Kickl bleibt hart:

„Kämpfe, dass Straftäter Asylrecht verlieren“

Österreich
30.01.2019 18:57

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hat sich am Mittwoch im Nationalrat wegen seiner Äußerungen über das Verhältnis von Politik und Recht bzw. über die Menschenrechtskonvention einem Misstrauensantrag der Opposition stellen müssen. Nach einem von der Liste Jetzt eingebrachten Dringlichen Antrag an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), bei dem dieser Kickl den Rücken stärkte, lieferten sich die Abgeordneten eine scharfe Auseinandersetzung. Kickl selbst blieb bei seiner Linie. Beide Anträge wurden schließlich mit Koalitionsmehrheit abgeschmettert.

Kurz trat bei der Beantwortung des Dringlichen Antrags zwar nicht explizit als Verteidiger von Kickl auf, betonte allerdings, dass die von der EU vorgegebenen Regeln zur Außerlandesbringung von straffälligen Asylwerbern „unserer Meinung nach sehr eng“ seien. Daher setze sich die Regierung auf europäischer Ebene für einen größeren Spielraum bei der Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen ein.

Kurz: „Österreich ist eine starke Demokratie“
Kurz betonte die Bedeutung der Menschenrechtskonvention (EMRK) und stellte klar, dass die Regierung auf sie angelobt sei, da sie sich im Verfassungsrang befinde. Wohl mit Blick auf Kickls Aussage, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, hielt der ÖVP-Chef fest, dass Österreich eine „starke Demokratie“ sei, deren Fundament ein funktionierender Rechtsstaat und eine ordentliche Gewaltenteilung sei. Allgemein appellierte Kurz in seiner mit sechs Minuten sehr kurzen Rede, das Zusammenspiel zwischen Regierung und Opposition möglichst sachlich zu führen.

Liste Jetzt ortet „verbales Sprengstoffattentat“
Eingebracht hatte den Dringlichen Antrag der Liste-Jetzt-Abgeordnete Alfred Noll, der darauf verwies, dass die Aufregung über Kickls Aussagen nicht nur bei der Opposition sondern auch etwa bei Richtern und sogar dem Justizminister groß sei. „Ein Innenminister dieser Republik darf so etwas nicht sagen“, so Noll. Der Satz, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sei „unterirdisch“ und entspreche einem „verbalen Sprengstoffattentat“ auf den Rechtsstaat: „Wer so etwas sagt, der hat an dieser Stelle nichts verloren.“

Strache: Kickls „Aussagen bewusst falsch interpretiert“
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache trat dann bei der Debatte über den Misstrauensantrag gegen Kickl zur Verteidigung desselben an. Dieser habe „zu keinem Zeitpunkt die Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche infrage gestellt“ - sondern nur falsche Gesetze, nämlich die EU-Statusrichtlinie, hinterfragt, die schwere Straftäter vor Abschiebung schütze. SPÖ, NEOS und die Liste Jetzt würden „bewusst Aussagen falsch interpretieren“, mit „böser Absicht“. Strache pflichtete Kickl bei: Natürlich folge das Recht der Politik - denn hier im Parlament „sitzt die Politik“, die Gesetze beschließe und zu ändern habe, an die sich „alle“ und auch die Regierung „selbstverständlich“ halten würden. Aber die Politik habe auch die Verantwortung, Gesetze zu ändern, wenn sie nicht richtig sind.

Kickl-Botschaft via Facebook aus dem Büro
Kickl selbst, gegen den der nunmehr bereits sechste Misstrauensantrag eingebracht wurde, nahm an der Debatte nicht teil - musste er auch nicht, nachdem der Dringliche Antrag an den Kanzler gerichtet wurde. Allerdings blieb Kickl während der Diskussion nach eigenen Angaben nicht untätig. In einem Facebook-Posting betonte er, „währenddessen die Zeit genutzt“ zu haben, um sich mit Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) über erweiterte Rückführungsmöglichkeiten von abgelehnten Asylwerbern nach Syrien zu unterhalten.

„Ich will die Menschenrechte der Opfer schützen“
Gegenüber krone.at meinte Kickl außerdem: „Mir geht es nur darum, auch die Menschenrechte der Opfer, die durch Straftaten von Asylwerbern und Asylanten geschädigt oder gar umgebracht wurden, und von deren Angehörigen zu schützen. Die Ermordeten haben keine Stimme mehr. Verbrechensopfer sind ihr Leben lang geschädigt und für ihre Familien ist nichts mehr, wie es vorher war. Deshalb kämpfe ich dafür, Straftätern das Asylrecht rascher aberkennen zu können. Dass die Opposition mir dafür das Misstrauen ausspricht, freut mich zwar nicht, aber ich nehme es in Kauf.“

Opposition mit heftiger Kritik am Innenminister
Die Opposition ging im Plenarsaal mit Kickl scharf ins Gericht: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erneuerte die Forderung nach dem Rücktritt des Innenministers. Sie erinnerte daran, dass 1964 die Europäische Menschenrechtskonvention einstimmig vom Parlament in den Verfassungsrang erhoben wurde. „70 Jahre später hören wir die Worte, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht. Herr Minister Kickl, Sie sind auf die Verfassung vereidigt, nicht auf das FPÖ-Parteiprogramm“, stellte sie fest und betonte, hätte Kickl „auch nur einen Funken von Anstand“ und „Respekt vor der Demokratie“, würde er zurücktreten.

Aber auch Bundeskanzler Kurz ließ Rendi-Wagner nicht aus der Kritik. Hätte der Bundeskanzler „mehr Courage und Verantwortung, dann hätte er nicht nur zum Telefon gegriffen. Dann wäre er im Verantwortungsbewusstsein für unseren Rechtsstaat zum Bundespräsidenten gegangen und hätte die Entlassung seines Innenministers vorgeschlagen.“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sah Kickl in jedem Fall rücktrittsreif: Wenn er, wovon sie ausgehe, wusste, was er da in Sachen EMRK sagte, wäre er sowieso als Innenminister nicht tragbar - und hätte er es nicht gewusst, wäre er „heillos überfordert als Minister und ebenfalls nicht tragbar in diesem Amt“. Aber die Regierung pflege insgesamt einen „saloppen Umgang“ mit Verfassungs- und EU-Recht. Dass es heute „keine scharfe Trennlinie zwischen autoritärer Politik und Politik auf dem Boden des Rechtsstaates und der Verfassung“ mehr gebe in Österreich, mache vielen Menschen Sorgen.

Peter Pilz von der Liste Jetzt meinte, es gebe „kaum einen Tag, an dem Kickl nicht Gesetze dieser Republik bricht“. Der Innenminister sei „vielleicht die größte Gefahr für die österreichische Bundesverfassung und die Gesetzes- und Verfassungstreue der Angehörigen der Regierung Sebastian Kurz“.

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