25.06.2009 14:15 |

Papier verspeist

Autor isst Text nach Lesung auf

Für Aufregung beim ersten Tag der Lesungen um den Ingeborg-Bachmann-Preis im Klagenfurter ORF-Theater hat der Österreicher Philipp Weiss (Foto) gesorgt. Der erste der vier österreichischen Teilnehmer aß den Text seiner Erzählung "Blätterliebe" nach der Lesung und der Jurydiskussion auf.
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Eröffnet wurden die Lesungen vom Schweizer Lorenz Langenegger. Die Erzählung "Der Mann mit der Uhr" wurde von der Jury freundlich, aber ohne Euphorie aufgenommen. Langenegger erzählt von Viktor, der jeden Tag Stunden auf einer Parkbank eines Friedhofs verbringt. Eines Tages wird er von einem Mann nach der Uhrzeit gefragt. Er habe zwar selbst eine Uhr, aber er traue ihr nicht und fürchte, etwas zu versäumen.

Es stellt sich heraus, dass gerade in der Firma des Mannes über dessen weitere berufliche Zukunft entschieden wird. Es kommt zu einem kurzen Gespräch, das Viktor einen Einblick in das Leben des anderen gibt. Dann läutet das Mobiltelefon des Nervösen, er strahlt auf und eilt davon. Und Viktor bleibt zurück, seltsam traurig.

Autor aß Text nach Lesung auf
In "Blätterliebe" von Philipp Weiss geht es um Oskar, einen Autor, der sich wegen undefinierbarer Schmerzen ins Spital begibt, nachdem er abends zuvor seinen Text fertiggestellt hatte. Er unterzieht sich einer Magenspiegelung, und der Arzt findet einen Blätterhaufen in seinem Inneren. Seine Freundin kommt zu ihm ins Spital, und am Ende ist sein Mageninhalt, der in einem Beutel neben dem Bett hängt, sein fertiger Text.

Dritte Lesung: "Heimgehen"
Humor brachte Karsten Krampitz mit dem Vortrag seines Textes "Heimgehen" in den Wettbewerb. Eingebettet in diese Geschichte ist die Problematik der Stasi und der "inoffiziellen Mitarbeiter" in der DDR. Ausgangspunkt ist eine offensichtliche Selbstverbrennung, für die ein angeblicher Ex-Spitzel verantwortlich sein soll. Dieser wird Jahrzehnte später interviewt und erzählt von seinem Opfer, einem Alkoholiker, der über die Kirche wieder trocken wird, eine Frau findet und eine neue Existenz aufbaut. Das Ende bleibt offen, da es sich um einen Auszug aus einer Novelle handelt.

Schweizer las "Fifty Blues"
Mit seiner Erzählung "Fifty Blues" löste Bruno Preisendörfer lebhafte Debatten bei den Juroren aus. Der Schweizer beschreibt die Befindlichkeit eines Therapeuten, der gerade 50 Jahre alt wird. Er behandelt einen Patienten, der seinen Zwang, zu einer Domina zu gehen, die ihn verprügelt, loswerden will. Auch seine Ehefrau hat er therapiert, ihr die Alkoholsucht abgewöhnt, aber nicht verhindern können, dass sie Selbstmord begeht. Ihn plagen Schuldgefühle, zudem fehlt ihm deshalb die nötige Distanz zu seinem Patienten. In die Erzählung eingebaut ist auch ein Clown sowie die Figur Gottes, der 50 Milliarden Jahre alt ist.

Abschluss des ersten Tages
Zum Abschluss des ersten Wettbewerbstages las Christiane Neudecker ihren Text "Wo viel Licht ist", der Lob wie Kritik erntete. Sie erzählte von einem Softwarekünstler, der nach Hongkong fliegt, um eine Performance mit seiner Computerkunst zu bereichern. Am Theater sorgt er dafür, dass der Schatten der Tänzerin ein elektronisches Eigenleben entwickelt. Im Lauf der Arbeit beginnt er jedoch zu bemerken, dass sich sein eigener Schatten selbstständig macht, bis am Ende der Erzähler der Schatten ist, der seinem Körper voraus ist.

Mehr Infos zum Bachmann-Wettbewerb findest du in der Infobox!

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