„Krone“-Interview

Morgan James: „Musik ist mein ganzes Leben“

Musik
19.11.2018 07:00

Die US-Goldstimme Morgan James hat mit ihrem Mann Doug Wamble zum 50-Jahre-Jubiläum das „White Album“ der Beatles neu eingespielt und eingesungen - damit war sie unlängst live im Wiener MuTh zu Gast. Zuvor sprach sie mit uns über die Magie der alten Pop- und Rockgrößen, warum es kein Leben außerhalb der Musik gibt und weshalb das nächste Album schon fast wieder ante portas steht.

(Bild: kmm)

Schon früh bemerkte Morgan James, dass sie anders ist, als all die anderen Mädchen. Joni Mitchell, Pink Floyd und die Beatles waren ihr Kindheitsspielzeug, die tagtäglich rund um die Uhr rotierende Musik im Elternhaus wurde zum Zentrum ihres Lebens. Nach der High School absolvierte sie ein Opernstudium, stürzte sich in die klassische Musik und landete nach Jahren erzwungener beruflicher Dürre mit knapp 30 Jahren am Broadway, wo sie in „Addams Family“, „Wonderland“ oder „Godspell“ überzeugte. Als sie den profilierten Jazzgitarristen Doug Wamble kennenlernte, nahm die Karriere Fahrt auf. Das Duo teilte nicht nur Tisch und Bett, sondern auch Leidenschaft und Passion für die Musik.

Ein Vollblutmusiker und eine versatile Sängerin mit der Vorliebe für das Reisen und einem eindringlichen Gespür für Hits und perfekte Coverversionen als ideales Gespann. Auf dem Majorlabel Epic Records erschien 2014 ihr Debütalbum „Hunter“, dazu arbeitete sie immer wieder an Coveralben. James huldigt darauf ihren Vorbildern aus längst vergangenen Tagen und bewegt sich souverän durch die verschiedensten Stile. Den Majorvertrag beschließend veröffentlichte sie ihr Zweitwerk „Reckless Abandon“ bereits auf dem eigenen Label. Vollkommene Freiheit in ihrem Tun ist der 37-Jährigen das Wichtigste. So entschied sie sich zum 45. Geburtstag des Joni-Mitchell-Albums „Blue“ ebendieses neu einzuspielen und legte heuer zum 50er des „White Albums“ der Beatles nach. Diese beiden Alben präsentierte sie auf ihrer aktuellen Tour auch im Wiener MuTh, wo wir das Multitalent zum kurzen Gespräch trafen.

„Krone“: Morgan, du hast unlängst im Wiener MuTh ein wundervolles Konzert gegeben. Dort wo die Wiener Sängerknaben beheimatet sind. Nachdem du eine so bunte musikalische Geschichte hast - waren sie auch schon einmal Teil deiner Inspiration für Musik?
Morgan James: Natürlich. Klassische Musik und traditionelle Stile sind mir immer noch ungemein wichtig. Im Prinzip ist es auch das Fundament meiner Musik, weil ich mit Klassik aufwuchs. Locations wie hier das MuTh sind einfach wundervoll und vor allem in Europa gibt es so viele tolle Konzertsäle. Auch die Akustik ist sehr luxuriös.

Hattest du schon mal die Chance oder die Zeit, etwas tiefer in die österreichische Musikgeschichte einzutauchen, die voller großer Komponisten und Künstler ist?
Die österreichische Musiktradition ist auch in den USA ein sehr wichtiger Teil für Menschen, die in diesen Bereichen Stimm- und Gesangstraining machen wie ich selbst auch. Bevor ich mich von der klassischen Musik trennte, habe ich tatsächlich immer davon geträumt, in diesem Kontext nach Wien oder Salzburg kommen zu dürfen. Das Gesangstraining und der Zugang zur Klassik sind meiner Meinung nach dafür verantwortlich, dass ich überhaupt so viele Konzerte geben kann und auch richtig gut dafür konditioniert bin. Wien gehört zu meinen allerliebsten Städten und ich komme immer sehr gerne hier her, weil diese Stadt Musik atmet.

Du hast immer wieder bei Scott Bradlee’s Postmodern Jukebox mitgesungen - die Band kommt 2019 wieder. Mit dir als Sängerin?
Nein, das geht sich nicht aus. Derzeit bin ich solo unterwegs und habe einfach keine Zeit dafür.

Du hast dich über die Jahre auch erfolgreich im Rock, Pop, Soul, Funk oder R&B-Segment probiert und beweist stimmlich und musikalisch eine unglaubliche Variabilität. Woher kommt diese Leidenschaft für all die vielen Stile?
Ich habe verschiedene Fähigkeiten und Leidenschaften und mir niemals bewusst vorgenommen, immer etwas Neues oder Anderes zu probieren. Ich habe einfach alles gemacht, um mit der Musik Geld zu verdienen, damit ich sie als Job ausführen kann. Ich kam schnell drauf, dass ich es liebe, verschiedene Arten von Gesang anzuwenden und so kam ich vom Broadway und Operngesang zu großer Popmusik. Als ich die Beatles, Aretha Franklin oder Joni Mitchell entdeckte, bekam ich nicht genug davon. Als ich zur Schule ging und beschloss, zum Broadway zu gehen, hat sich eine Sache nach der anderen ergeben. Du weißt niemals, welchen Weg du einschlagen wirst. Ich mag es, mich herauszufordern und solange es sich nach mir selbst anfühlt, ist es richtig. Es ist immer dieselbe Stimme, die du hörst, nur anders eingesetzt.

Du bist in sehr jungen Jahren tief in die Musik eingetaucht. Gab es da einen Schlüsselmoment, der dein Leben in musikalischer Sicht für immer verändert hat?
Ich habe schon immer die Alben meiner Eltern im Auto gehört oder wir sind daheim vor dem Radio gesessen. Ich kann mich daran erinnern, dass mir meine Oma eine Karaokemaschine kaufte und ich in meinem Kinderzimmer sang. Ich lief dann jedes Wochenende ins örtliche Musikgeschäft und wurde richtiggehend süchtig. Von der Junior High weg war es dann eine Obsession. Ich entdeckte quasi jeden Tag etwas Neues und es gab keinen Moment, wo keine Musik lief. Für mich gab es auch niemals einen Plan B außerhalb der Musik - „all in“ war stets mein Prinzip. (lacht) Man muss wirklich an die Grenze gehen und mit beiden Füßen voraus ins kalte Wasser springen. Für viele ist die Musik ein tolles Hobby, was natürlich großartig ist, aber für mich ist es mein ganzes Leben.

Gibt es bei dir eigentlich Platz für andere Hobbys oder zumindest Interessen?
(lacht) Das ist so witzig, dass ich das oft gefragt werde, aber daran bin ich wohl selbst schuld. Ich habe immer Tiere geliebt und wollte als Kind Tierärztin oder Tiertrainerin werden. Ich weiß selbst nicht wirklich, ob ich Hobbys habe. Ich liebe Fernsehshows, in denen gebacken wird, lese gerne und verbringe viel Zeit mit meinen Hunden. Ich trinke gerne ein gutes Glas Wein oder Bourbon und liebe gutes Essen. Wenn ich die Möglichkeit habe, dann entspanne ich mich. Zu meinen größten Passionen gehört aber das Reisen und das ist mir mit diesem Job vergönnt. In dem Moment, wo ich eine Venue betrete, laufe ich quasi schon raus, um so viel Zeit wie nur möglich in einer Stadt zu verbringen, bevor es mit Soundcheck, Interviews und dem Konzert losgeht. Ich versuche einfach so viel wie möglich wahrzunehmen und die unterschiedlichen Kulturen zu erfassen. Ich bin wirklich gesegnet.

Du hast unlängst mit deinem Mann Doug Wamble das „White Album“ der Beatles aufgenommen und veröffentlicht. Er spielt darauf alle Instrumente, du übernimmst den gesamten Gesang. Warum gerade dieses Album? Ist es dein Lieblingswerk der Beatles?
Es ging da primär um das 50-Jahre-Jubiläum. Ich muss aber sagen, dass das Album während des Entstehungsprozesses zu einem meiner Favoriten der Band wurde. Wir wollten ein episches, herausforderndes Projekt machen und haben lange überlegt, aber als wir den 50er des Albums bemerkten, haben wir uns für das „White Album“ entschieden.

Giles Martin, der das Album überarbeitete und unlängst als Special Edition veröffentlichte, sagte, er hätte anfangs Angst gehabt, dass Beatles-Hardliner sein Haus anzünden würden. Hast du auch ähnliche Unsicherheiten verspürt, als du diese vertonte Legende neu konzipiert hast?
Das ist lustig, denn die Leute lieben oder hassen es. Ich habe mich darauf konzentriert, beim Gesang immer das originale Tempo zu verwenden und so nah wie möglich am Ursprünglichen zu bleiben. Ich wollte dem Album wirklich Tribut zollen und das Rad nicht neu erfinden. Das Album ist grandios wie es ist und ich wollte einfach meine Stimme drüberlegen. Mir kam der Gedanke, dass man das Original und mein Album quasi gemeinsam spielen und damit zwei verschiedene Reisen tätigen könnte. Natürlich wird es Leute geben, die das Album nicht mögen, aber wiederum andere lieben es. Bei „Blackbird“ wusste ich etwa, dass ich das Original nicht schaffen würde und habe stattdessen A-Cappella gesungen. Als ich das Album machte, habe ich so viele Songs entdeckt, die ich richtig lieben lernte, wie etwa „Julia“. Ich kannte den Song davor noch nicht einmal. „Mother Nature’s Son“ wurde zu meinem Lieblingssong und „Piggies“ habe ich vorher auch nie wirklich wahrgenommen. Es sind ja insgesamt 30 Songs, das muss man sich erst einmal vor Augen führen.

Hattest du auch die Möglichkeit, in die alten Harrison-Demos und die reproduzierten Songs von Giles Martin zu hören?
Nein, ich kann es aber kaum erwarten, endlich in das Deluxe-Material reinzuhören.

Was war für dich das Herausforderndste an diesem ganzen „White Album“-Prozess?
Die pure Menge zu bewerkstelligen war wohl das Härteste. Wie gesagt - es waren 30 Songs und alle sind sie für sich geniale Stücke. Als die Beatles dieses Album aufgenommen haben, gab es überall Drogen und große Experimentierfreudigkeit. Zu versuchen, dieses Album durch einen modernen Filter zu jagen, der meinen Vorstellungen entsprach, war ziemlich schwierig. Manchmal machten Dinge der Beatles für mich überhaupt keinen Sinn. Es gibt dämliche Stellen und auch sarkastische. Ich habe das Album anfangs viel zu ernst genommen und musste diesen Nonsens erst verstehen. Ein Song wie „Honey Pie“ hat absolut keinen Hintergrund, andere Nummern hingegen strahlen das totale Gegenteil aus. Ich glaube, die größte Herausforderung war es, das Album ursprünglich zu lassen und es trotzdem neu zu färben. Du kannst das Werk niemals so reproduzieren, weil du nicht in der Verfassung der Beatles bist und auch nicht zur selben Zeit im selben Raum sein kannst. Sie waren in einer eigenen Welt, die man nicht wiederholen kann. Ich bin im richtigen Moment zur Seite gegangen, habe mir die Songs von außen angehört und daraufhin meine Versionen aufgebaut.

Hast du beim Aufnehmen der Songs nicht nur viel dazugelernt, sondern auch deine ursprüngliche Liebe zu den Beatles damit wiedergefunden?
Absolut, das kann man genau so sagen. Meine Lieblingsalben der Beatles waren immer „Rubber Soul“ und „Revolver“. Das war meine Tür in die Welt der Beatles und das „White Album“ kannte ich noch nicht einmal gut. Nun habe ich aber ein neues Lieblingsalbum gefunden, denn davor kannte ich nur die Hits des Werkes. Doug und ich haben uns wirklich reingekniet. Wir haben die George-Harrison-Biografie angesehen, viele Artikel und Bücher über ihn gelesen und die Beatles-Diskografie in der Vorbereitung wieder aufgerollt. Ich habe dadurch einfach wieder in eine bestimmte Phase und Stimmung meines Lebens zurückgefunden.

Doug hat eben alle Instrumente eingespielt, das Album produziert, gemixt und auch gemastered. Eine gewaltige Leistung. Was macht euch beide eigentlich im kreativen Sinne zu einem derart erfolgreichen und gut funktionierenden Gespann?
Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, machen wir gemeinsam Musik. Wir sind mittlerweile verheiratet und haben niemals Pause gemacht. Wir fragen uns immer, was wir als nächstes machen könnten oder wie wir dieses zu jenem kanalisieren würden. Es ist ein ständiger kreativer Prozess, der niemals endet. Viele Menschen flüchten sich von der Ehe in die Arbeit oder lassen sich auch privat Freiraum, aber wir kleben wirklich immer zusammen. Wir kreieren konstant Musik und Kunst und können auch nicht aus unserer Haut heraus. Wenn ich eine Vision haben und etwas machen will, kommt er daher und setzt es so um, dass es wirklich gut klingt. Als ich mit der „White Album“-Idee ankam, meinte er, ein Instrument für 30 Songs wäre okay. Dann verfiel er dem Projekt aber so inbrünstig, dass er gleich den ganzen Korpus erschaffen hat. (lacht) Was er auf diesem Album geleistet hat, ist unglaublich. Es ist wirklich eine Ein-Mann-Band, die ihr hört und er hat den Low-Fi-Aspekt, die Reverbs und die Verzerrer der Beatles direkt verinnerlicht. Wir wollten nichts perfekt machen, denn ich bin kein Fan der modernen Popmusik. Ich mag es, wenn etwas dreckig und verzerrt klingt.

Du hast u.a. auch das blaue Album von Joni Mitchell aufgenommen und bist als Fan und Sängerin allgemein stark bei den ganz Großen der Vergangenheit verankert. Gibt es keine modernen, jungen Künstler, die dich inspirieren und Ideen verschaffen?
(lacht) Üblicherweise sind die ja selbst von den anderen, älteren Künstlern inspiriert. Ich hasse es das zu sagen, aber die einzigen Künstler, die ich in den letzten fünf oder zehn Jahren wirklich schätzen gelernt habe, sind schon lange etablierte Acts oder Künstler wie Emily King oder Emeli Sandé, die stark von den Größen der Vergangenheit inspiriert sind. Jene, die in den 60er- und 70er-Soulfunk eingetaucht sind. Ich mag diese Autotune-Stimmen genausowenig wie die überproduzierten Tracks, die man offenbar für die großen Mainstreamcharts benötigt. Es gibt so viele künstlich erschaffene Plattenfirmenmarionetten, die in ihren Songs und auf der Bühne nicht den Funken von eigener Identität besitzen. Das ist nichts für mich, tut mir leid. Deshalb suche ich immer nach guten Empfehlungen für gute Musik.

Und als Workaholic wird das nächste Projekt von dir wohl schon in der Pipeline sein...
Selbstverständlich. Wir wollen nun ein Memphis-Soul-Album machen. Wir werden einige Musiker von dort integrieren und die großen Songs dieser Zeit neu interpretieren. Das sollte sich irgendwann 2019 mit der Veröffentlichung ausgehen.

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