Kritiker abgesägt

Islamlehrer nach Kommentar von IGGiÖ entlassen

Österreich
25.02.2009 13:21
Offenbar nicht nur "schwarze Schafe", sondern auch kritische Geister müssen in der Diskussion um muslimische Religionslehrer um ihren Job bangen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft sorgt mit dem Rauswurf eines solchen internen Kritikers jetzt für Empörung: Der Religionslehrer Aly El Ghoubashy hatte der IGGiÖ in einem Kommentar vorgeworfen, ihre Möglichkeiten zur Integrationsförderung im Islamunterricht nicht wahrgenommen zu haben. Der im vorarlbergischen Feldkirch beschäftigte Religionslehrer kritisierte auch die Auswahl von Lehrbüchern. Dafür wurde der in den Hauptfächern Bildnerische Erziehung und Werken lehrende Pädagoge jetzt von IGGiÖ-Präsident Anas Schakfeh (Foto) abgesägt.

Schakfeh teilte El Ghoubashy den Entzug der Lehrberechtigung schriftlich mit. In dem Brief steht: "Sie haben in diesem Gastkommentar nicht nur Ihre Arbeitsgeberin [sic!], die IGGiÖ, für unfähig erklärt und somit ihrem Ruf mutwillig enormen Schaden zugefügt, sondern Sie haben auch die ganze islamische Community in Österreich für gesellschaftsfremd und integrationsunwillig erklärt."

Der umstrittene IGGiÖ-Präsident konstatiert in dem mit 24. Februar datierten Brief eine "irrationale gefühlsbeladene Gemütslage" des Islam-Lehrers in Vorarlberg. "Durch Ihre Behauptungen und Beschuldigungen in Ihrem heutigen Gastkommentar haben Sie jede Grenze des Zumutbaren und Tolerierbaren überschritten."

Lehrer will sich an Gewerkschaft wenden
El Ghoubashy hatte den Zeitungs-Gastkommentar im "Standard" vom Dienstag mit den Worten eingeleitet: "Der Islamunterricht wäre eine gute Gelegenheit, um die jungen Muslime in der Gesellschaft zu integrieren. Leider haben wir Muslime diese Möglichkeit nicht ernst genommen und deshalb verpasst." Der Vorarlberger Gymnasiallehrer sieht die Schuld auch bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft bzw. deren Schulamt, der islamischen Pädagogischen Akademie in Wien und in der Auswahl von Lehrplänen, Büchern und Fachinspektoren für den Islam-Unterricht.

El Ghoubashy will sich wegen des Unterrichtsverbots an die Gewerkschaft wenden. Man hätte ja mit ihm das Gespräch suchen können, so der AHS-Lehrer. "Aber niemand hat mit mir geredet."

Ex-Schuldirektor: "Schakfeh ist nicht mehr tragbar"
Mit Empörung reagiert der Grüne Bildungssprecher und ehemalige Direktor der AHS in Feldkirch, Harald Walser, auf den Entzug der Lehrermächtigung für El Ghoubashy. Er fordert deren sofortige Rücknahme und Konsequenzen für den Leiter des islamischen Schulamtes. "Anas Schakfeh ist nach dieser Aktion als Leiter des Schulamtes nicht mehr tragbar", hieß es.

Denn, so Walser: "In einer Demokratie muss sachliche Kritik möglich sein." Er kenne El Ghoubashy und dessen Unterricht persönlich: "Er unterrichtet aufgeschlossen und sehr zeitgemäß." Während man El Ghoubashy nicht mehr unterrichten lasse, würden von "Lehrer ohne Ausbildung und mit oft sehr problematischem Verhältnis zur Demokratie und den Menschenrechten gedeckt", spielt der Grüne auf eine Ende Jänner veröffentlichte Umfrage an, wonach bei Islam-Lehrern in Österreich Demokratie-Defizite bestünden.

Schakfeh: "Er ist nicht vom Fach"
Schakfeh hat das Unterrichtsverbot am Mittwoch verteidigt. "Ich rufe alle Parteien und Institutionen auf: Wenn Sie Angestellte haben, die die gesamte Organisation schlecht machen, werden Sie ihn behalten?" Es gehe bei dem Entzug der Lehrberechtigung "nicht um meine Person, El Ghoubashy hat die gesamte Community schlecht gemacht". Das könne die IGGiÖ nicht hinnehmen, sagte Schakfeh. Kritik der Grünen wies er zurück.

El Ghoubashy - er unterrichtet Bildnerische Erziehung und Werken und gibt laut Schakfeh nur zusätzlich Islam-Unterricht - sei "nicht vom Fach", so der IGGiÖ-Vorsitzende. Und dennoch sage er von den rund 400 Islam-Lehrern in Österreich sie hätten zum Großteil weder Fachwissen noch ausreichend Deutschkenntnisse, weist Schakfeh auf entsprechende Aussagen von El Ghoubashy vor dem Kommentar hin. "Mit wie vielen Lehrern hat er denn persönlich gesprochen? Wie erlaubt er sich solche Urteile?"

Die geäußerte Kritik an der Ausbildung der Islam-Lehrer wirft für Schakfeh auch ein schlechtes Licht auf die pädagogische Ausbildung insgesamt, denn: "Wir unterrichten nur die religiösen Disziplinen." Geplant sei künftig, nicht in Österreich ausgebildete Kräfte wie El Ghoubashy, der in Alexandria eigentlich Kunst und Architektur studiert hatte, "sukzessive abzulösen" durch Absolventen des Privaten Studiengangs für das Lehramt für Islamische Religion.

"Liberale Muslime" fordern Schmied zum Handeln auf 
"Wir sind bestürzt über die Vorgangsweise", solidarisiert sich die "Initiative liberaler Muslime Österreich" mit Aly El Ghoubashy. Es handle sich um einen "Kardinalsfall", bei dem Anas Schakfeh "wie ein Staat im Staat agiert", kritisierte der Sprecher der Initiative, Bouziane Ghessas, am Mittwoch die Suspendierung. "Wir fordern Bildungsministerin Claudia Schmied auf, endlich zu handeln."

Schmied solle Schakfeh als obersten Fachinspektor und die ihm unterstellten Fachinspektoren suspendieren, wiederholte die ILMÖ eine Forderung, die sie zuletzt am Dienstag in einem offenen Brief an die Ministerin gestellt hatte. Die für den Islam-Unterricht an heimischen Schulen Verantwortlichen seien "untragbar" geworden, verwies Ghessas auch auf bei der ILMÖ eingehende Anrufe mehrere Lehrer. "Sie haben Angst, ihre Meinung öffentlich zu sagen", ortet der Sprecher Zustände "wie in Saudi-Arabien".

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