Felsbrocken gesprengt

Muren und Felsstürze: Wetter setzt Bergen zu

Tirol
31.07.2019 08:00
Ein Felsbrocken in der Größe eines Kleinwagens donnerte am Samstag beinahe auf die Brandenbergstraße im Unterland – ein Netz fing den Koloss auf und verhinderte Schlimmeres. Die Spreng- und Aufräumarbeiten dauerten knapp drei Tage. Und die Einsätze werden immer mehr, wie Sprengmeister Anton Schell schildert.

Begutachten, einschätzen, sprengen: Lösen sich in Tirol Gesteinsbrocken aus Felswänden, ist Sprengmeister Anton Schell (Firma Felbermayr) meistens vor Ort. Seit 30 Jahren arbeitet der Mann in jenen Bereichen, die aus Sicherheitsgründen für die Öffentlichkeit gesperrt sind.

Sein jüngster Einsatz: Die Brandenbergstraße im Unterland. Dort löste sich am Samstag ein Brocken „in der Größe eines Kleinwagens“, wie Schell erklärt. Die Abbruchstelle wurde begutachtet, die Situation eingeschätzt – „dann sind wir hochgekraxelt und haben den Koloss gesprengt.“ Zehn Löcher zwischen 80 und 160 Zentimeter wurden dafür gebohrt und zehn Kilogramm Sprengstoff angebracht. Das Netz wurde geöffnet, die gesprengten Blöcke aufgeräumt, ein neues Netz wieder angebracht.

Einsätze werden immer häufiger
„Solche Einsätze werden immer mehr“, sagt Schell. Besonders in den vergangenen zwei Jahren bemerkte er einen Anstieg. „Sowohl in der Häufigkeit, als auch der Größenordnung“, sagt der Sprengmeister. Verantwortlich macht er die extremen Wetterverhältnisse: „Große Hitze, Starkregen, Schnee und Frost.“

Hitzewelle und viele Unwetter im Juli
Tatsächlich war der Juli von tropischen Temperaturen und gegen Ende des Monats von vielen Unwettern geprägt. Am 24. Juli wurden in Innsbruck 36,7 Grad Celsius gemessen – die Hitze entlud sich in heftigen Gewittern, „dabei kam es lokal zu enormen Regenmengen“, wie die Ubimet bilanziert. Durch den Starkregen kam es, wie berichtet, vor allem im Unterland zu zahlreichen Überschwemmungen.

Manches vergesse man nie
Vier bis sechs Mann sind gut drei bis vier Tage im Einsatz, um solche Gesteinsmengen wie über der Brandenbergstraße zu entsorgen. „Hinzu kommen die Mitarbeiter der Straßenmeisterei, die für Aufräumarbeiten und Verkehrssicherung zuständig sind“, erklärt Schell. Manche der Einsätze bleiben dabei besonders in Erinnerung, wie etwa jener Horrorunfall im Alpbachtal im Mai, als ein fahrender Pkw von einem Felsbrocken zermalmt wurde und die Lenkerin starb. „So was vergisst man nie“, sagt Schell.

Muren kann man nicht voraussagen, deshalb wird so viel wie möglich unternommen, um im Vorfeld für größtmögliche Sicherheit zu sorgen. Etwa beim „Frühjahrsputz“, wo das lose Gestein von den Felsen geräumt und Sicherheitsnetze angebracht und erneuert werden. Die Brandenbergstraße wurde am Dienstag wieder für den Verkehr freigegeben.

„Eine Mure lässt sich nicht vorhersagen“
Landesgeologe Werner Thöny über die Muren der vergangenen Tage und die Aussichten für den restlichen Sommer.

Herr Thöny, man hat den Eindruck, dass es mittlerweile kein Sommergewitter mehr ohne ein Murenereignis gibt. Stimmt diese Einschätzung?
Grundsätzlich gilt, dass mit der Heftigkeit von Gewittern die Gefahr von Muren steigt. Man muss aber sehen, dass sich in Tirol Siedlungsraum und Straßennetz ausdehnen. Früher bekam es niemand mit, wenn irgendwo am Talschluss eine Mure abgegangen ist. Heute ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Weg betroffen ist. Das trägt zur Wahrnehmung bei, dass sich Murenereignisse häufen.

Gibt es also nicht mehr Ereignisse als früher?
Laut unserer Wahrnehmung nicht unbedingt. Aber die Intensität nimmt zum Teil zu. Und - wie gesagt - die Gefahr, dass eine Straße oder eine andere Infrastruktureinrichtung betroffen ist.

Sind manche Regionen Tirols mehr gefährdet als andere?
Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass es fast überall in Tirol passieren kann. Wir leben in einem Berggebiet mit entsprechender Geologie. Leute glauben oft, wir können Muren genau vorhersagen. Aber das ist nicht möglich. Da kommt einfach viel zusammen. Die Heftigkeit des Gewitters ist ebenso entscheidend wie die Bodenbeschaffenheit oder der Verlauf von Bächen. Im Kaunertal hat es vorne kaum geregnet und am Talende wurde die Straße bis zu fünf Meter hoch verschüttet. Das zeigt, wie kleinräumig diese Ereignisse sein können. Uns bleibt nur, darauf zu reagieren.

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