Jazzfest light

Nova Jazz & Blues Night 2009

Musik
27.07.2009 08:21
Zum zweiten Mal ist am Samstag die Nova Jazz & Blues Night im burgenländischen Wiesen über die Bühne gegangen. Das eintägige "Jazz Fest light", das musikalisch mit einer Prise Popularmusik aufgepeppt wird, zog auch heuer zahlreiche Besucher an - und das trotz zweier großer Lücken im Line-up.
(Bild: kmm)

Die Sterne für die Nova Jazz & Blues Night waren heuer eigentlich denkbar schlecht gestanden. Headliner Lauryn Hill sagte überraschend ihre komplette Tour ab, gerade als der Vorverkauf auf Hochtouren lief. Die Wettervorhersage für den 25. Juli stand in den letzten Tagen auf Weltuntergang. Und am Abend vor dem großen Tag ließ sich auch noch der einzige halbwegs bluesige Act im Line-Up entschuldigen: Die Behörden in Chicago verweigerten Gill Scott-Heron kurz vorm Einstieg ins Flugzeug doch glatt die Ausreise. Angeblich, weil der mehrfach wegen seiner Kokainsucht vorbestrafte Musiker mit Häfnerfahrung eine dementsprechende Genehmigung nicht beantragt hatte.

Immerhin zeigte der Wettergott Mitleid mit den Veranstaltern und ließ die einzige Jazz-Party des Jahres in Wiesen nicht ins Wasser fallen. Bei einigermaßen sommerlichen Temperaturen starteten am frühen Nachmittag die österreichischen Lokalmatadore Mammut Horns den Reigen an jazzig-funkigen Bands der Nova Jazz & Blues Night. Die Wiener Truppe wartete mit verjazzten Hendrix-Songs, Mundart-Funk und einer sehenswerten Instrumentenkombination auf. Neben dem Standard-Bläsersatz aus Posaune, Trompete und Saxophon, E-Gitarre und Keyboards werkten gleich zwei Schlagzeuger an Marschtrommel und Drumset, der Bass kam aus einem Sousaphon. Dementsprechend urig klang es, als sich die Combo aus der Hauptstadt zum Schluss an Maurice Ravels Bolero "verging".

Während Gil Scott-Heron daheim der Chicagoer Justiz möglicherweise gerade zum siebenundzwanzigsten Mal erklären musste, dass das weiße Pulver in seiner Reisetasche ganz sicher nur Babypuder war, betrat in Wiesen das deutsch-amerikanische Kollektiv Jazzanova die Bühne. Der Weichspül-Funk der instrumental gut aufgestellten Truppe mochte aber nicht so recht überzeugen. Balladen waren halt so ziemlich das letzte, wonach dem Publikum um 15 Uhr nachmittags der Sinn stand. Der Vorteil des ausgedünnten Line-Ups, nämlich dass sich bei jeder Band eine komplette Show ausgeht, geriet hier zwischenzeitlich zum Nachteil, den es anderthalb Stunden auszuhalten galt.

Die nach knapp 15 Jahren Pause wieder reunierten Freak Power" aus London hatten nach Jazzanova ein leichtes Spiel, das Publikum wieder auf Temperatur zu bringen. Kräftiger Funk mit herrlich groovender Rhythmus-Sektion, dazu der Schmäh von Frontmann Ashley Slater, rüttelte selbst die Schlafenden auf der Wiese wieder wach. Gegründet hatte die Band Anfang der Neunzigerjahre ein gewisser Norman Cook alias Fat Boy Slim. Cook sei aber "die letzten Jahre nicht mehr zur Probe gekommen", heißt es zynisch auf der MySpace-Website der Band. Sänger und Posaunist Slater engagierte kurzerhand Paul Tweddle als Gitarristen und stellte die Band wieder auf. Eine großartige Idee, wie sich zeigte!

Als nächstes stand ein Lehrstück in Sachen Fusion auf der Festival-Anrichte bereit. Fusion, das begreift man bei Schlagzeuglegende Billy Cobham und seiner Spektrum Band recht schnell, funktioniert ungefähr so: Fünf Musiker kommen auf die Bühne, spielen einmal das Thema vor und solieren dann die nächsten zwanzig Minuten durch, als gäb's kein morgen - scheinbar jeder für sich, aber in Wahrheit alle gemeinsam und auf die Note genau abgestimmt. Zwischendurch darf zwar der eine mal etwas lauter als der andere, im Prinzip ist es aber ein herrliches Durcheinander, dem nicht immer gleich folgen kann, wer sich durch tanzen oder trinken ablenken lässt. Die ganze Anspannung im Publikum entlud sich daher am Ende jedes Songs wie zwei Liter zuckerfreie Limonade nach einem Mentos-Zuckerl. Der bald 65-jährige Cobham bewies anderthalb Stunden lang, dass mit der entsprechenden Technik kein Fill-in unmöglich und kein Groove zu kompliziert sein kann. Seine Soli wurden frenetisch bejubelt, der Meister des Open Handed Drummings bei jeder Wortspende von minutenlangem Beifall hingehalten. In Sachen Virtuosität stand die Spektrum Band ihrem Leader in nichts nach: Allen voran Junior Gill, der an der Small Percussion mit den vertrackten Cobham-Rhythmen mühelos mithalten konnte und darüber hinaus an der Steeldrum eine Wahnsinnsshow ablieferte. Von wegen, mit diesem Instrument könne man nur zu Bob-Marley-Songs und Karibik-Folklore dazuklimpern! Der Auftritt endete, wie es sich gehört, mit einem Schlagzeugsolo.

Volle zwei Stunden zum hemmungslosen Abtanzen stellten danach Jestofunk zur Verfügung. Das italienische Trio spielte, verstärkt durch eine ganze Armada an Mitmusikern und Sängern, groß auf und verwandelte das Segeltuchzelt in Wiesen in einen Tanzschuppen. Das Hitprogramm quer durch die drei Studioalben der drei italienischen Musiker und ihrer Begleitband überzeugte, wenn auch soundmäßig nicht alles so kernig wie von den Aufnahmen her gewohnt klang. Von allen 90-Minuten-Sets ging das der Beat-lastigen Funk-Truppe an diesem Samstag am schnellsten vorüber. Offenbar war auch die Band "ausgespielt": Als Zugabe musste der Hit "The Ghetto" ein zweites Mal herhalten.

Hohe Erwartungen waren bereits im Vorhinein an die zum Headliner aufgerückten Morcheeba gestellt worden. Das britische Trip-Hop-Brüderpaar, dass den noch immer nicht verdauten Rauswurf der charismatischen Sängerin Sky Edwards auf seinem letzten Studioalbum mit einer Überkompensation an Gaststars begegnete, war in Wiesen mit der Französin Manda als Frontfrau angereist. Die zierliche Sängerin kommt zwar auch nicht an Sky heran, bringt aber mit ihrer quirligen Art mehr Charakter in die Band, als dies frühere "Ersatz-Skys" vermochten. Soundmäßig waren Morcheeba am Samstag ganz vorne mit dabei. Gitarrist Ross Godfrey erzeugte mit insgesamt drei Gitarrenverstärkern in Serie geschalten einen sahnigen, schweren Sound, der seinesgleichen sucht. Das knapp 70 Minuten dauernde Set umfasste vor allem Songs aus dem aktuellen Album "Dive Deep" von der Single "Enjoy The Ride" über eine großartige Darbietung von "Gained The World" (das Manda auch auf der Studioaufnahme singt) bis zu "Run Honey Run", bei dem Bassist Bradley Burgess die Leadvocals übernahm. Alte Hits wie "Trigger Hippie", "The Sea", "Otherwise" und "Part Of The Process" durften natürlich auch nicht fehlen.

Die Zugabe lautete klarerweise "Rome Wasn't Built In A Day", an deren Ende die zufriedenen Gesichter der zahlreichen Besucher zu verstehen gaben, dass es für einen gelungenen Konzerttag gar nichts so sehr der großen Namen, denn vielmehr der richtigen Mischung aus Genres und Sounds bedarf. Bei der Nova Jazz & Blues Night traf man trotz aller Schwierigkeiten zum zweiten Mal voll ins Schwarze.

von Christoph Andert
Fotos: Andreas Graf

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