus der steirischen Hauptstadt begonnen. Der Unternehmer soll mehrere Investoren für Bauprojekte im Nordirak angelockt haben, die sich am Ende - laut einem Geschädigten - als "Luftschlösser" entpuppten. Die Verteidiger des 46-Jährigen entgegnet, dass die Vorhaben noch Zeit gebraucht hätten, um Gewinne abzuwerfen.

Der gebürtige Grazer soll die Bauprojekte - darunter eine Eisenbahnstrecke und ein Flughafen-Umbau - mit seiner Firma "Sunshine Invest SE" (kurz: SISE) bei mehreren Investoren lanciert haben, die dann auch an Bord kletterten. Die Schadenssumme beziffert der Staatsanwalt mit 1,5 Millionen Euro. Die Anklage wirft dem Investmentmanager zusätzlich noch Urkundenfälschung, falsche Beweisaussage und Fälschung von Beweismitteln vor. 

Ins Rollen kam der Gerichtsfall durch den Aufsichtsrat der SISE, den Grazer Bauunternehmer und früheren ÖVP-Gemeinderat und Vizepräsident der Wirtschaftskammer Steiermark, Dieter Eigner, der selbst ein Opfer geworden sein soll. Er bemerkte nach eigenen Angaben, dass es sich bei den ganzen Vorhaben des 46-Jährigen nur um "Luftschlösser" handelte und erstattete Anzeige. Daraufhin wurde der Verdächtige am 24. November 2009 verhaftet.

Schuldenberg vor Investoren verschwiegen
Staatsanwalt Heinrich Bubna-Litic bereitete die Schöffen in seinem Anfangs-Plädoyer auf ein "langes und kompliziertes Verfahren" vor, das bis Mitte November angesetzt ist. Aus der 147 Seiten umfassenden Anklage gehe hervor, dass der Beschuldigte zwar unbescholten ist, doch bereits 1996 "Schiffbruch" mit seiner geerbten Spedition erlitten hatte und die Schulden von mehr als 500.000 Euro "wie einen Rucksack" bis heute mitschleppt, meinte der Staatsanwalt. Über diesen Umstand habe der 46-Jährige seine Geschäftspartner jedoch nicht aufgeklärt und sich stattdessen als seriöser Unternehmensberater ausgegeben. 

Er habe es verstanden, seine Partner mit seinem "Scheingehabe" zu täuschen. "Der Angeklagte ist ja durchaus intelligent, eloquent, freundlich und gut angezogen. Aber das Gesicht ändert sich bei Betrachtung der Zahlen: Alle Firmen, bei denen er was zu sagen hatte, haben keine Gewinne erwirtschaftet und sind nun pleite," führte der Staatsanwalt an. Mit Prognosen und einem Geflecht aus Firmen mit denen er zum Teil durch "Strohmänner" gewirkt hatte, lukrierte der Angeklagte Gelder für Projekte wie etwa "Fort Knox", das ein eigener Stadtteil im Irak werden sollte. "Er werkte wie eine Spinne, die ihre Opfer mit dem Netz einfing, einwickelte, aussaugte und dann ausspuckte," so Bubna-Litic.

Verteidiger: Geschäftsmann "wurde ganz übel mitgespielt"
Auch Verteidiger Gerald Ruhri richtete sich an die Schöffen und sparte nicht mit Kritik am Ermittlungsverfahren des Staatsanwalts: "Ich habe in mehr als 20 Jahren als Rechtsanwalt noch nie eine so schlecht ermittelte Anklage gehört." Sie sei "tendenziös" und man habe dem Angeklagten, der seit November 2009 in U-Haft sitzt, nicht ausreichend die Möglichkeit gegeben, zu den genannten Anschuldigungen Stellung zu nehmen.

Ruhri meinte, dass dem 46-jährigen Beschuldigten "ganz übel mitgespielt wurde", denn erst nach einem Zerwürfnis mit Dieter Eigner - eines der vermutlichen Opfer - hätten "plötzlich dubiose Dinge begonnen". Das Projekt "Fort Knox" sei nicht wegen fehlender Investoren gestorben, die der Beschuldigte auftreiben hätte sollen, sondern weil sich Grundstücks-Eigentümer an Ort und Stelle quergelegt hätten, so Ruhri. 

Auch sei die Sunshine Invest SE keine Scheinfirma gewesen: "Jede Medaille hat zwei Seiten." Die laufenden Projekte hätten noch etwas Zeit gebraucht, um letztlich Gewinne abzuwerfen. Nur durch die Inhaftierung seines Mandaten hätten sich die Vorhaben verlaufen. Betrug könne man laut Verteidiger dem 46-Jährigen nicht vorwerfen, denn die Geschäftspartner des Beschuldigten seien "Insider" gewesen und hätten gewusst, dass es sich um keine Staatsanleihen, sondern um eine Investition mit gewissen Risiken gehandelt habe. 

Grazer fühlt sich in keinem Anklagepunkt schuldig
Am Ende des ersten Verhandlungstages meinte der Angeklagte noch mit seinen eigenen Worten, dass er sich in keinem einzigen Anklagepunkt schuldig fühle und bisher nicht die Möglichkeit gekommen hätte, die Vorwürfe zu entkräften. "Geben Sie mir die Gelegenheit, zu jedem Punkt Stellung zu nehmen. Ich weiß, was ich geleistet habe." Der Prozess wird am Donnerstag mit der Befragung des Angeklagten fortgesetzt.

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