Filzmaier-Analyse:

"Donald Trump spricht die Gefühle der Mehrheit an"

Ausland
13.11.2016 08:30

Der Bauch entscheidet: Der republikanische Kandidiat Donald Trump hat laut Politikwissenschafter Peter Filzmaier bei den US-Präsidentschaftswahlen deshalb gesiegt, "weil er die Gefühle der Mehrheit anspricht". Filzmaier erkennt in seiner Analyse für die "Krone" dabei auch Parallelen zu Österreich.

Politik und Wahlen werden auch stark von Emotionen bestimmt. Niemand analysiert die Parteiprogramme, um mögliche Übereinstimmungen mathematisch auszurechnen. Das entscheidet der Bauch. Eine Mehrheit der US-Amerikaner war für Donald Trump. Weil er es versteht, ihre Gefühle anzusprechen. Dabei gibt es auch interessante Parallelen zu uns.

Ärger: "Du ungebildeter Verlierer und rassistischer Dummkopf!" Wie würden Sie reagieren, wenn jemand Sie so nennt? Genau das tun indirekt jene, die für Trumps Wähler kein Verständnis haben. Es ist klar, dass diese da nicht diskutieren wollen, sondern eine wütende "Jetzt erst recht!"-Stimmung für wie Trump polternde Politiker entsteht.

Nur knapp über ein Drittel der Wähler von "The Donald" ist von ihm echt überzeugt. Zwei Drittel haben Vorbehalte. Dasselbe gilt für die Fans tatsächlicher oder angeblicher Populisten in "EU-ropa".

Kränkung: Auch der Fachbegriff Modernisierungs- und Globalisierungsverlierer ist ungewollt eine Frechheit. Gemeint ist neutral eine Wählergruppe, deren Lebenssituation sich infolge der internationalen Entwicklung verschlechtert. Die Einkommen werden niedriger, vieles andere teurer. Doch heißt das im Umkehrschluss, man selbst sei ein Gewinner - und wer "verliert", habe alles falsch gemacht? Weder in den USA noch in Österreich haben klassische Politiker es geschafft zu vermitteln, dass sie das nicht so meinen. Genauso fehlt es an Überzeugung, sie seien nicht (mit)schuldig, wenn für immer mehr Menschen ihr Geld kaum reicht.

Angst: Es geht aber nicht bloß darum, wie es uns wirtschaftlich und sozial geht. Oft genügen Abstiegsängste, es könnte schlechter werden. Fast keine Regierung der Welt nimmt einem derartige Befürchtungen ab. Trump kann auch nicht glaubhaft Sicherheit versprechen. Er klopft allerdings starke Sprüche, dass in Zukunft die anderen - wer immer das ist - Angst haben würden. Auch militärisch. In den USA, wo die Hälfte fürchtet, Terroropfer zu werden, funktioniert das. Vielleicht hierzulande ebenfalls.

Enttäuschung: Vergessen wir billige Beschimpfungen, alle Politiker seien unfähig. Es gibt solche und solche. Haben freilich jene, die sich ehrlich bemühen, eine tolle Bilanz vorzuweisen? Henry Olsen, ein renommierter Politikwissenschafter in Washington, hat nach der US-Wahl vorgerechnet, wie oft versprochene Jobs nie geschaffen wurden. Das macht einen unerfahrenen Anti-Politiker der Marke Trump möglich. Was soll er nach Meinung der Enttäuschten schlechter machen? Für grob vereinfachende Oppositionsparteien gilt weltweit dasselbe.

Arroganz: Trotzdem hat man den Eindruck, als würden Politik und Medien im Regierungsviertel der Großstädte von Brüssel bis Wien alles besser wissen. In Wahrheit leben sie in einer fremden Welt, fern von den Alltagssorgen vieler Bürger. Deutlich zeigt sich das an Stadt-und-Land-Unterschieden. Im ländlichen Raum erzielten sowohl Trump als auch etwa Norbert Hofer Wahlergebnisse von über 60 Prozent.

Sorge: Hinzu kommt die Frage, ob das eigene Land in die richtige oder falsche Richtung steuert. Unter jenen, die von der Richtigkeit des amerikanischen Kurses überzeugt sind, waren 90 Prozent für Hillary Clinton. Die Vertreter der Gegenmeinung, die USA seien "ernsthaft aus der Spur geraten", stimmten zu fast 70 Prozent für Trump.

Ähnliche Abweichungen gibt es innerösterreichisch beim Wahlverhalten SPÖ oder ÖVP einerseits und FPÖ andererseits. Beide Seiten sollten in Ruhe Luft holen und - anstatt sofort loszubrüllen, welche Einschätzung stimmt - gemeinsam nachdenken, warum man die Lage der Nation so unterschiedlich sieht.

Einsamkeit: Der Heimatstolz als wichtiges Wahlmotiv für sowohl Trump als auch FPÖ oder AfD, Le Pen, Brexit-Befürworter & Co. ist unbestritten. Dennoch sind natürlich nicht deren Wähler alle gemeingefährliche Nationalisten. Eher geht es um Zugehörigkeit. Wir wollen einer überschaubaren Gruppe an- und zugehören, obwohl alle Menschen gleich sind. Wer in Fabrik oder Büro arbeitet und sich mit Mühe einen Urlaub pro Jahr leisten kann, fühlt sich nicht als Weltbürger.

Neid: In den USA gilt die Geschichte "vom Tellerwäscher zum Millionär". Reichen Leuten begegnete man früher mit Bewunderung. Heute punktet Trump mit Korruptionsvorwürfen.

Hier ist es die FPÖ, in Kärnten für das Hypo-Debakel hauptverantwortlich, mit der Verschwendung von Steuergeld. Der Vorwurf, "die da oben" betreiben Machenschaften, ist populär. Warum nicht? Wie soll der Durchschnittsamerikaner verstehen, dass Bill Clinton für einen Vortrag im bitterarmen Sudan mit Tausenden Hungertoten 600.000 Dollar erhielt?

Sehnsucht: Dass Donald Trump und die Parteiführer der Opposition in Europa als Regierende eine noch größere Katastrophe sind, ist möglich. Keiner weiß das so oder so. Und solange die Seilschaften der traditionellen Politiker sie nicht einbinden, können sie Ausgrenzung rufen - und von den Wunschträumen des Volkes nach einem Erlöser gut leben.

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