Lokalaugenschein

„Krone“ im Schlachthaus: Letzter Weg der Schweine

Beim herzhaften Biss in die Wurstsemmel denkt kaum jemand daran, dass für diesen Imbiss ein Tier sein Leben lassen musste. Der Gedanke an Transport, Schlachtung und Verarbeitung wird gerne ausgeblendet. Die „Krone“ Tierecke wagte den Lokalaugenschein und sah sich an, wo andere gerne die Augen verschließen. 

Hand aufs Herz: Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort „Schlachthof“ hören? Der Großteil der Bevölkerung assoziiert wohl Blut, Leid und Angst damit. Schlagworte, die unser Bewusstsein ins letzte Winkerl rückt und mit denen man sich nicht gerne beschäftigt. Die Zeiten, in denen die Dorfgemeinschaft zum „Sautanz“ ausrückte und Hausschlachtungen an der Tagesordnung waren, sind lang vorbei. 

In aller Munde
Die Österreicher essen zwar etwas weniger Fleisch als früher, aber immer noch viel zu viel. Im Jahr 2023 hat jeder im Durchschnitt laut Statistik Austria etwa 58 Kilogramm Fleisch gegessen. Heruntergerechnet sind das rund sechs Schnitzel pro Woche. Fleisch ist – anders als früher – kein Luxus mehr und jederzeit verfügbar. 

Im „gläsernen Schlachthof“ können Besucher durch eine Glasscheibe die Vorgänge im Wartebereich ...
Im „gläsernen Schlachthof“ können Besucher durch eine Glasscheibe die Vorgänge im Wartebereich verfolgen.(Bild: Katharina Lattermann)

Das Schnäppchen-Dilemma
Die Wertschätzung für dieses Lebensmittel ist gesunken, es ist zur Gewohnheit geworden. Es wirkt so, als wäre Fleisch nichts Besonderes mehr – dabei steckt einiges dahinter: ein ganzes Tierleben, harte Arbeit und viele Ressourcen. Zu selten fragen wir uns, woher das Fleisch überhaupt kommt. Der Tötungsvorgang passiert zumeist im Verborgenen, das Tier dahinter wird verdrängt. 

Faires Schlachten vor den Vorhang
Doch genau das müssen wir uns vor Augen führen, um als Fleischesser ein Stück Verantwortung zu übernehmen und das viel zitierte Tierwohl nicht an den Tellerrand zu schieben. Also geht es für die „Krone“ Tierecke auf Dienstreise, um sich anzuschauen, wie man pro Woche 2000 Schweine schlachtet und das Tierwohl dabei nicht aus den Augen verliert. 

Bei der - sehr wortkargen - Zugfahrt denken wir über diese Widersprüchlichkeit nach, einen Schlachthof aus Sicht des Tierwohls zu beurteilen, wenn man doch weiß, dass die Schweine diesen Ort als Kotelett verlassen werden. Viele Fragen gehen uns durch den Kopf, die Antworten sollen wir im oberösterreichischen Hausruckviertel finden, wo die Familie Hütthaler in vierter Generation Fleisch verarbeitet. 

Holzbuchten dämpfen den Schall, hohe Decken sorgen für optimale Luftzirkulation und ein ...
Holzbuchten dämpfen den Schall, hohe Decken sorgen für optimale Luftzirkulation und ein gezielter Sprühnebel schafft ein angenehmes Stallklima.(Bild: Katharina Lattermann)

Weniger Stress, mehr Würde
Während viele andere Schlachtbetriebe hinter Sichtschutzmauern arbeiten, verspricht Firmenchef Florian Hütthaler größtmögliche Transparenz und öffnet der „Krone“ mit sichtlichem Stolz die Türe. Denn sein Betrieb hat sich auf die Fahnen geheftet, neue Maßstäbe für den Tierschutz am Schlachthof zu setzen. Der gelernte Metzger und studierte Betriebswirt gibt offen zu: „Was ich bei meinen Branchenbesuchen im In- und Ausland erlebt habe, hat mir deutlich gemacht, wie wichtig es ist, bewusster und verantwortungsvoller zu konsumieren.“

Bereits beim Betreten der Anlage fällt uns eines auf: Es ist anders als erwartet. Kein Geschrei, kein Gestank, keine Hektik. Hinter einer großen Glasscheibe überblicken wir den Wartebereich der Tiere. Sie werden in kleinen Gruppen angeliefert und über rutschfeste Wege in klimatisierte Holzbuchten geführt. „Der letzte Weg der Tiere darf nicht von Angst geprägt sein – ein würdevoller und ruhiger Umgang ist entscheidend“, sagt der hauseigene Tierarzt Dominik Eckl, der das Projekt „Gläserner Schlachthof“ für Hütthaler mitentwickelt hat.

Projektleiter und Tierarzt Dominik Eckl mit Firmenchef Florian Hütthaler – sie sind sich der ...
Projektleiter und Tierarzt Dominik Eckl mit Firmenchef Florian Hütthaler – sie sind sich der großen Verantwortung gegenüber den Tieren bewusst.(Bild: Huetthaler KG 2025)

Tierschützer willkommen
Gemeinsam mit Verhaltensforschern, Tierschutzorganisationen (!) und Architekten wurde jeder Meter des Gebäudes geplant – mit einem Ziel: Leid vermeiden, wo es vermeidbar ist. Besonders erwähnenswert: die involvierten Tierschutzvereine können jederzeit unangemeldet anklopfen und erhalten Zugang zu den sensibelsten Bereichen. Auch die „Krone“ Tierecke wurde ohne Vorbehalte empfangen. 

Florian Hütthaler erklärt Redakteurin Katharina Lattermann: „In dem Einbahnsystem macht man sich ...
Florian Hütthaler erklärt Redakteurin Katharina Lattermann: „In dem Einbahnsystem macht man sich die natürliche Neugier der Tiere zu Nutze. Von Hektik ist nichts zu merken, die Tiere gehen ruhig voran – Treibhilfen sind Tabu.“(Bild: Katharina Lattermann)

Sekundentod 
Trotz der entspannten Atmosphäre haben wir einen Kloß im Hals. Denn wir wissen, dass für diese Schweine jetzt das letzte Stündlein angebrochen ist. Mit weißem Overall und Haarnetz betreten wir den ebenerdigen Wartebereich und begleiten die Tiere auf ihren letzten Metern. Geduldig traben sie nacheinander in die letzte Bucht, um im wahrsten Sinne des Wortes, ihr Leben für uns zu geben.

Über den entscheidenden Moment haben sich die Experten lang die Köpfe zerbrochen, um ihn möglichst stressfrei zu machen. Durch einen markanten Wechsel des Untergrundes macht man sich die Neugier des Schweins zu Nutze. Sofort geht der Rüssel Richtung Boden, um die neue Beschaffenheit unter den Beinen eingehend zu inspizieren. Sobald der Schädel unten ist, nutzt man dieses Momentum und setzt eine große Metallzange an den Nacken. . .

Die Betäubung durch den Elektroschock erfolgt einzeln und in Sekundenbruchteilen abseits der anderen Artgenossen. Unterdruck-Klima sorgt dafür, dass das nachkommende Tier nicht riechen kann, was mit dem Vorgänger gerade passiert ist. Die Mitarbeiter nehmen unseren Besuch kaum wahr, ihre ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf ihre Tätigkeit. Den Vorgang selbst könnte man als „kurz, schmerzlos und würdevoll“ bezeichnen. Jeder, der das nicht aushalten kann oder will, sollte in Zukunft auf vegane Alternativen setzen. 

Nachdenklich blickt Tierecke-Redakteurin Diana Zwickl auf die Produktionsstraße und findet: „Als ...
Nachdenklich blickt Tierecke-Redakteurin Diana Zwickl auf die Produktionsstraße und findet: „Als Konsument muss man sich dieser Realität stellen“.(Bild: Katharina Lattermann)

Auch die weiteren Verarbeitungsschritte werden uns genau erklärt, denn nun beginnt der Weg vom Lebewesen zum Lebensmittel. Der gesamte Ablauf ist videoüberwacht, sämtliche Daten werden dokumentiert. Nur Tiere in gutem Zustand, frei von Stressanzeichen, werden als Lebensmittel weiterverarbeitet. Die durchschnittliche Schlachtgeschwindigkeit liegt weit unter dem Branchendurchschnitt. „Zeit ist Tierwohl“, lautet ein Leitsatz des Unternehmens. Zum Vergleich: Hier lassen pro Woche etwa 2.000 Schweine ihr Leben. Bei den Größten der Branche findet das in rund einer Stunde statt. 

Anfangs belächelt, jetzt Vorzeigeprojekt
„Wir leben unsere Vision, von einem klaren Bekenntnis zu mehr Tierwohl entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Es ist nur immer auch die Frage, ob die Gesellschaft das mitträgt“, erzählt Florian Hütthaler im ausführlichen Gespräch mit der „Krone“. 
Er berichtet auch von Steinen, die ihm anfangs seitens der Landwirtschaft in den Weg gelegt wurden. Mittlerweile ist sein Schlachthof aber nicht nur ein Meilenstein, sondern ein möglicher Wendepunkt: „Es kommen viele Kollegen und klopfen mir anerkennend auf die Schulter. Das freut mich, und ich hoffe, dass in Zukunft viel mehr umgedacht wird und die ganze Branche mitzieht“, so der Oberösterreicher. 

Auch ein Besuch am Bauernhof durfte nicht fehlen. Denn dort beginnt alles!
Auch ein Besuch am Bauernhof durfte nicht fehlen. Denn dort beginnt alles!(Bild: Katharina Lattermann)

Vom Stall bis auf den Teller 
Die eigene Produktlinie „Hofkultur“ bildet das Herzstück des Konzepts. Hier verpflichten sich rund 40 Bauernhöfe in Oberösterreich zu strengsten Tierwohlstandards: Freilauf im Stall, gentechnikfreie Fütterung, tierärztliche Betreuung und Auslauf ins Freie. Jedes Tier ist rückverfolgbar – über ein eigenes System kann der Konsument sehen, von welchem Hof das Fleisch stammt.

„Was andere inszenieren, ist bei uns gelebter Alltag: echte Hofkultur“, so Hütthaler, bei dem sich immer mehr Landwirte melden und mitmachen wollen. Und das kommt auch beim Verbraucher an: Die Produkte sind mittlerweile in fast allen Supermärkten, im Gastro-Angebot von Möbelriesen und im eigenen Werksverkauf erhältlich.

Die Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmittel ist immer gleichzeitig ein Produktionsauftrag.
Die Entscheidung für ein bestimmtes Lebensmittel ist immer gleichzeitig ein Produktionsauftrag.(Bild: Serhii - stock.adobe.com)

Bewusster Konsum
Dieser Besuch macht für uns noch einmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, den Dingen auf den Grund zu gehen und aktiv hinzuschauen - auch wenn der Weg kein leichter ist. Ein „gläserner Schlachthof“ ist ein mutiger Schritt in die richtige Richtung und ein zukunftsweisender Beitrag zu mehr Achtsamkeit beim Thema Fleisch. Er zeigt uns auf, wie wichtig es ist, über landwirtschaftliche Tierhaltung, Herkunft und Verarbeitung des Fleisches Bescheid zu wissen. Die entsprechende Kennzeichnungspflicht wäre Aufgabe der Politik. Die Entscheidung beim Griff ins Regal oder bei der Bestellung im Restaurant bleibt jedem Konsumenten selbst überlassen. 

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