"So will er illegale Zuwanderung stoppen": Die "Bild am Sonntag" hat sich an Weihnachten ausführlich mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz unterhalten. Hauptthema des Gesprächs war die EU-Flüchtlings- und -Migrationspolitik. Kurz hat dabei deutlich gemacht, was er von der Diskussion über Quoten der Flüchtlingsverteilung hält: Diese sind aus seiner Sicht ein Irrweg. "Staaten zur Aufnahme von Flüchtlingen zu zwingen, bringt Europa nicht weiter", so der Neo-Kanzler gegenüber dem deutschen Blatt. "Wenn wir diesen Weg fortsetzen, spalten wir die Europäische Union nur noch weiter. Die Mitgliedstaaten sollten selbst entscheiden, ob und wie viele Menschen sie aufnehmen."
Die EU-Staaten hatten 2015 in einem Mehrheitsbeschluss die verpflichtende Umverteilung ("Relocation") von Flüchtlingen nach einer bestimmten Quote aus Griechenland und Italien auf andere EU-Staaten beschlossen. Allerdings weigern sich vor allem die Visegrad-Staaten - Ungarn, Tschechien, Polen und die Slowakei - trotz des Beschlusses und einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs daran teilzunehmen. Die EU-Kommission hat mittlerweile gegen Polen, Ungarn und Tschechien diesbezüglich vor dem EuGH Klage eingereicht.
Kurz: "Diskussion ohnehin weitgehend sinnlos"
Die Diskussion über eine solche Quote sei allerdings ohnehin weitgehend sinnlos, sagte Kurz im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". "Denn die Migranten, die sich auf den Weg nach Europa machen, wollen nicht nach Bulgarien oder Ungarn. Sie wollen vor allem nach Deutschland, Österreich oder Schweden", so der Kanzler.
Kurz sagte, die Fehlentwicklungen in der EU-Flüchtlings- und -Migrationspolitik gehörten dringend korrigiert. "Die Grenzen zwischen Asyl und Wirtschaftsmigration sind derzeit vollkommen verschwommen." Es gehe darum, den Menschen in ihren Herkunftsländern zu helfen. Wenn das nicht möglich sei, in den Nachbarstaaten. "Wenn auch das nicht möglich ist, dann auf ihrem Kontinent in sicheren Gebieten. Diese sollte die EU unterstützen, vielleicht sogar organisieren und militärisch sichern."
Erst in einem letzten Schritt könne vor Ort ausgewählt werden, wer nach Europa kommen dürfe, sagte er. "Aber wir können nicht länger jeden aufnehmen, der es mithilfe eines Schleppers illegal in die EU schafft." Der politische Wille, diese Linie zu unterstützen, sei vorhanden, so Kurz.
Westliche EU-Staaten sollten Osten mehr respektieren
Die EU-Staaten im Westen und der Mitte Europas sollten nach Ansicht des Bundeskanzlers den Ländern im Osten des Kontinents mehr Respekt entgegenbringen. "In Mittel- und Westeuropa wird noch viel zu häufig auf die jüngeren Mitgliedstaaten im Osten heruntergeschaut", sagte Kurz. Das erzeuge negative Emotionen. Gerade in Österreich und Deutschland brauche es mehr Bewusstsein dafür, dass alle Mitglieder der EU gleichwertig und gleichrangig seien, forderte der Bundeskanzler weiter.
Zugleich verteidigte Kurz das Sanktionsverfahren der EU-Kommission gegen Polen wegen Gefährdung von Grundwerten. "Rechtsstaatlichkeit und Demokratie sind die unverhandelbare Basis Europas", sagte er. "Hier darf es keine Kompromisse geben. Auch nicht gegenüber Polen." Anlass des Verfahrens sind die umstrittenen Justizreformen der polnischen Regierungspartei PiS, die aus Sicht der Kommission die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung aushöhlen.
"Europäischen Finanzminister sehe ich momentan nicht"
Den Vorschlägen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, einen europäischen Finanzminister zu installieren, erteilte Kurz eine Absage. "Einen europäischen Finanzminister sehe ich momentan nicht. In den Budget- und Finanzfragen bin ich eher durch Wolfgang Schäuble geprägt." Bei den Themen Sicherheit und Migration sehe er aber viele Übereinstimmungen. "Präsident Macron hat die Ambition, die EU zu verändern. Dafür hat er unsere volle Unterstützung." Das heiße nicht, dass man in allen Sachfragen immer einer Meinung sein müsse.
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