"Slumdog Millionär"

“Millionenshow” auf Indisch: “Slumdog Millionär”

Kino
18.03.2009 15:02
Sehnsucht ist eine Kraft, die Träume in die Wirklichkeit trägt... Und vielleicht muss man ja das Unmögliche wollen, um dem Schicksal eine Chance abzutrotzen. Die Chance zu entkommen. Dem Elend, der Ungerechtigkeit, der Armut. Davon - und von der Kraft einer großen Liebe - erzählt der achtfach Oscar-preisgekrönte Film „Slumdog Millionaire“, der farbenprächtiges ekstatisches Märchen und verstörende Groteske vor realistischem Hintergrund ist.

Danny Boyles Regie-Geniestreich, die brillante Adaption des Romans „Q & A“ des indischen Schriftstellers Vikas Swarup, katapultiert uns in das dunkle pulsierende Herz des Millionen-Molochs Mumbai, wo er die Absurdität des sozialen Gefälles in drastischen Bildern einfängt. Nein, hier liegt das Geld nicht auf der Straße. Aber das Wissen – für den, der den Augenblick nutzt.

Schlau durch das Staunen
Wie Jamal Malik, ein Junge aus den Elendsvierteln der indischen Megacity, ein Slumstreuner, der Tee in einem Callcenter ausschenkt, Augen und Ohren offen hält und so in der indischen Ausgabe der „Millionenshow“ landet, Frage um Frage erklimmt, um schließlich den Hauptgewinn von 20 Millionen Rupien einzustreichen. Weil ihn das Staunen und die Lebenserfahrung schlau gemacht haben. Weil das Glück dieses eine Mal auf seiner Seite ist. Weil ihn die Neugier, nicht die Geldgier antreibt, frei nach dem Motto: Das Leben ist ein Quiz! Und weil er unter den glühheißen Studiolampen einen kühlen Kopf bewahrt. Nicht der Millionengewinn macht diesen jungen Inder reich, sondern sein Prinzip zu überleben, sich selbst stets treu zu bleiben, weiß er doch um den Reichtum jenseits des Geldes. So lässt er sich auch nicht vom eitlen Moderator der Show - Anil Kapoor -, der Jamal seinen Triumph nicht gönnt, in die Irre führen...

In Rückblenden erschließt sich uns Jamals Kindheit in den Slums an der Seite seines Bruders Salim, der sinnlose Tod der Mutter bei einem Überfall des aufgebrachten Mobs, Versklavung und Kinderhandel, die Dickens’ „Oliver Twist“ zitieren. Gekonnt jongliert Danny Boyle („Trainspotting“, „The Beach“), der britische Filmemacher, mit Versatzstücken westlicher und östlicher Erzählkonventionen, und er filtert einen essentiell indischen Stoff – das Ideal einer großen Liebe (Freida Pinto betört als Jamals Herzblatt Latika) – durch eine überaus harte Realität.

Eine Mischung aus Exkrementen, Safran und Schweiß...
Danny Boyle: „Diese rauschhafte Faszination Mumbais ließ sich am besten mit kleinen Digitalkameras festhalten. So ausgestattet, konnte Kameramann Anthony Dod Mantle (British Independent Film Award für „The Last King of Scotland“, Anm. d. Red.) eins werden mit dem brodelnden Menschenmagma in den Straßen und packende Bilderwelten einfangen. Als Außenstehender hat man einen frischen Blick für Farben, Gesichter, für das Pittoreske, für das man in der eigenen Kultur abstumpft! Diesen süßsauren Geruch, eine Mischung aus Exkrementen, Safran und Schweiß, der über Mumbai wie eine schwüle Wolke wabert, habe ich noch heute in der Nase!“

Ein Blick auf den in pastellfarbenes Licht getauchten Taj Mahal wird zur Referenz an Indiens kulturellen Reichtum. Und doch wurde großteils in den Slums von Dharavi und Juhu gedreht. Für Danny Boyle ein wichtiger Ansatz: „Wir haben so viele echte Slumbewohner in unseren Film geholt wie möglich. Ironischerweise stellen ja die Ärmsten der Armen eine unglaubliche politische Macht dar, kommen doch in den Elendsvierteln sehr viele Wählerstimmen zusammen!“

Auch der Viktoria Terminus, Wahrzeichen britischer Kolonialisierung, wird zur einprägsamen Kulisse in „Slumdog Millionaire“. Boyle: „Die Bahngleise sind die Lebenslinien Indiens!“ Dev Patel, der den sympathischen erwachsenen Jamal spielt, war einer der wenigen Schauspieler, die von London aus besetzt wurden: „Für mich als Brite mit asiatischem Hintergrund war es ungeheuer spannend, mit meinen Wurzeln in Berührung zu kommen!“

Man sagt indischen Regisseuren nach, dass sie mit Träumen handeln... Mit „Slumdog Millionaire“ erweist sich auch der Brite Danny Boyle einmal mehr als Regie-Magier, und er flicht am Ende mit einer Tanzeinlage gar noch einen Hauch Bollywood ein in seine Hymne an die kuriosen Unabwägbarkeiten des Lebens. Das Glück. Das Geld. Und die Liebe. Wenn alles zusammenkommt, wird ein Stern am Firmament geboren. („Slumdog Millionaire“, ab 20. März im Kino) 

Von Christina Krisch, Kronen Zeitung

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