Ansturm auf EMS-Test

Aufnahmetest für Medizin: fast 2.000 Bewerber in Tirol

Tirol
09.07.2010 16:28
Eine Gebühr für die Teilnahme am Test und ein neues Auswahlverfahren – das sind nur zwei Änderungen, die die Medizin-Uni andenkt. Eines wird bleiben: Wer Arzt werden will, wird auf Herz und Nieren geprüft. 1.974 junge Frauen und Männer - verteilt auf zwei Messehallen und die Olympia World - sitzen mit konzentriertem Blick an ihren Tischen. Die Abstände sind genau vermessen, Handys und Computer wurden vor der Tür abgenommen.

Gescherzt wird in den Minuten vor dem Beginn des sogenannten EMS-Test nicht mehr. Das in der Schweiz entwickelte Auswahlverfahren für das Medizin-Studium verlangt den Bewerbern alles ab. Fast sechs Stunden dauert der Test, da bleibt keine Energie für Späße.

400 Studienplätze hat Innsbruck zu vergeben. Auch heuer kommt der Großteil der Interessenten aus Deutschland (65 Prozent). Die Zahl der österreichischen Bewerber hat abgenommen, von 771 auf 732. "Wir waren erstaunt und haben Ursachenforschung betrieben. Geburtenschwächere Jahrgänge sind ein Grund für die Entwicklung. Andererseits wird an den Unis ein Trend hin zu weniger überlaufenen Studien beobachtet", liefert der Vize-Rektor der Med-Uni, Prof. Norbert Mutz, zwei Erklärungen.

75 Prozent der Plätze sind für Bewerber mit österreichischer Matura reserviert. Jahrelang war ungewiss, ob die EU diese Österreicher-Quote billigt. Der Europäische Gerichtshof hat sie aber jetzt für gut befunden.

707 Bewerber tauchten einfach nicht auf
Was die Medizin-Uni seit Einführung des EMS-Test im Jahr 2006 beschäftigt, ist die hohe Zahl an Bewerbern, die nicht zum Test erscheinen. Von den 2.681 Angemeldeten tauchten am Freitag 707 einfach nicht auf. 400.000 Euro kostete der Uni die Durchführung – knapp 150 Euro pro Bewerber. Da werden private Sicherheitskräfte für die Zugangskontrollen engagiert, da müssen Rettungsdienste parat stehen, hat gilt es riesige Hallen zu mieten. "In Zeiten des ständigen Spardrucks werden wir um Testgebühren nicht herumkommen", spricht es Mutz offen aus. Er denkt etwa an das Modell deutscher Bundesländer, die pro Angemeldetem 50 Euro einheben.

Anonymer Test für die soziale Kompetenz
"Der EMS-Test ist nicht das Gelbe vom Ei", spricht Mutz ein weiteres Problem an. Eingeführt wurde er, um den Ansturm deutscher Studenten Herr zu werden. Rasch wurden Zweifel an der Treffsicherheit laut. Auffallend viele Mädchen fielen durch. "Das ist nur in Österreich so und hat mit der naturwissenschaftlichen Ausbildung in den Schulen zu tun. Bei uns werden Mädchen im Gegensatz zu Deutschland oder der Schweiz in diesen Fächern weniger gefördert", so Mutz. Der EMS-Test misst Merkfähigkeit, räumliche Vorstellungskraft, naturwissenschaftliches Grundverständnis, Belastbarkeit. Er ist so konzipiert, dass ihn nur ein Genie vollständig ausfüllen kann. Bei der für Ärzten so wichtigen sozialen Kompetenz stößt der EMS-Test an seine Grenzen. Mutz: "Wir planen als Voraussetzung fürs Studium ein Praktikum im Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung. So können wir auch diese Kriterien besser beurteilen." Einen ersten Schritt hat Innsbruck schon getan und bietet Studienanfängern seit heuer einen anonymen Test, der ihre soziale Kompetenz überprüfen kann. "50 Prozent der Studienanfänger haben den Test bereits genutzt", weiß Prof. Wolfgang Prodinger, Vorsitzender der Studienkommission.

Ausbildung der Piloten gilt als Vorbild
Mit großem Interesse verfolgen die Verantwortlichen an den Medizin-Universitäten die Ausbildung von Piloten. Auch sie müssen sich harten Ausleseverfahren unterziehen. Auch sie haben große Verantwortung und müssen in Krisensituationen kühlen Kopf bewahren. Mutz: "Die Piloten-Tests wären auch für das Fach Medizin gut geeignet. Sie sind allerdings viel zu teuer für uns." Also wird der EMS-Test den heimischen Universitäten wohl noch länger erhalten bleiben.

Weniger Ausfälle seit es den EMS-Test gibt
Eine sehr positive Entwicklung hat der EMS-Test aber trotz aller Kritik gebracht. Seit Einführung gibt es deutlich weniger Ausfälle bei den Medizin-Studenten. Bis zu 50 Prozent warfen früher in den ersten beiden Jahren das Handtuch. Jetzt sind es deutlich weniger. Zudem wurde die durchschnittliche Studiendauer um zwei Jahre verkürzt.

Bis Anfang August müssen sich die am Freitag angetretenen Kandidaten gedulden. Dann erst erfahren sie, ob sie einen der begehrten Studienplätze bekommen. Der EMS-Test muss zuerst versiegelt in die Schweiz gebracht werden. Dort wird er ausgewertet. Die Zukunft tausender junger Menschen hängt von ihm ab.

von Claudia Thurner, Tiroler Krone

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