Das große Interview

Was nützt ein Messerverbot, Herr Minister?

Persönlich
16.12.2018 15:50

Der Mord an der 16-jährigen Michelle scheint dem Innenminister recht zu geben. Sollen für afghanische Asylwerber strengere Maßstäbe gelten? Mit Conny Bischofberger spricht Herbert Kickl (50) über Stacheldraht und Ausgangssperren, Lob von Rechts und Rücktrittsforderungen - und seine liebe Cousine.

Freitagnachmittag im Palais Modena, dem Sitz des Innenministeriums in der Wiener Herrengasse. Irgendetwas ist anders beim Aufgang in das Büro von Herbert Kickl, und zwar der Teppich. Oder war der immer schon blau?

Oben holt uns der Minister ab und geht voraus in sein weihnachtlich geschmücktes Arbeitszimmer. „Das ist eine Zirbelkiefer“, erklärt er ganz stolz und zeigt auf den langnadeligen Christbaum, dreimal so hoch wie er selbst. Ein Geschenk des Bürgermeisters von Deutsch-Griffen, den Schmuck haben Menschen aus der Betreuungseinrichtung Fischerhof gebastelt.

„Für mich ist es ein Stück Kärntner Heimat“, sagt Kickl und nimmt in einem der schwarzen Leder-Fauteuils Platz. Die Geschichte mit dem Teppich erklärt er so: Der alte, rote Teppich sei schon so durchgetreten gewesen, dass man ihn ersetzen musste. „Ich finde, das Blau macht sich sehr, sehr gut auf der Feststiege.“ Es sei schließlich auch die Farbe der Polizei.

„Krone“: Am Donnerstag (und auch am Samstag, Anm.) haben in Wien, Linz, Salzburg und Graz wieder Tausende Menschen gegen die Regierung im Allgemeinen und gegen Sie im Speziellen demonstriert. Auf Transparenten stand: „Kickl muss weg!“, „Gefährlichster Innenminister aller Zeiten“. Sprecher haben vor „faschistischen Kräften“ dieser Regierung gewarnt. Wie geht es Ihnen damit?
Herbert Kickl: Vielleicht haben Tausende demonstriert, aber viel, viel mehr Tausende haben nicht demonstriert. Wenn ich mit der Bevölkerung in Kontakt komme, dann erlebe ich einen enormen Zuspruch. Tenor: „Gut, dass jetzt endlich Dinge angegangen werden, die man viel zu lange liegen hat lassen. Gut, dass man endlich einmal Ordnung macht.“ Was diese Demonstrationen betrifft, ist es das gute Recht eines jeden, sich politisch zu artikulieren. Ich habe aber schon den Eindruck, dass hier eine ritualisierte Form des Protests stattfindet, relativ sinnentleert. Denn was denkt sich jemand, der in Österreich „faschistische Gefahren“ sieht? Entweder ist das eine grobe Form von Verblendung oder eine grobe Form von Ignoranz. Mich stört diese inflationäre Verwendung der Begriffe „Faschismus“ oder „Nazi“. Das ist verantwortungslos und kontraproduktiv.

Warum konzentriert sich so viel Kritik und Hass auf Ihre Person?
Weil es im Innenressort um viele heiße Eisen geht. Seit 2015 beherrscht die Asyl- und Migrationsdebatte die Innenpolitik, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Viele der Entscheidungen in diesem Zusammenhang werden im Innenressort getroffen und deshalb bin ich für die Linke der Reibebaum. Mein Job ist es dennoch, Stück für Stück die Schäden zu reparieren, die 2015 entstanden sind.

Die „Süddeutsche“ hat ein Portrait über Sie mit „Rechts außen“ betitelt. Wie klingt das für Sie?
Ich nehme das hin. Ob das auf Demonstrationen behauptet wird oder in politisch eingefärbten Berichten, ist unerheblich. Ziel ist es, mich in eine gewisse Ecke zu stellen. Ich sehe mich in der Mitte der Gesellschaft und würde meine Politik im besten Sinne dieser Worte als normal und vernünftig bezeichnen.

In dem Porträt steht, dass Sie keine Zeit gehabt hätten, mit den Kollegen aus Deutschland zu sprechen. Stimmt das?
Dieser Journalist hat uns ein Zeitfenster gegeben, in das unter anderem meine Aussage im Untersuchungsausschuss, unsere Wertekonferenz, ein Parlamentstermin und der Innenministerrat in Brüssel gefallen sind, deshalb ist es sich nicht ausgegangen. Und ich habe da auch ein einfaches Prinzip: Wenn die Zeit eng ist, dann rede ich zuerst mit österreichischen Journalisten, weil hier kandidiere ich. In Deutschland stehe ich nicht zur Wahl. Das ist auch eine Form der Prioritätensetzung.

Freuen Sie sich, wenn stattdessen die Zeitschrift „Zur Zeit“, die ja wirklich rechts steht, eine Sondernummer über Sie veröffentlicht, in der Sie als „Law-and-Order-Minister“ bejubelt werden?
Ich habe das noch gar nicht gelesen. Man hat mich auch vorher nicht gefragt, und es ist schon gar nicht von uns bestellt worden. Aber ich finde es gut, wenn auch andere Stimmen, andere Meinungen und Darstellungen ihren Platz haben, denn das demokratische Spektrum ist ja ein Vielfältiges, und da soll sich jedes auf seine Art und Weise artikulieren. Mir ist wichtig, dass ich der Erwartungshaltung der Bevölkerung in diesen sensiblen Bereichen gerecht werde. Dafür arbeite ich.

Also stört es Sie nicht, in „Zur Zeit“ zu stehen?
Nein, das stört mich nicht.

Der niederösterreichische Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl hat mit seinem Quartier für auffällig gewordene unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Drasenhofen für großes Aufsehen gesorgt. War es richtig, dieses Quartier zu schließen?
Ich hatte kein Problem mit diesem Quartier. Es war wieder einmal typisch: Jemand schreit auf und bevor man sich die Sache genauer anschaut, wird hektisch reagiert. Da hat die Frau Landeshauptfrau von Niederösterreich nicht die besten Nerven gehabt. Und ich sage Ihnen auch ganz ehrlich, ich bin in dieser Frage aus einem anderen Holz geschnitzt.

Aus welchem denn?
Ich suche gern die inhaltliche Auseinandersetzung. Dann diskutieren wir darüber, ob das wirklich so unanständig gewesen ist oder ob es nicht vielleicht einen Sinn gemacht hat.

Minderjährige einzusperren?
Das sind ja keine Kinder oder pflegeleichte Personen, früher hätte man wahrscheinlich gesagt, das sind Halbstarke. Auf jeden Fall sind es Problemjugendliche, wo man sich schon die Frage stellen muss: „Tut man denn den anderen, die bisher mit diesen Jugendlichen gemeinsam betreut wurden, etwas Gutes, wenn man sie dieser Gesellschaft aussetzt?“ Und die Frage ist auch, ob man der Bevölkerung etwas Gutes tut oder ob man diese Leute nicht ein bisschen genauer beobachten sollte. Nach meinen Informationen haben die meisten von denen schon das eine oder andere am Kerbholz. Was Waldhäusl gemacht hat, war ein Versuch, Sorge dafür zu tragen, dass niemand weiterer zu Schaden kommt. Jetzt haben andere die Verantwortung dafür übernommen

Sprechen Sie die Caritas an?
Genau. Die Caritas und alle, die an der Entscheidung beteiligt waren, dieses Quartier in dieser Form nicht mehr weiterzuführen. Wenn wieder etwas passiert, wird man die Verantwortung dort suchen müssen.

Aber ist Stacheldraht etwas, das man vor einer Flüchtlingsunterkunft aufziehen sollte?
Also lassen wir bitte die Kirche im Dorf. Das war kein Stacheldrahtzaun, sondern da war bei einem normalen Zaun oben eine Reihe Stacheldraht. Dass Flüchtlingsbetreuungseinrichtungen umzäunt sind, ist ja nichts Neues. Auch in Traiskirchen werden Sie einen Zaun finden. Man hat aber so getan, als ob es da kein Tor gebe, durch das man ein- und ausgehen kann. Das ist eben Teil dieser falschen Darstellung. Ein kontrolliertes Ein- und Ausgehen macht doch durchaus Sinn.

Die Jugendlichen haben im Fernsehen gesagt, sie seien dort eingesperrt gewesen.
Ich glaube, das ist etwas, was sie sehr schnell lernen: Wie muss man argumentieren, damit man in Österreich eine möglichst breite Aufmerksamkeit bekommt. In Wahrheit wird der eine oder andere sich wahrscheinlich ins Fäustchen gelacht und gedacht haben: „Schau, so leicht geht das.“ Für Polizisten war diese Unterkunft in der Vergangenheit jedenfalls gut genug. Für Leute, die es aus Afghanistan bis hierher geschafft haben, ist der fehlende Unterbau bei ein paar Küchenmöbeln aber offenbar ein Problem. Ich glaube, man hätte mit ein paar kleinen Maßnahmen die Kritik entkräften und trotzdem dafür Sorge tragen können, dass es andere Flüchtlinge, die jetzt aber wieder zusammen mit Problemjugendlichen untergebracht sind, bei ihrem Weg eben etwas leichter gehabt hätten.

Vizekanzler Strache hat jetzt auch eine nächtliche Ausgangssperre für Asylwerber gefordert. Hat er Ihre Rückendeckung?
In die Betreuung von unbegleiteten Minderjährigen fließen immerhin 95 Euro pro Tag pro Person. Dazu gehört es auch, bei Leuten, die noch nicht volljährig sind, dafür zu sorgen, dass sie in der Nacht zu Hause sind und sich nicht irgendwo herumtreiben. Es geht also um die Einhaltung einer Hausordnung und um die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes. Niemand will jemanden einsperren. Aber in einem Internat können die Schüler auch nicht in der Nacht einfach rauslaufen. Dort sagt aber niemand, sie seien eingesperrt. Das nennt man Obsorgepflicht.

Diese Woche ist in Steyr der furchtbare Mord passiert, mutmaßlicher Täter ist ein afghanischer Asylwerber. Was war da Ihr allererster Gedanke, als Sie das gehört haben?
Das Erste, was mir in den Kopf gekommen ist, waren die Experten, die schon lange davor warnen, dass wir es bei jungen afghanischen Männern mit einer Problemgruppe zu tun haben. Sie und auch tschetschenische Männer tragen überdurchschnittlich oft Messer bei sich, was zur Änderung des Waffengesetzes geführt hat. Leider ist dieser tragische Mord eine Bestätigung einer Tatsache und nicht eines Vorurteils.

Wie erklären Sie sich, dass afghanische Männer angeblich eine „Problemgruppe“ sind?
Sie wurden offensichtlich auf eine Art und Weise sozialisiert, die bei Konflikten sehr oft Gewalt als „Lösung“ vorsieht. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, auch wenn das vielen nicht ins ideologische Konzept passt. Das macht die Sache schwierig. Aber die Augen zu verschließen, wäre der falscheste Weg.

Aber was nützt ein Messerverbot?
Ein Messerverbot nützt sehr wohl. Jeder weiß, dass, wenn er mit einem Messer erwischt wird, mit einer Strafe zu rechnen ist und dass ihm das im Asylverfahren natürlich nicht positiv angerechnet wird. Wer sich also über ein Messertrageverbot hinwegsetzt und damit das Gesetz bricht, zeigt, dass er offensichtlich wenig Interesse daran hat, sich in unsere Gastgesellschaft zu integrieren.

Dem Mädchen aus Steyr und den drei Frauen vom Nürnberger Christkindlmarkt, die diese Woche schwer verletzt worden sind, hat es aber nichts genützt.
Also dass wir trotz aller Sicherheitsmaßnahmen, etwa auch im Kampf gegen Einbrecher, nicht verhindern werden können, dass doch wieder ein Einbruch passiert, liegt auf der Hand. Trotzdem müssen wir jede Möglichkeit, die sich bietet, nutzen, um diese Sicherheitslücken, die es offenbar gibt, ein Stückchen kleiner zu machen. Das sehe ich als meine Verantwortung.

Soll, kann, wird der mutmaßliche Täter Saber A. abgeschoben werden?
Selbstverständlich. Der mutmaßliche Täter ist ja nur deshalb in Österreich, weil er noch nicht volljährig ist. Sein Asylverfahren ist negativ ausgegangen, aber er konnte nicht abgeschoben werden, weil er in der Zwischenzeit einen subsidiären Schutzstatus bekommen hat. Sobald die Volljährigkeit eingetreten ist, wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Fall ohnehin noch einmal beurteilen. Eine Prüfung des Aberkennungsverfahrens ist aber bereits eingeleitet.

Würden Sie ihn gleich abschieben, wenn Sie könnten?
Wenn ich könnte, würde ich ihn gleich außer Landes bringen, jawohl. Aber ich habe klare gesetzliche Vorgaben.

Sie haben eine eigene Bundesagentur für Flüchtlingsbetreuung angekündigt. Warum wollen Sie dieses Feld den Hilfsorganisationen wegnehmen? Haben die einen schlechten Job gemacht?
Ich glaube, dass ihre Interessen gegenteilige sind. Denn diese Organisationen leben davon, dass sie Flüchtlinge betreuen und daraus ergibt sich ein logisches Geschäftsinteresse. Das Geschäftsmodell funktioniert besser, wenn ein Verfahren länger dauert. Deshalb werden Verfahren oft über einen sehr, sehr langen Zeitraum verschleppt, leider oft begleitet von einer entsprechenden Rechtsberatung. Der Staat hat ein anderes Interesse. Nämlich die Verfahren so rasch und so konsequent wie möglich abzuwickeln.

Aber haben Asylwerber dann noch einen Anwalt, der ihre Interessen vertritt?
Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Verwaltungsbehörde einen Bürger durch ein bestimmtes Verfahren führt. Der Beamte ist ja von Gesetzes wegen mit klaren Pflichten versehen, was seine Informationen und seine Auskünfte betrifft. Es steht auch jedem frei, sich darüber hinaus einen eigenen Anwalt zu nehmen. Nur, wir werden ihn nicht mehr bezahlen.

Kommen wir zum BVT: Was ist nach vielen Monaten U-Ausschuss und gegenseitigen Vorwürfen jetzt Ihr Resümee?
Alle Vorwürfe, das Innenministerium hätte gegen Gesetze verstoßen, sind in sich zusammengebrochen. Trotzdem bastelt die Opposition wider besseres Wissen weiter eine Verschwörungstheorie nach der anderen zusammen. In Wahrheit ist das, was sie damit angerichtet hat, ein Riesenschaden für die Justiz. Ich frage mich, wer in Zukunft noch bereit sein wird, etwa als Zeuge auszusagen, wenn er damit rechnen muss, in der Öffentlichkeit vorgeführt, lächerlich gemacht oder gar kriminalisiert zu werden.

Wünschten Sie sich im Nachhinein und in Kenntnis der Folgen, dass die Hausdurchsuchung beim BVT nie stattgefunden hätte?
Ich bin erstens kein Freund des Hätti-Wäri-Wari und zweitens gilt für mich folgendes Prinzip: Wenn Bürger zur Polizei kommen - und das Innenministerium repräsentiert die Polizei - und dort eine Wahrnehmung deponieren, dass irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, dann haben sie ein Recht darauf, dass diesen Vorwürfen nachgegangen wird. Ich würde mir wünschen, dass es diese Vorwürfe nicht gegeben hätte, dass niemand dort verdächtigt worden wäre. Nur, das war nicht das Erbe, das ich übernommen habe, als ich hierhergekommen bin.

Genießt der österreichische Geheimdienst international noch Vertrauen?
Ich muss mich auf das verlassen, was mir meine zuständigen Mitarbeiter im Verfassungsschutz sagen und nach deren Auskunft gibt es eine aufrechte und gute Zusammenarbeit mit allen anderen Diensten, schlicht und ergreifend, weil diese Dienste miteinander ein System bilden, in dem jeder von der Information des jeweils anderen auch abhängig ist.

Am Freitag hat die APA den neuen Vertrauensindex veröffentlicht. Wer, glauben Sie, ist der Politiker, der mit minus 33 Prozent am wenigsten Vertrauen genießt?
Ich nehme einmal an, das dürfte Peter Pilz sein.

Und wer genießt minus 26 Prozent?
Na, wenn Sie schon so fragen! - Lacht. - Das werde wahrscheinlich ich sein.

Ist aber nicht lustig, oder?
Nein. Es ist nicht lustig, aber ich habe gelernt, mit diesen Dingen umzugehen und sie nicht allzu ernst zu nehmen. Denn wenn es nach den Werten des Vertrauensindexes ginge, dann hätte die Freiheitliche Partei keine einzige Wahl gewonnen. Schauen Sie sich die Werte aller freiheitlichen Spitzenrepräsentanten in den letzten Jahren an. Trotzdem haben wir bei den Wahlen dauernd zugelegt.

Macht Sie das gar nicht nachdenklich?
Mir ist der Vertrauensindex, den ich von den Leuten auf der Straße bekomme, wichtiger. Sie grüßen mich und sagen mir: „Lassen Sie sich nicht unterkriegen, machen Sie weiter so! Sie sind am richtigen Weg.“

Würden Sie sagen, dass Sie das sensible Ressort Inneres umsichtig genug leiten?
Ich gehe davon aus. Meine Verpflichtung ist die Umsetzung dieses Regierungsprogramms. Da muss man auch das eine oder andere heiße Eisen angreifen. Ein wesentlicher Unterschied zur Politik der Vergangenheit ist, dass ich mich nicht davor scheue, Entscheidungen zu treffen. Und im Wort „Entscheidung“ steckt manchmal auch „Scheidung“ drinnen, da scheiden sich dann vielleicht auch ideologisch das eine oder andere Mal die Geister. Die schlimmste Form der Politik wäre der Versuch, es allen recht zu machen und gar nichts zu tun.

Sie schmunzeln noch immer ein bisschen. Genießen Sie es vielleicht sogar, der „Bad-Cop“ zu sein?
Nein, das genieße ich nicht, aber es ärgert mich auch nicht. Dieses Bild in der Öffentlichkeit zu produzieren ist ja das Ziel meiner Gegner. Ich soll mich darüber ärgern, aber diese Freude mache ich denen nicht, die das betreiben.

Woher kommt die Härte, die Sie an den Tag legen?
Ich glaube nicht, dass das Härte ist, sondern einfach konsequentes Handeln. Ich bin manchmal erstaunt, mit welchen Prädikaten man in Österreich ausgestattet wird, wenn man zwei Dinge macht. Erstens, ein Wahlversprechen umzusetzen und zweitens, sich an Gesetze zu halten. Das regt sehr, sehr viele in diesem Land auf, und das sollte uns wirklich nachdenklich machen.

Sie haben in einem Interview gesagt, Ihre Handlungsmaxime sei eine Gegenbewegung zu den 68ern. Was war so schlimm an den 68ern?
Ich fasse das gerne zusammen: Die 68er waren der Versuch, alles, was dem Menschen Geborgenheit, Orientierung und Halt gibt, in einem nebulösen Gewölk verschwinden zu lassen und madig zu machen. Ich denke aber, dass der Mensch das braucht: Familie zum Beispiel ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft. Oder Staatlichkeit. Moral ist nicht beliebig oder austauschbar. Nach diesen Kriterien versuche ich Politik zu machen. Für mich ist das ganz normal. Es sollte schon so sein, dass der Hund mit dem Schwanz wedelt und nicht der Schwanz mit dem Hund.

„Law-and-Order“ macht aber vielen auch Angst.
Aber das ohnehin schon hohe Vertrauen in die Polizei ist in diesem Jahr noch gewachsen. Das ist eine Leistung, von einem sehr hohen Niveau noch einmal zuzulegen und deshalb denke ich mir zum Stichwort Vertrauensindex: So falsch kann dann der oberste Polizist im Land auch nicht alles gemacht haben.

Fühlen Sie sich vom Regierungspartner eigentlich genügend unterstützt?
Wir pflegen eine sehr gute Form der Zusammenarbeit. Wir haben uns erarbeitet, dass wir offen und ehrlich unsere Positionen austauschen. Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, aber man hört einander zu und geht miteinander so um, wie sich das die Bevölkerung auch erwartet, ich habe da nichts auszusetzen. Vereinzelte Querschüsse, die es von ein paar Linksverbindern in der alten ÖVP gibt, meistens aus dem Westen des Bundesgebietes, stören mich nicht. Das zeigt nur, dass sich in der ÖVP der eine oder andere mit dem türkisen Modell offenbar noch nicht ganz angefreundet hat.

Man weiß, dass Sie mit Heinz-Christian Strache befreundet sind. Schätzt Sebastian Kurz Sie?
Das müssen Sie Sebastian Kurz fragen.

Was glauben Sie?
Ich glaube, dass wir uns im Verlauf der Regierungsverhandlungen und auch jetzt in der Regierungsarbeit gegenseitig schätzen gelernt haben. Er weiß, dass ich ihn nur dann kontaktiere, wenn es wirklich notwendig ist, und hält das umgekehrt auch so. Das nenne ich professionelles Arbeiten.

Sebastian Kurz genießt acht Prozent mehr Vertrauen als der Bundespräsident und steht damit an der Spitze. Neidisch?
Nein, überhaupt nicht. Das ist ja vollkommen klar. Ich bin ja nicht erst seit gestern in der Politik, und wusste daher, wie diese Rankings aussehen werden. Denn für viele Linke in diesem Land war zunächst einmal der größte Tabubruch, dass die Freiheitlichen überhaupt in eine Regierung kommen. Der nächste noch größere Tabubruch war, dass wir das Innenressort bekamen und der Supergau ist aus Sicht der Linken, dass ich Innenminister geworden bin. Das sagt aber weniger über die Freiheitliche Partei als vielmehr über das seltsame Demokratieverständnis dieser Leute aus. Diejenigen, die ständig ein Feindbilddenken beklagen, praktizieren es jeden Tag selber.

Herr Kickl, Ihre Cousine ist mittlerweile in der Twitter-Blase ein Star. Was würden Sie ihr sagen, wenn Sie sie zufällig treffen sollten?
Ich habe ein gepflegtes Nichtverhältnis zu ihr. Ich warte eigentlich nur noch darauf, dass sie den Namen Kickl ablegt, weil sie doch meine Politik so schrecklich findet. Dafür schlägt sie aber zu viel Profit daraus. Wenn ich mit meiner Cousine etwas zu reden gehabt hätte, hätte ich das schon in der Vergangenheit getan. Aufgrund der vielen Geschwister meines Vaters habe ich eine ganze Vielzahl von Cousins und Cousinen und ich kann Ihnen sagen, dort ist sie nicht der Mainstream.

Wie oft haben Sie einander getroffen?
Zwei Mal. Einmal zu Beginn meines Studiums und das zweite Mal - das unterschlägt sie ganz gerne -als sie sich bei der FPÖ um einen Job beworben hat. Es ist damals nichts geworden, vielleicht hängt da noch ein gewisser Frust nach.

In diesem Büro gibt es ein kleines Hinterzimmer, in dem ein Feldbett steht. Wie oft haben Sie dort schon übernachtet?
Ich führe keine Statistik, aber es kommt hin und wieder vor. Auch, dass man am Nachmittag einmal 20 Minuten die Augen zumacht. Eigentlich habe ich es aber für Situationen hergerichtet, von denen wir hoffen, dass sie nie eintreten werden.

Was für Situationen?
Ich will das gar nicht herbeireden. Sie sehen ohnehin, was da jetzt in Nürnberg passiert ist, was in Straßburg passiert ist. Gott sei es gedankt, dass wir bis jetzt davon verschont geblieben sind, es möge auch weiter so bleiben. Die Polizei tut alles, was in ihrer Macht steht, damit Weihnachten und der Jahreswechsel friedlich ablaufen. Aber kein Mensch kann sagen, wann und wo der nächste Verrückte zuschlägt.

Zur Person
Geboren am 19. Oktober 1968 in Villach, die Eltern arbeiteten bei Veitsch Radex in Radenthein. Das Gymnasium in Spittal besucht er gemeinsam mit Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Studium der Publizistik und Politikwissenschaften, später auch Philosophie und Geschichte, nicht abgeschlossen. Bei der FPÖ ab 1995. Seit 18. Dezember 2017 ist Kickl Innenminister der türkis-blauen Regierung. Privat hat er erst im April geheiratet und ist Vater eines 18-jährigen Sohnes. Seine Frau Petra ist Juristin bei der Volksanwaltschaft.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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