Zeitzeugen berichten

Josef Hausberger: „Ich bete jeden Tag“

Tirol
15.11.2018 06:00

Im März feierte Josef „Sepp“ Hausberger seinen 101. Geburtstag. Zahlreiche Schicksalsschläge begleiteten den passionierten Kirchengänger durch sein Leben. Doch einen der schlimmsten Tage erlebte der Tiroler ausgerechnet fünf Tage nach seinem bisher letzten Wiegenfest. In einer Kirche wurde er von Bettlerinnen ausgeraubt.

„Ich war nie verheiratet, vielleicht bin ich deshalb so alt geworden“, scherzt der rüstige Rentner, der am 9. März 1917 in „Steinbichl“ in Inneralpbach geboren wurde. Sein Leben begann gleich mit einem schweren Schicksalsschlag: Sepp war erst ein Jahr alt, als seine Mutter starb. Doch der Tiroler, der eine Schwester und fünf Brüder hatte, meisterte es mit Bravour.

Die Lehrer waren schon streng
„Die Lehrer waren schon streng“, erinnert sich der 101-Jährige, der liebevoll Gassner-Sepp, Alm-Sepp, Oippä, Steinbichl-Sepp, Seppn oder einfach nur Sepp genannt wird. Ab seinem 17. Lebensjahr - also ab 1934 - war Hausberger, wie zu dieser Zeit nicht unüblich, als Gehilfe bei verschiedenen Bauern im Dienst. Später begann er eine Weberlehre, die er im Jahr 1950 mit dem Meistertitel abschloss.

Täglicher Kirchenbesuch spielt eine große Rolle
Vor allem der Glaube spielt im Leben des gebürtigen Alpbachers eine große Rolle. „Ich gehe jeden Tag in die Kirche, habe kirchliche Zeitschriften ausgetragen, war ,Klingelgeldsammler‘ bei Gottesdiensten und Vorbeter“, erzählt er der „Krone“. Es kommt also nicht von ungefähr, dass einer seiner mittlerweile verstorbenen Brüder ein Pfarrer war. Zweimal wurde Hausberger sogar versehentlich in der Kirche eingesperrt. „Ich habe dann einfach die Glocken geläutet, damit man auf mich aufmerksam wird.“

Mitten im Gotteshaus von Bettlern ausgeraubt
Die Kriegswirren des Zweiten Weltkriegs überstand der Steinbichl-Sepp unbeschadet. Am 14. März dieses Jahres widerfuhr ihm aber Schreckliches. Ausgerechnet bei einem seiner täglichen Kirchenbesuche wurde der Rentner Opfer eines Raubes, der an Feigheit wohl kaum zu überbieten ist. Zum Verhängnis wurde ihm dabei seine Hilfsbereitschaft: Er gab einer Bettlerin in der Kirche in seiner Heimatgemeinde Radfeld Geld, doch kurze Zeit später entriss ihm ihre Begleiterin das Portemonnaie. Das Gauner-Duo machte sich mit rund 200 Euro aus dem Staub. „Aber zum Glück ist mir damals nichts passiert“, kann der seit Juli in einem Altersheim untergebrachte Mann schon wieder lachen.

Hier kann man immer einen ,Ratscher‘ machen
Dort hat er viele neue Freunde gefunden, mit denen er seinen täglichen Kaffee genießen kann. „Und hier ist auch immer jemand, mit dem man einen ,Ratscher‘ machen kann“, strahlt der Tiroler, der bis zuletzt jeden Sommer auf einer Alm im Alpbachtal verbrachte.

Und was schätzen Freunde und Weggefährten am 101-Jährigen? „Sepp war immer da, war Ansprechpartner für jeden, immer gut gelaunt, nie abgehoben, immer mit erdigem Bodenkontakt, aber er ist auch mit Humor gesegnet und hat viel Verständnis für Jung und Alt.“

Die „Krone“-Serie zum 100. Geburtstag der Republik - wir haben in jedem Bundesland mit einem Zeitzeugen über sein langes Leben gesprochen. Hier die bisherigen Berichte zum Nachlesen:

Morgen lesen Sie die Geschichte des Vorarlbergers Martin Ölz (104).

Samuel Thurner, Kronen Zeitung/krone.at

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